Wert der Leistung und das Behandlungskonzept

So verlässt der Zahnarzt die Rolle des Verkäufers

Einfach nur mit dem Patienten arbeiten, sich nicht mit Themen wie dem Verkauf einer Leistung auseinandersetzen müssen. Wie wäre es, wenn die Patienten von allein nach den Leistungen der Praxis greifen würden? Der Artikel gibt einige Anstöße.


Zahnarzt im Patientengespräch

Leistungen verkaufen sich von allein, wenn es der Praxis gelingt, die Bedürfnisse der Patienten zu erkennen © Igor Mojzes/fotolia


In einer Zahnarztpraxis bekommt kein Mensch gerne etwas verkauft. Und bis auf wenige Ausnahmen tun sich die meisten Menschen auch schwer, anderen etwas zu verkaufen. In einer Praxis sitzt aber ein Patient mit Wünschen, Bedürfnissen und Beschwerden, auf die es einzugehen gilt. Wenn also das Angebot des Zahnarztes den Patienten da abholt, wo er grade steht, und dort ein Angebot macht, wo der Patient ein Bedürfnis hat, hört Verkauf auf, Verkauf zu sein.

Es lohnt sich nachzufragen, was der Patient erwartet: Wünscht er sich eine Standardbehandlung, die seine Kasse zahlt, oder wünscht er sich eine nachhaltige, eine hochwertige Behandlung, selbst wenn er dabei in die eigene Tasche greifen muss. Ein Patient, der nur Zahnstein entfernen lassen will, ist wahrscheinlich nicht von einer Generalsanierung zu überzeugen. Der Zahnarzt verlässt die Rolle des Verkäufers, wenn er erspürt, was der Patient braucht, und diesem aus seiner Erfahrung heraus einen Vorschlag unterbreitet.

Nur der Nutzen zählt

Was ist die Leistung eines Zahnarztes wert? Das ist nicht einfach zu bestimmen. Was ist es wert, wenn der Patient nach langer Suche Hilfe bekommt, etwa bei nicht abheilenden Parodontalbeschwerden oder sich lösenden Implantaten? Wie ist die jahrelange Zusatzausbildung mit einem immensen Kosten- und Zeitaufwand abzubilden? Für den Patienten sind diese Fragen allerdings unwichtig, was für ihn einzig zählt, ist der wahrgenommene Nutzen.

Wenn in der Jameda-Bewertung steht: „Der Zahnarzt ist nur aufs Geld aus“, dann hat in den meisten Fällen der Patient den Wert der Leistung und das Behandlungskonzept nicht verstanden. Der Wert einer Leistung hat immer zwei Seiten:

• Erkennt der Behandler den Wert der eigenen Leistung und hält er diese für wertvoll?
• Erkennt der Patient die Leistung als wertvoll für sich, hat er sie verstanden und trifft der Behandlungsvorschlag das Bedürfnis des Patienten?

In der Kindheit lernt man, dass Eigenlob stinkt. Solche Glaubenssätze werden auch noch von Erwachsenen häufig unbewusst als Wahrheit genommen – selbst zum Thema Geld. Diese sorgen dann oft dafür, dass sie sich selbst erfüllen. Ein Beispiele für einen solche Glaubensatz lautet etwa: „Helfen, Heilen und Geldverdienen passen nicht zusammen.“

Die eigenen Glaubenssätze zeigen sich meist in der Wiederholung von immer gleichen Situationen und Worten. Wenn zum Beispiel Patienten immer wieder sagen, dass eine Leistung zu teuer sei, kann es daran liegen, dass der Behandler selbst unbewusst diese als zu teuer bewertet. Sich selbst anzunehmen ist manchmal ein großer Schritt. Er beginnt mit dem Erkennen, Auflösen oder Loslassen der eigenen Glaubensmuster.

Alleinstellungsmerkmale finden

Webseiten von Zahnärzten gleichen sich häufig im Therapie- und Diagnoseverfahren. Ist Ästhetik angesagt, findet man diese Leistung auf vielen Webseiten, läuft Bleaching gut, dann haben das viele Kollegen im Programm. Über Erkrankungen wird in den meisten Fällen gar nicht geschrieben. Wie soll da Einzigartigkeit entstehen?

Im besten Fall wird sie über den Zahnarzt selbst, über seine Darstellung im Netz sichtbar – vorausgesetzt, der Behandler traut sich, mehr zu schreiben als einen knappen Lebenslauf. Warum sollte ein Patient gerade in diese Praxis kommen? Es lohnt sich, auf die eigene Darstellung mit dieser Frage und den Augen des Patienten zu schauen. Die eigene Einzigartigkeit wird sichtbar aus Fragestellungen wie:

• Bei welchen Erkrankungen kann ich am besten helfen?
• Was treibt mich an? Sind es eher komplizierte Fälle oder eine besonders gute Rekonstruktion?
• Mit welchen Patienten arbeite ich am liebsten?

Um die Fragen zu beantworten, ist es hilfreich, am Ende eines Praxistags Situationen zu notieren, in denen die Arbeit ein pures Vergnügen war oder der Erfolg mühelos gelang. Aus den Aufzeichnungen wächst ein persönliches Wertkonto. Die eigenen Werte rücken in den Fokus und man kann sich so über die Zeit besser wertschätzen. Diese Wertschätzung für sich selbst fließt dann auch in die Kommunikation mit dem Patienten.
Was ist eine Brücke wert, die 20 Jahre und mehr die Belastungen im Mund des Patienten aushält? Was ist es wert, wenn es gelingt, die eigenen Zähne für den Patienten noch lange zu erhalten? Patienten, die einer Praxis über 20 Jahre treu bleiben, können dem Behandler das Ergebnis seiner Arbeit auch nach vielen Jahren bestätigen und gleichermaßen als Marketinginstrument dienen.

Träume ansprechen

Voraussetzung ist, dass im Wartezimmer einer Praxis tatsächlich Patienten sitzen, die das Wissen und Können des Zahnarztes wertschätzen. Das ist Aufgabe der Praxishomepage und des Praxismarketings. Hinzu kommt die Situation des Patienten. Wo steht er gerade und was braucht er vom Behandler? Sucht der Patient eine nachhaltige Lösung, rückt der Preis in den Hintergrund und hochwertiges Material in den Fokus. Ist er empfindlich und wünscht Beratung und eine sorgsame Materialauswahl – auch dann ist der Preis eher Nebensache. Ist der Patient aber knapp bei Kasse, freut er sich über einen Therapievorschlag, bei dem sein Problem zu geringen Kosten gelöst wird. Zwei Patienten mit zwei völlig verschiedenen Therapieansätze, aber möglicherweise gleicher Indikation.

Ein weiterer Aspekt ist, dass der Patient versteht, was die Leistung wertvoll für ihn macht. Gelingt es in der Beratung, die Träume des Patienten anzusprechen und Sehnsüchte zu aktivieren (ohne ein Heilversprechen zu geben), dann verkauft der Behandler dem Patienten nicht ein Implantat, sondern die Erwartung, danach wieder sein Lieblingssteak kauen zu können.

Nicht selten kommt das Argument: „Das kann sich der Patient nicht leisten.“ Mit der Aussage nimmt der Behandler die Entscheidung des Patienten vorweg. Wie kann er wissen, welchen Stellenwert der Patient einer Leistung beimisst. Vielleicht verschiebt der Patient einen Urlaub oder den Kauf eines Möbelstücks, um den Aufpreis der Behandlung zu bezahlen. Wenn in der Praxis aber tatsächlich viele Patienten sind, die die Leistung nicht zahlen können, empfehlen sich einige Entscheidungen:

• Anpassungen der Leistungen der Praxis an die finanziellen Möglichkeiten der Patienten: Arbeit mit kleineren Leistungspaketen, zeitliche Streckung von Leistungen, Suche von Finanzpartnern, um Teilzahlungen anzubieten;
• die „Robin-Hood-Medizin“ – das heißt, mit den privat versicherten Patienten werden im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Selbstzahler mit kleinem Budget querfinanziert;
• Nutzung der Möglichkeiten des Praxismarketings, um mehr Patienten mit höherem Einkommen in die Praxis zu ziehen.

Wichtig ist, dass diese Entscheidung bewusst getroffen wird. Oft zieht sich eine diffuse Unzufriedenheit über eine lange Zeit durch den Praxisalltag. Beständige Unzufriedenheit ist ein Hinweis dafür, dass der Wertausgleich nicht stimmt. Das geht an die Substanz. Der Schlüssel ist, zu erkennen, wo der Patient steht, was seine Sehnsucht hinter der Indikation ist und wie der Behandler darauf reagieren kann.

Fazit

Die Leitwährung einer Praxis ist die Authentizität. „Verkauft“ der Praxisinhaber eine Leistung, die zwar Geld bringt, aber in seinem Wertesystem dem Patienten wenig nützt, spürt das der Patient. Verkauf generiert in einer Praxis immer nur kurzfristige Erträge mit Patienten, die nie wieder kommen. Ein Zahnarzt sollte immer in seiner Rolle als Behandler bleiben und nur die Verfahren und Materialien empfehlen, hinter denen er hundertprozentig stehen kann.

Leistungen verkaufen sich von allein, wenn es der Praxis gelingt, die Bedürfnisse der Patienten zu erkennen und ganz spezifisch darauf einzugehen, zum Patientenversteher, Sehnsuchtsrealisierer, Wunscherfüller zu werden. Entscheidungen werden immer emotional getroffen und nachträglich rational begründet. Es lohnt sich, mit dem Bauch des Patienten zu sprechen und dann Argumente für dessen Verstand zu liefern.

Dr. Anke Schmietainski
Geschäftsführerin der AltaMediNet GmbH, verantwortlich für die Bereiche Medizinmarketing und Coaching
as@altamedinet.de