Wiedererlangung der Zulassung erschwert
Wird einem (Zahn-)Arzt die Zulassung entzogen, reicht nach neuer Rechtsprechung das sogenannte „Wohlverhalten“ während der Ermittlungen in Zukunft nicht mehr, um die Zulassung wiederzuerlangen. Das Bundessozialgericht begründet seine Entscheidung mit der Verbesserung der rechtlichen Situation der (Zahn-)Ärzte.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat eine wesentliche Änderung im Zusammenhang mit der Wiedererlangung der zuvor entzogenen Zulassung ausgeurteilt. In Abänderung der bisherigen Rechtsprechung soll es nun nicht mehr möglich sein, die einmal entzogene Zulassung allein deswegen zurückzuerlangen, weil man sich während des Gerichtsverfahrens zur Klärung des Zulassungsentzugs „wohlverhalten“ hat. Das BSG entschied mit Urteil vom 17. Oktober 2012 (Az. B 6 KA 49/11 R).
Der Fall: In dem vom BSG zu beurteilenden Fall hatte ein Arzt (Belegarzt für radiologische Diagnostik) seine Zulassung verloren. Der Grund hierfür war, dass er, während er selbst nur zeitweise in der Praxis tätig war, in der übrigen Zeit regelmäßig ohne Genehmigung beschäftigte Ärzte die Untersuchungen vornehmen ließ und wiederholt falsch abgerechnet hatte. Darüber hinaus hatte er unter anderem die Untersuchungen teilweise sogar nichtärztlichem Praxispersonal überlassen. Das nichtärztliche Personal hatte sogar Patienten aufgeklärt, kernspintomographische Untersuchungen durchgeführt und intravenöse Injektionen vorgenommen. Das Gerichtsverfahren sollte nun die Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung klären.
Es folgten jahrelange Ermittlungen (sieben Jahre) in Begleitung des Prozesses und es konnte nicht zuungunsten des Arztes festgestellt werden, dass er sein Verhalten nicht nachhaltig geändert hatte. Wegen dieses „Wohlverhaltens“ war das Landessozialgericht dann der Auffassung, der Zulassungsentzug sei nach der Verhaltensänderung nicht mehr angemessen und verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG, auch wenn die Zulassungsentziehung zum Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung rechtmäßig gewesen sei.
Abweichend von der bisherigen Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht dann anders entschieden.
Voraussetzungen der Zulassungsentziehung
Rechtsgrundlage der Zulassungsentziehung ist § 96 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Danach ist einem Vertragsarzt die Zulassung unter anderem dann zu entziehen, wenn er seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Eine Pflichtverletzung ist gröblich, wenn sie so schwer wiegt, dass ihretwegen die Entziehung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Davon ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie auch des BSG auszugehen, wenn die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung durch das Verhalten des Arztes in erheblichem Maße verletzt wird und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört ist, sodass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertrags(zahn)arzt nicht mehr zugemutet werden kann. So formuliert es auch das BSG in seiner Entscheidung vom 17.10.2012.
Rechtsprechung zum Wohlverhalten
In seinen Entscheidungsgründen nimmt das BSG zunächst Bezug auf die – nun überholte – Rechtsprechung zum Wohlverhalten.
„Nach bisheriger Rechtsprechung des Senats ist – jedenfalls bei einer noch nicht vollzogenen Zulassungsentziehung – zu prüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses durch ein Wohlverhalten des Arztes in einer Weise zu seinen Gunsten geändert hat, dass eine Grundlage für eine erneute Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsarztrechtlichen Institutionen wieder aufgebaut worden ist und damit eine Entziehung nicht mehr als angemessen erscheint. … Zur Begründung hat der Senat (BSGE 93, 269 = SozR 4-2500 § 95 Nr 9, RdNr 15) darauf hingewiesen, dass ein Vertragsarzt, dem die Zulassung entzogen worden sei, in der Regel seine Praxis verliere und vielfach keine Chance habe, eine solche neu aufzubauen, oft auch dann nicht, wenn nach einer Zeit der Bewährung die erneute Zulassung für den bisherigen Ort der Niederlassung erfolge. Der erneuten Zulassung am bisherigen Ort der Praxis stünden zudem oftmals rechtliche Hindernisse wie die Sperrung des Planungsbereichs wegen Überversorgung und/oder die Überschreitung der Altersgrenze des § 25 Satz 1 Zulassungsverordnung für Kassenärzte (Ärzte-ZV) entgegen.“
Gründe für die Kehrtwende
Das BSG begründet seine abgeänderte Rechtsprechung mit der geänderten rechtlichen Situation der (Zahn-)Ärzte. Im Gegensatz zu früher hätten die (Zahn-)Ärzte viel mehr Möglichkeiten, sich beruflich zu orientieren. Das BSG führt aus: „Im vertragszahnärztlichen Bereich sind die für die Wohlverhaltens-Rechtsprechung angeführten Gesichtspunkte jedoch schon seit längerer Zeit ohne Bedeutung, weil der Gesetzgeber dort mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine Steuerung durch zwingende Zulassungsbeschränkungen verzichtet hat …, sodass ein Zahnarzt nach Wiedergewinnung seiner Eignung im Anschluss an eine Zulassungsentziehung sogar im bisherigen Planungsbereich neu zugelassen werden kann. Hier ist somit eine Rechtfertigung für die Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung entfallen.
Aber auch im vertragsärztlichen Bereich haben sich in den letzten Jahren die beruflichen Chancen von Ärzten innerhalb und außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung so deutlich verbessert, dass die Erwägung, eine Zulassungsentziehung stehe zumindest faktisch einer Beendigung der ärztlichen Tätigkeit im Sinne einer wirtschaftlich tragfähigen beruflichen Betätigung gleich, nicht mehr gerechtfertigt ist. Zu nennen ist zum einen der Wegfall aller – einer (Wieder-)Zulassung gegebenenfalls entgegenstehenden – Altersgrenzen für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Die Altersgrenze nach § 25 Satz 1 Ärzte-ZV aF – danach war eine (Erst- und Wieder-)Zulassung ausgeschlossen, wenn ein Arzt das 55. Lebensjahr vollendet hatte – ist durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006 (BGBl I 3439) mit Wirkung zum 1.1.2007 aufgehoben worden; § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V aF, der die Beendigung der Zulassung eines Vertragsarztes mit Vollendung des 68. Lebensjahres vorgab, ist durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG vom 15.12.2008, BGBl I 2426) zum 1.10.2008 aufgehoben worden.
Zum anderen haben sich die Neu- oder Wiederzulassungsmöglichkeiten in Deutschland erheblich gebessert. Für Hausärzte bestehen zahlreiche Zulassungsmöglichkeiten und auch fachärztliche Zulassungsbereiche außerhalb der Ballungsräume, und besonders attraktive Landkreise stehen offen. Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit von Arztanstellungen in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und die Möglichkeit der Übernahme hälftiger Versorgungsaufträge die Aussichten von Ärzten, auch in fortgeschrittenem Lebensalter (neu oder wieder) vertragsärztlich tätig zu werden, auch ohne eine eigene Praxis eröffnen zu müssen, deutlich erweitert.“
Fazit: Die Entscheidung des BSG zeigt, dass sich die vermeintlichen Verbesserungen im Gesundheitswesen durchaus auch zulasten der (Zahn-)Ärzte auswirken können. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Andererseits muss man in Fällen von „Ausreißern“, also Approbierten, die zeitweise das in sie gesetzte Vertrauen nicht verdienen, auch adäquat reagieren können. Letztlich wird es stets eine Einzelfallentscheidung sein, wann eine Zulassung rechtmäßig entzogen wird.
Dr. Susanna Zentai ist Medizinanwältin in der Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker in Köln und als Beraterin sowie rechtliche Interessenvertreterin verschiedener (Zahn-)Ärztlicher Berufsvereinigungen tätig. Sie ist Justiziarin des BDO und der PZVD. Außerdem ist sie Lehrbeauftragte der Hochschule Fresenius (Bereich Medizinrecht).