Dentaler "Käufermarkt"

Zähneflicken allein ist nicht (mehr) genug!

Fragt man Zahnärzte nach den Leistungen ihrer eigenen Praxis, so erhält man eine einstimmige Antwort: Die zahnmedizinische Behandlung. Dies mag zwar durchaus korrekt sein, greift aber zu wenig weit. Gerade in den heutigen Zeiten, in denen die Ansprüche der Patienten laufend zunehmen, sollte man sich Gedanken über seine Leistungspalette machen.



Den Ausdruck des „gesättigten Marktes“ haben Sie sicherlich schon mal gelesen oder gehört. Der Begriff beschreibt einen Markt, der kaum mehr wächst, weil ein jeder das entsprechende Produkt schon gekauft oder die entsprechende Dienstleistung schon in Anspruch genommen hat. Ein gutes Beispiel dafür ist die Mobiltelefonie: Zählte man in Deutschland zur Jahrtausendwende 48,25 Millionen Sim-Karten, so waren es im dritten Quartal 2015 etwas über 113 Millionen Mobilfunkanschlüsse. Seitdem 2008 die Hundert-Millionen-Marke geknackt wurde, hat sich die Zahl somit bei etwa 110 Millionen Abos eingependelt. Bei etwas über 80 Millionen Bundesbürgern heißt dies, dass jeder ein Mobiltelefon besitzt. Und das bedeutet, dass kein Wachstum mehr möglich ist.

Gesättigte Märkte zeichnen sich unter anderem durch eine hohe Konkurrenz unter den Anbietern aus sowie, als logische Folge davon, durch die Tatsache, dass die Konsumenten aus einer Vielzahl an Anbietern auswählen können.

Willkommen im dentalen Käufermarkt

Nicht ganz so angespannt wie bei der Mobiltelefonie ist die Lage bei den Zahnarztpraxen. Ein sich veränderndes Verständnis der Mundgesundheit und neue Behandlungstechniken bieten immer noch Wachstumspotenzial, doch die Zeiten, in denen das Wartezimmer von allein immer voll ist, sind vorbei. Denn auch unter den Zahnarztpraxen hat die Konkurrenz zugenommen; gerade im städtischen Umfeld ist die Zahnarztdichte besonders hoch. Gerade mal 800 bis 1.000 Einwohner auf einen praktizierenden Zahnarzt zählt die Bundeszahnärztekammer in Städten wie Hamburg oder Berlin, und auch die 1.000 bis 1.200 Bundesbürger pro Zahnarzt in anderen Bundesländern sind eher kritisch.

Der sogenannte Käufermarkt, bei dem die Konsumenten zwischen mehreren Anbietern frei entscheiden können, ist somit auch in der Zahnmedizin in Deutschland längst zur Tatsache geworden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Patienten von heute selbstbewusster und anspruchsvoller geworden sind. Sie wollen es genau wissen, hinterfragen Behandlungen und holen sich gerade bei kostspieligen Privatleistungen schon mal eine zweite Meinung bei einem anderen Zahnarzt ein. Kurzum, die Patienten sind, wie man so schön sagt, nicht nur volljährig geworden, sondern aufgrund ihrer Auswahlmöglichkeiten auch am längeren Hebel! Für die Praxisinhaberinnen und -inhaber heißt dies, dass man sich vertieft mit den Wünschen und Ansprüchen seiner Patienten auseinandersetzen sollte, möchte man seine Zukunftsperspektiven sichern.

Die Sichtweise des Patienten gewinnt an Bedeutung

Konkret bedeutet dies, dass man vermehrt die subjektive Wahrnehmung seiner Patienten ernst nehmen sollte: Wie nimmt dieser unsere Zahnarztpraxis wahr? Welches sind seine Eindrücke während der Behandlung? Und was sind seine Gefühle? Manche Dentalprofis tun solche Fragen als nebensächlich ab, haben sie doch kaum etwas mit der Zahnmedizin als Wissenschaft zu tun.

Nur: Aufgrund der Dominanz der Patienten gewinnen diese Aspekte immer mehr an Bedeutung. Und: Aus der Psychologie wissen wir, dass rund Dreiviertel aller Entscheidungen eines Menschen von Emotionen beeinflusst werden. Oder aus welchem Grund sonst werden PKWs in verschiedenen Lackierungen und Farben fabriziert?

Wie entscheidet der Patient?

Erschwerend kommt bei der Zahnmedizin hinzu, dass die meisten Patienten gar nicht in der Lage sind, eine Behandlung sachlich-kompetent zu beurteilen, fehlen ihnen dafür doch ganz einfach die Kenntnisse. In der Folge greifen sie auf sogenannte Ersatzkriterien zurück, um ihren Besuch beim Zahnarzt zu beurteilen, Kriterien, die ein Patient verstehen und nachvollziehen kann und die für ihn daher absolut relevant sind. Jeder von Ihnen kennt den Spruch: „Es hat gar nicht weh getan!“ Oder: „Dieser Zahnarzt ist supersympathisch.“ Stimmt, mit der zahnmedizinischen Leistung haben diese Kommentare wenig gemein, für die Patienten sind sie jedoch die ausschlaggebenden Gründe, sich für die eine oder die andere Praxis zu entscheiden.

Mehrwert in Ergänzung zum Kernnutzen

Kommen wir zurück zur Mobiltelefonie. Dass man mit einem Mobiltelefon von unterwegs Telefongespräche führen kann, liegt auf der Hand und ist längst eine Selbstverständlichkeit. Und auch die bundesweite Flächenabdeckung oder die Qualität der Gesprächsübertragung sind keine Argumente mehr, sich für den einen oder den anderen Anbieter zu entscheiden. Auf diese Veränderung in der Wahrnehmung reagieren gerade die Gerätehersteller immer wieder neu und bieten Mehrwerte an, die mit dem Kernnutzen eines Mobiltelefons nichts mehr gemein haben.

Der Kernnutzen wird somit durch zusätzliche Leistungen und Angebote angereichert, denn nur so wird man den wachsenden Ansprüchen der Konsumenten gerecht. Und genau gleich läuft es auch bei den Zahnarztpraxen ab, wo man die medizinische Leistung durch ergänzende Maßnahmen vervollständigen sollte, möchte man auch in Zukunft Patienten gewinnen und an sich binden.

Mehrwert und Zufriedenheit in der Zahnarztpraxis

Das sogenannte „Kano-Modell der Kundenzufriedenheit“ wurde bereits 1978 von einem japanischen Wirtschaftsprofessor entwickelt, hat aber bis heute nichts an Aktualität eingebüßt – ganz im Gegenteil! Kano mag damals nicht an Zahnarztpraxen gedacht haben, die neuen Marktgegebenheiten in der Zahnmedizin sind jedoch Grund dafür, dass seine Überlegungen gerade für uns aktueller sind denn je. Schließlich beschreibt sein Modell drei Stufen der Kunden- respektive Patientenzufriedenheit, die von der Indifferenz über die Genugtuung bis hin zur Begeisterung führen. Und nur Letzteres, also die außerordentliche, persönliche Zufriedenheit des Patienten, bildet die Grundlage für die so bedeutende Mundpropaganda.

Zufriedenheit des Patienten

Die Grundstufe, auch Basismerkmale genannt, umfasst Leistungen, die vom Konsumenten respektive Patienten als selbstverständlich erachtet und daher kaum wirklich geschätzt werden. Bei der Mobiltelefonie wären dies der Rufaufbau oder die Gesprächsqualität. Wir denken nicht mehr daran, bis wir in ein Funkloch geraten. In der Zahnarztpraxis gelten etwa die Hygiene oder der neue Behandlungsstuhl, den man sich anlässlich der IDS gekauft hat, als Basismerkmale. Mag der neue Sirona-Stuhl noch so sehr die Bewunderung der Kollegen auf sich ziehen, für die Patienten ist er lediglich eine Selbstverständlichkeit und somit kaum ein Grund, seinen Zahnarzt weiterzuempfehlen.

Die zweite Stufe respektive die zweite Zufriedenheitsebene bilden die sogenannten Leistungsmerkmale, also jene Aspekte, die im direkten Zusammenhang mit dem Bedürfnis des Patienten stehen. Sie umfassen die Leistungserbringung, in unserem Fall also die zahnmedizinische Behandlung. Das Besondere daran ist, dass eine Überkompensation nicht automatisch zu einem höheren Zufriedenheitsgrad führt. Will heißen: Eine bessere, fachliche Leistung führt nicht zwingend zu einer höheren Patientenzufriedenheit.

Begeisterungsmerkmale

Somit gewinnen die sogenannten Begeisterungsmerkmale an Bedeutung, sind es doch diese, die aus einem „Ja-war-okay-Patienten“ einen „War-wirklich-super-prima-Patienten“ machen. Möchte man diese Begeisterungsmerkmale bewusst fördern, dann sollte man wirklich versuchen, sich in die Situation seiner Patienten zu versetzen. Wie erleben sie ihren Besuch in der Praxis? Wie wird mit ihnen umgegangen? Wie werden ihnen die Dinge erklärt? Kurzum: Welches sind die Ersatzargumente, die wir den Patienten anbieten, so dass sie die zahnmedizinischen Leistungen unserer Praxis besser nachvollziehen und verstehen können?

Eine allgemein gültige Antwort kann man nicht geben, hängt diese doch vom Charakter eines jeden Zahnarztes und der Eigenheit der jeweiligen Praxis ab. Allerdings braucht man das Rad nicht neu zu erfinden, möchte man die Begeisterungsmerkmale in der eigenen Praxis ausbauen.

Optimierung des persönlichen Umgangs mit dem Patienten

Ein erster Ansatz könnte darin bestehen, den persönlichen Umgang mit dem Patienten zu optimieren und parallel dazu dem Patientendialog mehr Bedeutung zu geben, sich für ihn mehr Zeit zu nehmen und mit ihm auf Augenhöhe, von Angesicht zu Angesicht, zu kommunizieren. Aber auch der gezielte Einsatz von visuellen Hilfsmitteln oder Garantieleistungen auf erbrachte Behandlungen sind eine Möglichkeit, solche Begeisterungsmerkmale zu generieren. Den Ideen sind dabei keine Grenzen gesetzt, sofern diese seriös und rechtens sind.

 Daniel Izquierdo Hänni

Daniel Izquierdo Hänni
ist Marketing- und Kommunikationsprofi, Referent und Autor im Bereich der Zahnmedizin und Gründer von www.swissdentalmarketing.com, info@swissdentalmarketing.com