Den Belegzahnarzt gibt es nicht
Rein zahnärztliche Leistungen erfordern keine vollstationäre Aufnahme im Krankenhaus. Ein Zahnarzt und auch ein MKG-Chirurg kann deshalb – im Gegensatz zu einem Humanmediziner – keine belegärztlichen Leistungen an einer Klinik erbringen.
Schon im Jahr 2008 hatte das Landessozialgericht (LSG) Bayern festgestellt, dass ein Zahnarzt keine belegärztlichen Leistungen erbringen kann (Aktenzeichen: L 12 KA 5008/06). Gleichwohl werden viele Zahnärzte, gerade kieferorthopädisch tätige, die Situationen kennen, in denen ein Patient, sei es ein Angstpatient oder ein schwer behinderter Patient, nicht ohne Vollnarkose behandelt werden kann. Dabei muss es sich noch nicht einmal um oralchirurgische Leistungen oder Ähnliches handeln. Bei dieser Patientenklientel wird bereits bei originär zahnärztlichen Leistungen im Einzelfall eine Vollnarkose notwendig.
Das Gericht verwies allerdings auf ambulante Operationszentren oder Tageskliniken, in denen Beaufsichtigung und Beobachtung nach Eingriffen unter Vollnarkose möglich sind. Eine stationäre Aufnahme sei demnach nicht erforderlich.
Aber wie rechnet der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg (MKG), der eine Doppelzulassung besitzt, ab, wenn er im Rahmen einer belegärztlichen Tätigkeit auch zahnärztliche Leistungen erbringt? Mit dieser Frage hatte sich das LSG Bayern bereits 2008 befasst, jüngst nun auch das Bundessozialgericht (Aktenzeichen: BSG-12.12.2012-B 6 KA 15/12 R).
Der Fall
Ein MKG-Chirurg ist sowohl zur vertragszahnärztlichen als auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zudem ist er als Belegarzt bei seiner zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung anerkannt und unterhält dementsprechend einen Belegarztvertrag mit jener Klinik, in der er kieferchirurgische belegärztliche Leistungen erbringt. Er führt mehrere Dysgnathieoperationen vollstationär durch und rechnet diese auf der Grundlage der GOÄ mit der zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) ab. Diese lehnt die Honorierung ab und berichtigt die Abrechnung. Das Bundessozialgericht bestätigt im letzten Instanzenzug die Rechtsauffassung der KZV.
Im Ergebnis führt das Bundessozialgericht aus, es fehle schlicht an der gesetzlichen Grundlage. Im Gegensatz zu den Vorschriften für Humanmediziner enthalten die Bundesmantelverträge zur vertragszahnärztlichen Versorgung bewusst keine Regelungen zu belegzahnärztlichen Leistungen.
Die Grundlage der belegärztlichen Versorgung findet sich allerdings in § 121 SGB V. Im SGB V wird in der Regel nur von ärztlichen Leistungen gesprochen. Aus diesem Grund gibt es auch eine Generalverweisung in § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V, die die Anwendung der Vorschriften dieses Kapitels auch für Zahnärzte vorgibt.
Zu Recht hat der MKG-Chirurg insofern argumentiert, dass die Grundvorschrift zur belegärztlichen Tätigkeit ebenfalls für Zahnärzte gelten müsse. Das Gericht sieht dies anders, da die Vorschrift des § 115 Abs. 3 SGB V¹ bei der „erweiterten Schiedsstelle“ nur von Vertragsärzten spreche. § 115 SGB V bestimmt, dass Krankenkassen, Krankenhäuser und Vertragsärzte dreiseitige Verträge zur Förderung des Belegarztwesens zu schließen haben. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird eine erweiterte Schiedsstelle damit beauftragt. Hätte man die Vertragszahnärzte hier ebenfalls erfassen wollen, wäre es rechtlich zwingend erforderlich gewesen zu regeln, wie sich die Vertreter der Zahnärzte in dieser erweiterten Schiedsstelle zahlenmäßig zu denen der Ärzte verhalten.
Hat der MKG-Chirurg die Wahl?
Die Tätigkeit eines MKG-Chirurgen liegt sowohl im humanmedizinischen als auch im zahnmedizinischen Bereich. Insofern erhält er eine doppelte Approbation, die zu einer vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Zulassung führt.
Es gibt daher Leistungen, die sowohl dem vertragsärztlichen als auch dem vertragszahnärztlichen Bereich zugeordnet werden können. Infolgedessen enthalten beide Bewertungsmaßstäbe (ärztlich/zahnärztlich) unter unterschiedlichen Positionen kieferchirurgische Leistungen, die im Wesentlichen den gleichen Inhalt haben.
Dem MGK-Chirurgen steht es also offen, für solche Leistungen entweder eine ärztliche oder eine zahnärztliche Gebühr abzurechnen.
Ist der MKG-Chirurg aber als Belegarzt in einer Klinik tätig und erbringt dort Leistungen, die sowohl dem ärztlichen als auch dem zahnärztlichen Bereich zugerechnet werden können, steht ihm dieses Wahlrecht nicht zu.
Der Grund dafür: Eine belegzahnärztliche Leistung sei nicht abrechenbar (siehe oben), da der MKG-Chirurg die Möglichkeit der Abrechnung über die zuständige Kassenärztliche Vereinigung habe, entstehe auch keine zu schließende Versorgungslücke, argumentiert das Gericht. Auch werde das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht verletzt, da es keinen Anspruch auf ein Wahlrecht bei der Abrechnung gebe, das zur Gewinnoptimierung genutzt werden könne.
Fazit
Das Bundessozialgericht hat nun höchstrichterlich festgestellt, dass es keine belegzahnärztliche Leistung gibt, auch nicht für den MGK-Chirurgen. Dieser kann die besagten Leistungen mit der KV abrechnen. Die einzige Möglichkeit, hiergegen weiter vorzugehen, bestünde darin, vor dem Bundesverfassungsgericht die Verletzung der Berufsfreiheit geltend zu machen, die das BSG bereits negiert hat.
Aus der Pressemitteilung des Bundessozialgerichts zu diesem Urteil:
„Der Kläger ist nicht berechtigt, die Leistungen bei kieferchirurgischen Operationen, die er im Rahmen seiner belegärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus erbringt, gegenüber der beklagten KZV abzurechnen. Vertragsärzte, die – wie der Kläger – als Belegärzte anerkannt sind, rechnen ihre belegärztlichen Leistungen gegenüber der KV ab. Das gilt auch für kieferchirurgische Leistungen, wie sie der Kläger hier erbracht hat. Ein Wahlrecht, diese Leistungen, die in der GOÄ beschrieben sind, auch als zahnärztliche Leistungen abzurechnen, steht dem als Arzt und Zahnarzt zugelassenen Kläger bei stationär erbachten Leistungen nicht zu. Ob die Vergütung, die die KV für die hier betroffenen Korrekturen des Kiefers auf der Grundlage des EBM-Ä zu zahlen hat, niedriger ist als diejenige, die der Kläger erhalten könnte, wenn er die Leistungen gegenüber der KZV abrechnen dürfte, ist insoweit ohne rechtliche Bedeutung.
Das beruht in erster Linie darauf, dass sich die Tätigkeit von Vertragszahnärzten auf die ambulante Versorgung beschränkt. Die Erweiterung der Versorgungsberechtigung auch auf eine stationäre Tätigkeit, wie sie in den Vorschriften über die belegärztliche Tätigkeit (§ 121 SGB V) eröffnet wird, ist auf den ärztlichen Bereich beschränkt. Die Vorschriften über die belegärztliche Tätigkeit gelten nicht für Zahnärzte; es kann deshalb keine belegzahnärztliche Tätigkeit im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung geben. Deshalb finden sich konsequenterweise in den Bundesmantelverträgen zur zahnärztlichen Versorgung auch – anders als im ärztlichen Bereich – keine Vorschriften über die belegzahnärztliche Tätigkeit.“
Angelika Habermehl ist Rechtsanwältin mit der Zusatzqualifikation Pharmarecht und hat sich in der Kanzlei für Medizinrecht Prof. Schlegel – Hohmann Partner, auf Medizinrecht und Vertragszahnarztrecht spezialisiert. Weitere Schwerpunkte liegen bei Zulassungs- und Ermächtigungsverfahren und im Berufsrecht.