Keine Leistungen zum Spottpreis
Die gesetzlichen Richtlinien beim zahnärztlichen Werberecht sind schwer greifbar und ständigem Wandel unterzogen. Vor allem im Zusammenhang mit Internetportalen gibt es immer wieder Streitfälle. Gerichtsurteile halten nun fest, dass unpersönliche Angebote mit hohen Rabatten zum Schutze des Berufsbildes für unzulässig zu erklären sind.
Umfrage: Das zahnärztliche Werberecht ist in den letzten Jahren zunehmend gelockert worden. Gut so oder nicht? Ihre Meinung ist gefragt!
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Das zahnärztliche Werberecht ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dabei ist über die Jahre eine zunehmende Liberalisierung im Werberecht für Zahnärzte und Ärzte zu verzeichnen. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Zahnärzte. Regelmäßig wird das Allgemeininteresse, aber auch das Interesse des Zahnarztes an sachlicher und zutreffender Information über Werbeverbote in Berufsordnungen gestellt. Es lassen sich gewisse Argumentationen festhalten, die immer wieder den betreffenden Urteilen zugrunde liegen:
Werbeverbote sind kein reiner Selbstzweck, sie dürfen also nicht das alleinige Ziel haben, eingefahrene Strukturen gegen Änderungen zu schützen. Es geht gerade nicht darum, regulierend in den Wettbewerb zwischen den konkurrierenden Zahnärzten einzugreifen. Vielmehr sind Verbote insoweit nur zulässig, wenn Gemeinwohlbelange konkret gefährdet sind oder die Werbung irreführend oder reklamehaft, beziehungsweise anpreisend ist. Sind diese Grenzen nicht überschritten, hat der Zahnarzt grundsätzlich die Möglichkeit, seine Werbemittel frei zu wählen. Eine neue, bis dato in den entsprechenden Kreisen unübliche Methode, für die eigenen Dienstleistungen zu werben, muss deswegen nicht gleich reklamehaft sein.
Dies wird sehr schnell deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass es 1996 noch Verfahren gab, in denen die Zulässigkeit einer Homepage für zahnärztliche Praxen infrage gestellt wurde. Im Jahre 2002 setzte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage nicht anlassbezogener Werbung auseinander. Bis dahin gingen die Kammern regelmäßig davon aus, dass eine Werbung nur anlässlich der Neueröffnung einer Praxis, deren Verlegung oder beispielsweise bei Jubiläen möglich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass dies keineswegs der Fall ist und ein Zahnarzt vielmehr regelmäßig über seine Leistungsangebote informieren darf, auch ohne dass es einen speziellen Anlass gibt. Galt bis vor Kurzem noch das sog. „Kittelverbot“, ist auch dieses mittlerweile nicht mehr existent.
Neue Methoden nicht per se berufswidrig
Zur Verlosung von Zahnarztleistungen hat sich das Bundesverfassungsgericht in zwei jüngeren Beschlüssen geäußert (BVerfG, Beschl. vom 01.06.2011, 1 BVR 233/10 und 1 BVR 235/10). Das Bundesverfassungsgericht ist der Auffassung, dass allein daraus, dass eine Berufsgruppe ihre Werbung anders als bisher üblich gestaltet, nicht folgt, dass das nunmehr geänderte Vorgehen berufswidrig wäre. Vielmehr hat der einzelne Berufsangehörige es in der Hand, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt, solange er sich in den durch schützenswerte Gemeinwohlbelange gezogenen Grenzen bewegt. Die Methode, eine Verlosung zu nutzen, um Aufmerksamkeit und Interesse zu wecken und hierdurch neue Patienten für eine Zahnarztpraxis zu gewinnen, ist als solche mithin noch nicht berufswidrig. Denn Gemeinwohlbelange, die durch ein solches Vorgehen verletzt werden könnten, sind nicht ersichtlich. Den Beschlüssen lässt sich jedoch entnehmen, dass Gemeinwohlbelange sehr wohl verletzt sein können wenn Behandlungen verlost werden, die mit nicht unerheblichen Risiken für den Patienten verbunden sind.
Lassen sich also in der Rechtsprechung immer liberalere Tendenzen ausmachen, so gibt es dennoch Grenzen. Beispielhaft seien an dieser Stelle zwei Urteile des Landgerichts Köln (Urteile vom 21.06.2012, Az. 31 O 25/12 und 31 O 767/11) sowie ein Urteil des Landgerichts Berlin (Urt. v. 28.06.2012, Az. 52 O 231/11) erwähnt. Gegenstand aller drei Verfahren waren Internetportale, auf denen zahnärztliche Leistungen (Zahnaufhellung/Bleaching in den Verfahren in Köln und PZR, kieferorthopädische Zahnkorrektur, Implantat- und prothetische Versorgungen sowie Kompositfüllungen und Bleaching in dem Verfahren in Berlin) mit extremen Rabatten und zu Festpreisen angeboten wurden.
Beide Gerichte kamen zu der Erkenntnis, dass es sich bei dieser Form der Werbung aus verschiedenen Gründen um berufsrechtswidrige und damit wettbewerbswidrige Werbung handelt, und untersagten den jeweiligen Beklagten diese Praxis.
1. Die Verfahren in Köln
In beiden Verfahren richtete sich die Klage der Zahnärztekammer Nordrhein gegen Zahnärzte, die auf einer Internetplattform mit einem sogenannten „Deal“ für eine Zahnaufhellung warben. Konkret handelte es sich um die Internetportale Groupon bzw. Daily Deal. Die jeweiligen „Deals“ liefen über einen Zeitraum von 24 Stunden auf den Portalen. Geworben wurde mit einer professionellen Zahnreinigung für 19 statt 99 Euro und Bleaching für 159 statt 530 Euro. Das Gericht sah in dieser Werbung einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit § 15 der Berufsordnung der Zahnärzte Nordrhein (BO NO). Konkret ging das Gericht davon aus, dass die Werbung als reklamehaft zu betrachten sei. Indem derart hohe Rabatte gewährt werden, wird der Kunde – der eine Zahnreinigung oder ein Bleaching in der Regel selbst bezahlen muss, weil dies nicht von der Krankenkasse übernommen wird – angelockt, einen „Deal“ abzuschließen.
Er wird dazu gedrängt, den Vertrag abzuschließen, weil die Laufzeit des „Deals“ eng begrenzt ist. Dadurch ist die Werbung in hohem Maße anpreisend. Der Verbraucher wird dazu verführt, allein wegen des extrem günstigen Preises den „Deal“ abzuschließen und sich eventuell nicht ausreichend Gedanken zu machen, ob er die Leistung wirklich in Anspruch nehmen möchte. Das Gericht stellt in seiner weiteren Begründung nicht zuletzt auch darauf ab, dass in der Regel gerade keine ärztlichen Leistungen, sondern Wellness-, Restaurantgutscheine und Ähnliches über die Plattform verkauft werden.
In diesem Fall kam es nach Auffassung des Gerichts nicht darauf an, ob die konkrete Behandlung mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist oder nicht. Die Vorschrift des § 15 BO NO diene nicht vordergründig dazu, bei konkreten Angeboten, die unter Zahnarztvorhalt stehende Leistungen zum Gegenstand haben, Reklame zu verbieten, sondern insgesamt das Berufsbild des Zahnarztes zu schützen. Dies wird aber auch dadurch gefährdet, dass ein Zahnarzt Angebote abgibt, die derart niedrig sind, dass von einem kostendeckenden und gründlichen Arbeiten nicht mehr ausgegangen werden kann, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um solche Leistungen handelt, die zwingend nur von einem Zahnarzt erbracht werden dürfen. Zahnärztliche Leistungen würden kommerzialisiert, was aber nach § 15 Abs. 2 BO NO, der es dem Zahnarzt verbietet, seine Tätigkeit für gewerbliche Zwecke zu verwenden, gerade nicht vertretbar sei.
Darüber hinaus sah das Gericht einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den §§ 5 Abs. 2, 2 Abs. 3 GOZ. Dies vor dem Hintergrund, dass die Leistungen zu einem Festpreis angeboten wurden. Nach Auffassung des Gerichts verstieß der Zahnarzt auch gegen diese Norm, weil er gerade ein allgemeines Angebot für alle Patienten aussprach, ohne dass er überhaupt wusste, wer diese Patienten sind. Die Patienten schließen einen Vertrag mit Groupon oder Daily Deal, ohne dass der Zahnarzt insoweit involviert wäre, und kommen dann in die Praxis, um den erworbenen Gutschein zum bezahlten Preis einzulösen. Darauf, ob es sich bei Zahnreinigung und Bleaching um Leistungen handelt, die nicht im Gebührenverzeichnis erwähnt sind, komme es nicht an. Unabhängig davon findet sich in der neuen GOZ mittlerweile die Position 1040, mit der die PZR aufgenommen wurde.
Soweit Leistungen nicht in der GOZ genannt sind und es sich um Verlangensleistungen handelt, hätten diese auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung (Heil- und Kostenplan) erbracht werden müssen (§ 2 Abs. 3 GOZ). Dies ist vorliegend nicht geschehen, denn der Heil- und Kostenplan muss nach der Gesetzessystematik erstellt werden, bevor der Preis festgesetzt wird. Auch im Übrigen sei nicht von einer abweichenden Vereinbarung auszugehen, die die GOZ durchaus zulässt. In jedem Fall aber hat eine solche Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem schriftlich zu erfolgen und nicht zwischen dem Zahnarzt und einem Internetportal.
Im Ergebnis hielt das Gericht also das Angebot zu Festpreisen (auch bei nicht indizierten und nicht in der GOZ enthaltenen Leistungen) für wettbewerbswidrig und verpflichtete die teilnehmenden Zahnärzte, die Werbung mit entsprechenden Internetauftritten künftig zu unterlassen.
2. Urteil des Landgerichts Berlin
Das Verfahren in Berlin richtete sich unmittelbar gegen die Betreiberin des Internetportals. Angeboten wurden beispielsweise eine PZR für 24,90 Euro statt für 80 Euro, ein Bleaching für 69 statt 169 Euro, mit einem angegebenen Rabatt von 65 Prozent, eine Zahnkorrektur durch Invisaligen in einer kieferorthopädischen Praxis für 1.950 statt 4.500 Euro mit einem angegebenen Rabatt von 57 Prozent sowie eine Implantatbehandlung für 999 statt 2.000 Euro mit einem angegebenen Rabatt von 50 Prozent.
Das Gericht stellte maßgeblich darauf ab, dass die Werbung für zahnärztliche Leistungen in den streitgegenständlichen „Deals“ zu Festpreisen erfolgte und dies ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 2, 4 und 5 GOZ sei.
Gem. § 15 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) sind in der GOZ Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen. Nach § 5 Abs. 1 GOZ bemisst sich die Höhe der Gebühr nach dem 1- bis 3,5-Fachen des in dem Gebührenverzeichnis genannten Gebührensatzes. Gem. § 5 Abs. 2 GOZ sind die Gebühren durch den Zahnarzt innerhalb des Gebührenrahmens unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwands der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Durch diese Regelungen soll ein ruinöser Preiswettbewerb um Patienten im Interesse eines funktionierenden Gesundheitswesens verhindert und gleiche rechtliche Voraussetzungen für die auf dem Markt tätigen Wettbewerber sollen geschaffen werden. Eine schematische Betrachtungsweise, bei der die Höhe des Steigerungssatzes ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände bei der Erbringung der einzelnen Leistungen einheitlich für sämtliche Leistungen festgesetzt wird, ist nach Auffassung des Gerichts nicht zulässig. Werden aber zahnärztliche Leistungen zu Festpreisen angeboten, ist bei der Preisgestaltung lediglich eine schematische Betrachtungsweise vorgenommen worden, ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände. Dabei, so das Gericht, komme es nicht darauf an, ob zu Festpreisen medizinisch notwendige oder darüber hinausgehende Leistungen angeboten worden sind. Denn § 5 Abs. 2 GOZ gilt für alle privatzahnärztlichen Leistungen und nicht nur für die notwendige zahnärztliche Versorgung.
Abweichende Vereinbarungen kaum möglich
Auch über die Möglichkeit, abweichende Vereinbarungen zu treffen (§ 2 GOZ), ist ein solches Angebot nicht gerechtfertigt. Eine Honorarvereinbarung über eine von der GOZ abweichende Gebührenhöhe ist nur insoweit möglich, wie ein anderer Steigerungsfaktor vereinbart werden kann. Eine abweichende Punktzahl hingegen oder ein Festhonorar können nicht vereinbart werden.
Allerdings kommt ein Verstoß gegen die GOZ nur insoweit in Betracht, wie die Leistungen auch tatsächlich nach der GOZ abgerechnet werden. Dies gilt für ein Implantat, eine prothetische Versorgung, eine Zahnkorrektur sowie eine Füllung. Die Abrechnung eines Bleachings hingegen ist nicht in der GOZ enthalten. Insoweit handelt es sich um eine Verlangensleistung, deren Preis zwischen dem Zahnarzt und dem Patienten individuell vereinbart werden kann.
Hinsichtlich der Werbung für ein Bleaching mit einem Rabatt von 65 Prozent sah das Gericht einen Unterlassungsanspruch daher nicht etwa aus der Unterschreitung von Mindestpreisen oder einem Verstoß gegen § 2 GOZ als gegeben an. Vielmehr stellte es in diesem Zusammenhang auf § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 15 BO NO ab, wonach dem Zahnarzt unter anderem reklamehafte Werbung untersagt ist. Mit der Rabattierung von zahnärztlichen Leistungen im Allgemeinen, so das Gericht, sei die Grenze zulässiger Werbung noch nicht überschritten.
Der Umstand, dass es sich bei der Gewährung von Rabatten um eine Werbemethode handelt, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich ist, reicht nicht aus. Das mit einem Rabatt von 65 Prozent angebotene Bleaching ist aber berufswidrig, weil schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit dadurch betroffen sind, dass die angebotene Behandlung mit einem mehr als nur geringfügigen Eingriff in die körperliche Integrität verbunden ist. Auch wenn dem Käufer des streitigen „Deals“, anders als etwa bei einer Verlosung, nicht ein Gewinn in den Schoß fällt, sondern er sich aktiv für den Erwerb eines Gutscheins entscheidet und hierfür auch Geld bezahlt, ist es doch nicht fernliegend, dass durch den erheblichen Rabatt ein Einfluss dahin gehend ausgeübt wird, einen solchen Gutschein zu erwerben und sich der Behandlung zu unterziehen.
Mit dieser Begründung hielt das Gericht die Werbung mit Rabatten von 50 Prozent und mehr für eine Zahnkorrektur, Implantate, eine prothetische Versorgung und/oder eine Zahnfüllung ebenfalls für berufswidrig, wenngleich es darauf nicht mehr ankam. Zweifel hat es hingegen daran, ob die Werbung für eine PZR mit einem Rabatt von 65 Prozent berufsrechtswidrig ist, denn hierbei handelt es sich um eine nützliche und die Zahngesundheit fördernde Leistung, die von möglichst vielen Patienten wahrgenommen werden sollte, weshalb die Gewährung eines Rabatts nicht als berufsrechtswidrig erscheint.
An dieser Stelle unterschied sich die Beurteilung der Rechtslage durch das Gericht von der Begründung des Urteils aus Köln, wenngleich das Gericht auf diesen Aspekt nicht mehr in allen Einzelheiten eingehen und daher auch keine Einzelfallbetrachtung hinsichtlich der Form der Präsentation (unter anderem mit einem Countdown) erfolgen musste.
Im Ergebnis kann danach festgehalten werden, dass das zahnärztliche Werberecht einem ständigen Wandel unterzogen ist, der regelmäßig zu einer liberaleren Betrachtung führt. Dennoch sind gewisse Grenzen einzuhalten, wenn es beispielsweise um wichtige Belange des Gemeinwohls geht oder die Werbung irreführend oder reklamehaft ist. In jedem Fall empfiehlt es sich, in Zweifelsfällen eine vorherige Überprüfung der Maßnahme zu veranlassen.
Ganz allgemein muss sich der Zahnarzt aber nach Auffassung des Verfassers ohnehin immer die Frage stellen, ob er in großem Stil seine beruflichen Leistungen unter Wert verkaufen soll, wie dies in den beiden angesprochenen Urteilen der Fall war. Zwar mag die Rabattierung bspw. PZR zulässig sein und kann bei einer Praxiseröffnung oder zu ähnlichen Anlässen ein probates Werbemittel darstellen. Unabhängig davon muss sich der Zahnarzt aber immer überlegen, welche Patienten er mit Werbemaßnahmen in die Praxis lockt und ob es sich um eine nachhaltige Werbung handelt oder ob er nur „Schnäppchenjäger beim Zahnarzt-Hopping“ unterstützt.
RA Jens-Peter Jahn ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei Dr. Halbe in Köln. Tätigkeitsschwerpunkte: Zahnarztrecht, insbesondere im Zusammenhang mit Praxisgründungen, -abgaben oder -übernahmen sowie der Gründung oder Umstrukturierung von Kooperationen. Kontakt: jens-peter.jahn@medizin-recht.com