Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen

Streitfall: Nr. 6190

Das „Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen“ soll Rechtssicherheit bei der neuen Gebührenordnung für Zahnärzte schaffen. Sorgen die aktuellen Beschlüsse auch bei den Berechnungsbestimmungen zur Nr. 6190 für mehr Klarheit? Ein Blick in den Paragrafendschungel hilft beim Umgang mit dieser gebührenrechtlichen Streitfrage.



Seit 2013 gibt es ein besonderes Treffen, das sich mit den (Un-)Tiefen der zahnärztlichen Gebührenordnung beschäftigt: das „Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen“. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV-Dachverband) und die Vertretung der Beihilfe von Bund und Ländern haben die Einrichtung dieses Forums vereinbart, um im partnerschaftlichen Miteinander daran zu arbeiten, Rechtsunsicherheit nach der Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zu mindern.

Beratungsformum für Gebührenordnungsfragen

Das selbstformulierte Ziel dieses Gremiums ist, grundsätzliche Auslegungsfragen der GOZ, Fragen der privatzahnärzt¬lichen Qualitätssicherung sowie Fragen des Inhalts und der Abgrenzung privatzahnärztlicher Leistungen zu diskutieren und möglichst in einvernehmlicher Form zu beantworten. Eine besondere Bedeutung soll dabei der Verbesserung der mitunter angespannten Beziehung zwischen Patient und Zahnarzt einerseits und Sachbearbeitern von Versicherungen und Kostenerstattern andererseits zukommen.

Nun ist dieses Gremium wieder zusammengetreten und hat neu gefasste Beschlüsse veröffentlichen lassen. Einer dieser Beschlüsse verlangt schon in der Überschrift die volle Aufmerksamkeit: die „abschnittsübergreifende Berechnung“. Unter dieser Überschrift findet sich in Punkt 18 folgender Beschluss: „Die Auflistung einer Gebührennummer in einem bestimmten Abschnitt der GOZ hat nicht zur Folge, dass die dieser Gebührennummer zuzuordnende Leistung nur in Zusammenhang mit einem Leistungsgeschehen berechnungsfähig wäre, das fachlich diesem Gebührenordnungsabschnitt zuzuordnen ist.“

Welche Leistung erzeugt da spontan „Bilder im Kopf“ – vielleicht die Leistung nach Nr. 6190 GOZ? Formuliert als „beratendes und belehrendes Gespräch mit Anweisungen zur Beseitigung von schädlichen Gewohnheiten und Dysfunktionen“ ist es einer der „Dauerbrenner“ im Erstattungsgeschehen, zutreffender hier im „Mindererstattungswesen“.

Die Berechnung der Nummer 6190 GOZ

Und der prüfende zahnärztliche Blick muss gar nicht lange in diversen Leistungsabrechnungen privater Krankenversicherer suchen: So heißt es beispielsweise unter Abschnitt 7.1 der Beihilferichtlinien für Nordrhein-Westfalen zur „Dysfunktions-/Habitberatung“ (Stand 2013) strikt: „Die Berechnung der Nummer 6190 GOZ kommt grundsätzlich nur bei einer kieferorthopädischen Behandlung in Betracht. Für notwendige Beratungen und Gespräche im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung stehen dem Zahnarzt gem. § 6 Abs. 1 GOZ die entsprechenden Gebühren nach der GOÄ zur Verfügung (siehe abweisend Teil C. Nr. 1).“

Besondere Aufmerksamkeit für diese Beihilfebestimmung

Diese Beihilfebestimmung erlangt nicht erst durch den jüngsten Beschluss des Beratungsforums für Gebührenfragen besondere Aufmerksamkeit: Der Versuch, statt Erstattung durch die Beihilfe die „Berechnung“ durch den Zahnarzt zu regeln, ist so unzulässig wie unverändert bei Nichterstattern populär. Die Beihilfe ließ sich bis dato wenig in ihrem Bestreben, keinesfalls zu erstatten, beeindrucken. Man nehme die mit der Novellierung der GOZ im Jahre 2012 vollzogene Änderung des von ihr angegebenen (falschen) GOZ-Bezugs (§ 6 Abs. 1 GOZ) zum Anlass: Unbestritten ist, dass allgemeine und auch spezielle Beratungsleistungen nach der GOÄ (Ä1, Ä3, Ä4, Ä34) durch den Zahnarzt berechnet werden können. Diese sind ihm zugänglich gemäß § 6 Abs. 2 GOZ, nicht wie in der Beihilfebestimmung geschrieben nach § 6 Abs. 1 GOZ – dieser Paragraf war vor 2012 zutreffend und regelt nunmehr die Möglichkeiten der Analogberechnung für die Zahnärzteschaft.

Erschwerend für die vertretene Beihilfehaltung kommt die konträre „Amtliche Begründung“ von Bundesregierung/BMG zur GOZ-Novelle hinzu. Denn dort heißt es: „Die Leistung nach der Nummer 6190 kann in bestimmten Fällen auch außerhalb einer kieferorthopädischen Behandlung indiziert sein und wäre in diesen Fällen auch berechnungsfähig.“

Kommentar der Bundeszahnärztekammer

So hat sich denn auch die Bundeszahnärztekammer in ihrem Kommentar, wohl den „Amtlichen Begründungen“ folgend, geäußert: „Das beratende und belehrende Gespräch bezieht sich auf festgestellte schädliche Gewohnheiten und Dysfunktionen sowie Anleitungen zu deren Beseitigung. Es kann sich auf kieferorthopädische Fragestellungen, aber auch auf andere zahnmedizinische Gebiete beziehen.“

Widersprüchliche Bestimmungen

Mehr oder weniger unstrittig ist die Regelung des Verordnungsgebers, dass die Nr. 6190 grundsätzlich nicht bei einer systematischen kieferorthopädischen Behandlung des Gebisses in Betracht kommt. Denn sie ist per Berechnungsbestimmung ausdrücklich neben den Kernleistungen nach den Nr. 6030–6080 GOZ ausgeschlossen (formuliert in der letzten Berechnungsbestimmung nach Nr. 6080). Umgekehrt bedeutet diese Berechnungsbestimmung, dass neben lokalen orthodontischen Einzelmaßnahmen Dysfunktionsberatung/-anweisungen durchaus berechnungsfähig sind. Nicht zu umgehen ist die zahnmedizinisch widersinnige Berechnungsbestimmung, dass „die Leistung nach Nr. 6190 neben der Leistung nach der Nr. 0010 in derselben Sitzung nicht berechnungsfähig“ ist.

Spezielle Beratungsleistung

Ebenso eindeutig ist aber auch, dass die Leistung nach Nr. 6190 GOZ eine spezielle zahnärztliche Beratungsleistung darstellt und keineswegs eine meist in der Vorphase bereits erfolgte allgemeine Beratung: Es wird in dem beratenden und belehrenden Gespräch konkret eine Unterweisung gegeben zur Erkennung, Vermeidung und zum Abstellen schädigender, destruktiver Angewohnheiten (Habits) und/oder von wiederkehrenden Fehlfunktionshandlungen aus einem bestimmten Anlass oder auch zu abträglichen gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen. Das Spektrum der angesprochenen schädlichen Gewohnheiten und Dysfunktionen ist breit gefächert. Die Palette reicht vom Aufzeigen destruierender Zahnpflegegewohnheiten über den gefährdenden Umgang mit Zahnersatz bis hin zur Aufklärung postoperativer Verhaltensweisen im Mund- und Kieferbereich, die Heilung behindern, wie die Empfehlung zur Reduzierung – oder noch besser zur Unterlassung – des abträglichen Rauchens.

Diese Berechnungsbestimmungen zur Nr. 6190 GOZ mögen durchaus widersprüchlich und möglicherweise zahnmedizinisch auch unerklärlich erscheinen, dennoch hat der eingangs zitierte Beschluss des Beratungsforums für Gebührenfragen für hoffentlich etwas mehr Klarheit und Wahrheit in dieser gebührenrechtlichen Streitfrage zum Umgang mit der Nr. 6190 GOZ gesorgt.

Scholl Steffi

Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der ZA Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft AG in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung. sscholl@zaag.de