Patientenkommunikation

Der Umgang mit Dentalphobikern

Ein Besuch beim Zahnarzt zählt wohl für keinen Menschen zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Vielen wird beim Gedanken daran zwar flau im Magen, allerdings überwinden sie ihre Angst, wenn es notwendig ist. Dann gibt es aber auch Personen, denen gelingt genau das nicht. Sie leiden an einer Dentalphobie – auch bekannt als Zahnbehandlungsphobie oder Oralphobie.


Der überwiegende Großteil der Dentalphobiker hat in der Vergangenheit schlechte bis hin zu traumatischen Erfahrungen mit einem Zahnarzt gemacht.


Betroffene haben eine oftmals panische Angst vorm Zahnarzt. Solange es geht, vermeiden sie eine Behandlung, bauen dadurch aber nur zusätzlichen psychischen und physischen Leidensdruck auf. Erst wenn es fast schon zu spät ist, ringen sie sich zu einem Besuch in der Praxis durch. Manche Phobiker schaffen allerdings nicht einmal das. Was können Zahnärzte in so einem Fall machen? Wie können sie mit Menschen umgehen, für die ein Besuch in ihren Praxen mit regelrechten Panikattacken einhergeht?

Informationsangebote im Vorfeld
Bei der Gestaltung von Website und Werbematerialien lassen sich entsprechende Hinweise für Angstpatienten einbauen. Etwa die Information, dass die Betroffenen mit ihrer Phobie nicht allein sind, sondern es vielen anderen ähnlich geht. Ein Verweis auf das Angstpatiententelefon der Deutschen Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie (DGZP) und die Vorstellung bzw. die Verlinkung deren Phobieselbsttests ist eine weitere Möglichkeit. Weiterführende Informationen über die Dentalphobie können ebenfalls nicht schaden (z. B. Wie viele Menschen leiden darunter? Warum entsteht Zahnarztangst? etc.)
Die Teamvorstellung auf der Website bietet die Gelegenheit, dezidiert auf den in der Praxis gelebten Umgang mit Angstpatienten einzugehen.

Das Beratungsgespräch sollte in möglichst neutraler Umgebung geführt werden

Anpassungen in der Praxis
Eine möglichst entspannte und angenehme Stimmung in der Praxis lässt sich etwa mit viel natürlichem Licht und dezenten Düften erreichen. Die Berieselung der Wartenden mit ruhiger Musik lenkt ebenso ab wie das Vorhandensein von umfangreichem Lesematerial. All diese Ansätze können dabei helfen, Angstpatienten auf andere Gedanken zu bringen und ihnen ein wenig von ihrer Anspannung zu nehmen.
Entspanntes Beratungsgespräch
Vor der eigentlichen Behandlung kommt noch das Beratungsgespräch. Ein gegenseitiges Kennenlernen. Der allerwichtigste Tipp in diesem Zusammenhang: Dieses Gespräch sollte – sofern möglich – nicht im Behandlungsraum, sondern in möglichst neutraler Umgebung geführt werden.
Was die Gesprächsführung selbst betrifft, sind folgende Dinge besonders zentral: Der Zahnarzt muss sich ausreichend Zeit für seine Angstpatienten nehmen und Verständnis für die vorgebrachten Bedenken zeigen. Viele Phobiker sind sich der Irrationalität Ihrer Sorgen nämlich durchaus bewusst, vermögen sie aber dennoch nicht zu beeinflussen. Wer sich in seiner empfundenen Hilflosigkeit verstanden fühlt, der verspürt meist auch weniger Angst.
Viele Dentalphobiker stellen während des ersten Gesprächs Fragen. Es ist wichtig, auf diese ausreichend einzugehen. Ebenso elementar ist es, den Ablauf der anstehenden Behandlung zu skizzieren. Wenn Angstpatienten wissen, was auf Sie zukommt, entfällt zumindest einmal das Element der negativen Überraschung. Sie können sich mental auf die kommende Situation vorbereiten. Zahnärzte müssen ehrlich in Ihren Ausführungen sein, auf mögliche Risiken hinweisen, diese aber auch wahrheitsgemäß relativieren.
Ebenfalls wichtig: Eine an das Gegenüber angepasste Wortwahl. Ist im Habitus des Patienten Verwirrung zu bemerken, sollten weniger Fachbegriffe und mehr einfache, bildlich zu erklärende Beispiele verwendet werden.

Während der Behandlung
Die zwei größten Ängste von Dentalphobikern sind jene vor Schmerzen und jene vor Hilflosigkeit. Beide Dinge werden in einer ärztlichen Behandlungssituation real. Das Gefühl des Ausgeliefertseins lässt sich abschwächen, indem der Patient so viel (gefühlte) Kontrolle wie möglich zurückbekommt. Hilfreich ist dabei die Vereinbarung eines Stopp-Signals. Gibt der Patient dieses, wird die Arbeit unterbrochen.
Gezieltes Nachfragen, ob alles in Ordnung sei (Liege-/Sitzposition, Temperatur etc.) gibt dem Dentalphobiker das Gefühl, die aktuelle Situation beeinflussen zu können. Manche Angstauslöser lassen sich gezielt auszuschalten. Löst etwa das Bohrergeräusch besonderes Unbehagen aus, kann der Patient über Kopfhörer seine Lieblingsmusik hören.
Falls der Patient es wünscht, kann während der Behandlung der jeweilige Arbeitsschritt detailliert geschildert bzw. erklärt werden. Manche Angstpatienten verfallen bereits beim Anblick der für sie martialisch anmutenden Zahnarztinstrumente in panikartige Zustände. Deshalb wird empfohlen, die Instrumente nicht vor den Augen des Patienten zum Mund zu führen, sondern immer den Weg von unten über das Kinn zu wählen.
Lachgas und Hypnose sind mittlerweile durchaus gängige und vor allem absolut sichere Methoden, um bei Angstpatienten für Entspannung zu sorgen. Eine Sedierung sollte hingegen nur in absoluten Ausnahmefällen durchgeführt werden.

Wie Zahnärzte profitieren können
Werden im Umgang mit Dentalphobikern diese Tipps für Ärzte beherzigt, profitieren nicht nur die Patienten davon. Auch für Zahnärzte bringt ein behutsames Vorgehen Benefits. Je länger ein Dentalphobiker die notwendige Behandlung aufschiebt, desto gravierender sind die Auswirkungen. Überwinden sich Betroffene in letzter Sekunde dann doch, ist meist nicht weniger als die Komplettsanierung ihres Gebisses notwendig. Ein sehr zeitintensives Projekt, welches den Zahnarzt lange bindet und daran hindert, andere Patienten zu betreuen.
Viele kleinere und kürzere Behandlungen sind also auch aus zahnärztlicher und wirtschaftlicher Sicht deutlich besser als ein langwieriges Mega-Projekt. Wer im Umgang mit Angstpatienten ein gutes Händchen beweist, dessen Reputation steigt entsprechend, was ihm wiederum neue Kunden einbringt.

Fazit
Der Umgang mit Dentalphobikern verlangt viel Einfühlungsvermögen. Ziel muss es sein, das irgendwann in der Vergangenheit verloren gegangene Vertrauen in Zahnärzte wiederherzustellen. Durch gezielte Informationskampagnen, bauliche Anpassungen in der Praxis und ein ausführliches Beratungsgespräch entsteht dafür zunächst eine gute Ausgangslage.
Während der Behandlung selbst ist es wichtig, auf den Patienten einzugehen und ihm das Gefühl zu geben, die Situation ein Stück weit unter Kontrolle zu haben. Am Ende profitiert auch der Zahnarzt selbst von einem guten und geübten Umgang mit Angstpatienten.

Julia Dernbach
Freiberufliche Medizinautorin und Co-Gründerin
des ehrenamtlichen Portals Arztphobie.com.
arztphobie@gmail.com
Foto: privat