Arbeitsrecht: Corona als Arbeitgeber begegnen
Der neuartige Coronavirus stellt uns alle vor Herausforderungen; wirtschaftlicher, persönlicher, aber auch rechtlicher Art. Dieser Beitrag dient dazu, Ihnen als Arbeitgeber einen grundsätzlichen Überblick zu Fragestellungen zu geben, die sich im Arbeitsalltag im Verhältnis zu Ihren Mitarbeitern ergeben. Im aktuellen Tagesgeschehen sind die Entwicklungen im Arbeitsrecht sehr dynamisch, so dass der vorliegende Beitrag den aktuellen Stand zum Zeitpunkt der Erstellung abbildet, weitere Veränderungen aber zu erwarten sind.
Wie Sie nach Gesichtspunkten aus dem Arbeitsrecht Corona als Praxisinhaber richtig begegnen und welche Rechte und Pflichten Sie und Ihre Mitarbeiter in diesem Zusammenhang haben, lesen Sie hier.
Treffen mich als Arbeitgeber besondere Pflichten meinen Mitarbeitern gegenüber?
Beyer: Grundsätzlich trifft Sie als Arbeitgeber – unabhängig von der vorliegenden Pandemie – eine Fürsorgepflicht Ihren Mitarbeitern gegenüber. Hierzu gehört es u. a. auch, die Ansteckungsmöglichkeiten zum Schutze Ihrer Mitarbeiter zu begrenzen, Ihre Mitarbeiter entsprechend zu informieren und anzuhalten, die notwendigen Hygieneanweisungen zu befolgen und deren Einhaltung zu bewachen. Dazu gehört es u. a. auch, den Mitarbeitern ausreichend Mundschutz, Handschuhe und Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen. Eine Gefährdung der Gesundheit der eigenen Mitarbeiter ist zwingend zu vermeiden!
Sofern Sie als Arbeitgeber gegen die Ihnen obliegenden Pflichten zum Schutz der Gesundheit Ihrer Arbeitnehmer verstoßen, kann daraus ein Recht des Arbeitnehmers erwachsen, der Arbeit fern zu bleiben. Dennoch blieben Sie in der Regel weiterhin zur Zahlung der Vergütung verpflichtet.
Meine Arbeitnehmer möchten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu Hause bleiben. Dürfen sie das?
Beyer: Grundsätzlich nein. Die Angst eines Arbeitnehmers vor Ansteckung mit COVID-19 gibt ihm grundsätzlich kein Recht, der Arbeit eigenmächtig fern zu bleiben. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die eine Ansteckung am Arbeitsplatz mehr als wahrscheinlich machen, oder aber die zuständige Gesundheitsbehörde ordnet in dem konkreten Einzelfall etwas Gegenteiliges an.
Sollten Ihnen gegenüber als Praxisinhaber und Arbeitgeber konkrete behördliche Maßnahmen ergehen und lassen Sie diese unberücksichtigt oder kommen Sie Ihren Fürsorgeverpflichtungen nicht nach (vgl. § 618, Ziff. 1, BGB), kann sich daraus hingegen ein Recht des Arbeitnehmers ergeben, der Arbeit fernzubleiben.
Darf ich meine Mitarbeiter auch ggf. gegen ihren Willen nach Hause schicken, Urlaub und/oder Überstundenausgleich anordnen?
Beyer: Grundsätzlich nein; Sie als Arbeitgeber trifft grundsätzlich eine sog. Beschäftigungspflicht. Schicken Sie Arbeitnehmer unbegründet nach Hause, bleiben Sie dennoch zur Entgeltzahlung verpflichtet; es ist grundsätzlich unzulässig, Zwangsurlaub zu verhängen. Dies gilt auch für das zwangsweise Abfeiern von Überstunden. Grundsätzlich raten wir, sich in den Dialog mit Ihren Mitarbeitern zu setzen. Es ist jederzeit möglich, dass Sie sich mit Ihren Mitarbeitern über Urlaub und Überstundenabbau verständigen.
Ist unbezahlter Urlaub bzw. unbezahlte Freistellung die Lösung?
Beyer: Unbezahlter Urlaub bzw. unbezahlte Freistellung ist grundsätzlich ein Mittel, dem Virus arbeitsrechtlich zu begegnen. Allerdings setzt dies eine entsprechende Vereinbarung zwischen Ihnen als Arbeitgeber und Ihrem Mitarbeiter voraus. Eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers ist nicht zulässig.
Kann der Arbeitnehmer seinen Urlaub „zurückgeben“?
Beyer: Viele Mitarbeiter/innen haben bereits Urlaub beantragt und möchten diesen aufgrund der derzeit bestehenden Reisebeschränkungen und ggf. auch mit Blick auf den Wegfall des Freizeitangebotes bzw. des verminderten Freizeit- und Erholungswertes „zurückgeben“ und lieber zu einem Zeitpunkt nehmen, wenn sie u. a. auch wieder verreisen können. Hier stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer Urlaub einseitig zurückgeben kann. Grundsätzlich ist diese Frage mit „nein“ zu beantworten. Nach bereits erfolgter Genehmigung ist nur eine einvernehmliche Änderung möglich. Eine einseitige Rückgängigmachung durch den Arbeitnehmer ist nicht möglich.
Hat mein Mitarbeiter Anspruch auf Urlaub, wenn seine Arbeitsverpflichtung aufgrund von Kurzarbeit verringert wurde?
Beyer: Sofern die Arbeitsverpflichtung aufgrund von Kurzarbeit verringert ist, erwirbt der Arbeitnehmer gleichwohl Urlaubsansprüche; allerdings kann sich der konkrete Urlaubsanspruch entsprechend verringern, wenn an manchen Tagen in der Woche nicht gearbeitet wird. Urlaub ist grundsätzlich tagesbezogen, nicht stundenbezogen zu gewähren. Im Ergebnis ist die Kurzarbeit dann so zu behandeln wie eine dauerhafte (tageweise) Verringerung der Arbeitsverpflichtung, wie sie viele von dem Wechsel einer Vollzeittätigkeit zu einer Teilzeittätigkeit bereits kennen.
Die Expertin
Katrin-C. Beyer, LL.M.
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht bei Rechtsanwälte Prof. Dr. Halbe, Rothfuß & Partner mbB