Abrechnung/GOZ

Scharfe Kanten – feine Unterschiede

Das Beseitigen scharfer Zahnkanten oder störender Prothesenränder mag eine alltägliche Leistung sein, ihre Abrechnung birgt jedoch Tücken, vor allem wenn die Praxismanagementsoftware die feinen Unterschiede zwischen BEMA und GOZ übersieht.


Foto: Meinardus/Schmitz


Die Leistung klingt so banal, dass sie nicht nur oft vergessen, sondern schlicht auch häufig nicht mehr als eigenständige Gebührenziffer mit Regeln und Einschränkungen wahrgenommen wird: Die GOZ-Nummer 4030, in BEMA-Kreisen hinlänglich bekannt als „sk“. Doch woran liegt es, dass Versicherer auch nach der Novellierung der GOZ diese Gebühr unvermindert oft beanstanden? Eine Ursache mag primär gar nicht in der gebührenrechtlichen, sondern vielmehr technischen Natur zu vermuten sein: Eine ähnliche Leistung findet sich auch im Gebührenkatalog für gesetzlich Versicherte, dem BEMA, unter Ziffer 106 oder eben der Kurzbezeichnung „sk“.

Die Leistungsbeschreibung „Beseitigen scharfer Zahnkanten oder störender Prothesenränder oder Ähnliches“ im BEMA sowie die GOZ-Leistungsbeschreibung „Beseitigung von scharfen Zahnkanten, störenden Prothesenrändern und Fremdreizen am Parodontium“ sind auf den ersten Blick ziemlich ähnlich formuliert. Augenscheinliche Unterschiede sind zunächst: Die Häufigkeit der Berechnungsfähigkeit und die Ortsangabe. Während der BEMA die Leistung in der Berechnungsfähigkeit schlicht auf einmal je Sitzung begrenzt, reglementiert die GOZ die Berechnungshäufigkeit „je Kieferhälfte/ Frontzahnbereich“. Das wiederum hat zur Folge, dass bei der Abrechnung der BEMA-Ziffer 106 eine Ortsangabe obsolet, bei der GOZ-Ziffer 4030 diese jedoch zwingend erforderlich ist. Und just diese Unterscheidung ist natürlich auch der Praxisverwaltungssoftware (PVS) zu vermitteln. Dass die Unterlassung einer solch schlichten EDV-technischen Steuerung der Gebührenkataloge in der Praxissoftware bei Weitem keine Seltenheit darstellt, zeigen die Erstattungsprobleme bei dieser Nr. 4030, die sich häufig einzig und allein auf die fehlende Regions- beziehungsweise Zahnangabe gründen.

Doch selbst wenn die Praxissoftware sorgfältig innerhalb der einzelnen Gebührenkataloge eingerichtet und gewartet wurde, ist damit das Problem innerhalb der GOZ nicht vom Tisch. Gerade beim Entfernen störender Prothesenränder ist eine Zahnangabe nicht ohne Weiteres möglich. Störende Prothesenränder können zu lange oder auch zu breite Ränder sein, die das Weichgewebe verletzen und sich oft über Areale ausdehnen können, die mit Zahnangaben nur schwer zu erfassen sind, man denke nur an den Gaumenbereich einer totalen Oberkieferprothese. Es könnte sich aber auch um Prothesenränder handeln, die abstehen und bei Zungen-, Lippen- oder anderen Weichteilbewegungen die Schleimhaut reizen und deshalb gekürzt und abgerundet werden müssen, etwa im Mundboden oder am Zungenbändchen. So ist eine nähere Erläuterung auf der Rechnung unerlässlich, soll die Fälligkeit der erbrachten Gebührenziffer nicht gefährdet sein: Die Angabe der betroffenen Behandlungsregion auf der Rechnung ist im neuen verbindlichen Rechnungsformular durch entsprechende Novellierung des § 10 Abs. 1 GOZ vorgeschrieben.

Im Gegensatz zur BEMA-Ziffer 106 ist generell die detailliertere Leistungsbeschreibung mit der Differenzierung der GOZ- Ziffer 4030 nach verschiedenen Störfaktoren zu beachten:

  • Beseitigung von scharfen Zahnkanten
  • Beseitigung von Fremdreizen am Parodontium
  • Beseitigung von störenden Prothesenrändern

Dabei werden zahnbezogene und prothesenbezogene Störfaktoren unterschieden. Bei den zahnbezogenen Störfaktoren ist das Entfernen „scharfer Zahnkanten“ begrifflich gesehen eindeutig, während unter „Fremdreizen am Parodontium“ solche zu verstehen sind, die durch über- beziehungsweise abstehende oder kantige Inlay-, Veneer- oder Kronenränder, gegebenenfalls auch Brückenglieder verursacht werden können. Deren Beseitigung beziehungsweise Glättung wird also nach Ziffer 4030 GOZ berechnet. Wichtig dabei ist jedoch, eine Unterscheidung dieser genannten Fremdreize zu rauen, kantigen oder überstehenden Restaurationsrändern von aushärtendem plastischem Füllungsmaterial zu treffen. Diese können nämlich in Form einer eigenständigen Leistung entweder finiert und/oder poliert werden. Dann ist der Ansatz der Ziffer 4030 nicht zutreffend, denn der Verordnungsgeber hat mit der Novellierung der GOZ für diese Tätigkeit eine spezielle, neue Leistung aufgenommen: Die Ziffer 2130 GOZ, die auch an vorhandenen, der „Rekonturierung“ bedürftigen Altrestaurationen berechnungsfähig ist. (Die spezielle Gebührenregelung hat orts- und zeitgleich Vorrang vor der allgemeinen.)

Auch bedenkenswert: Obwohl Zahnstein- und Konkrementauflagerungen auf Zahn- und Wurzeloberflächen ebenfalls als Fremdreize am Parodontium wirken können, wird deren Entfernung als spezielle eigenständige, gegebenenfalls wiederholte Leistung mit anderen GOZ-Ziffern abgerechnet, zum Beispiel nach Ziffer 1040 (PZR) oder den Ziffern 4050–4075 (Belagentfernung/geschlossene Parodontalbehandlung), jeweils pro Zahn.

Auch wenn der Verordnungsgeber bei den Prothesen hinsichtlich der Berechnungsfähigkeit keine weiteren Differenzierungen formuliert hat, sollte doch auch hier die jeweils erbrachte Tätigkeit angegeben werden: So wäre beispielsweise ein scharfkantiges Patrizenteil an einer Geschiebe-Prothesenkonstruktion bestimmt kein störender Prothesenrand, aber doch ein störendes Prothesenteil. Erweist sich eine Politur und Abrundung der betreffenden scharfen Kante im Übergang zum Prothesenkunststoff als ausreichend, kann der Ansatz der Gebührenziffer 4030 GOZ als zutreffend angesehen werden. Sind jedoch weitergehende Maßnahmen erforderlich wie zum Beispiel ein neuerliches Aktivieren des Geschiebes, so handelt es sich eindeutig um die Wiederherstellung der Funktion eines Verbindungselements, berechnungsfähig nach Ziffer 5090 GOZ (mit Abrundung/Politur inklusive gemäß § 4 Abs. 2 GOZ).

Der Begriff „Prothese“ ist in diesem Kontext weiter gefasst und betrifft beispielsweise auch Aufbissbehelfe, die in Form umgearbeiteter Prothesen getragen werden. Ausdrücklich nicht gemeint sind aber andere Geräte, Hilfsmittel und Behelfe, zum Beispiel aus dem Bereich der Kieferorthopädie oder Schienentherapie. Hierfür hat der Verordnungsgeber wiederum eigene Gebührenziffern für eigenständige Leistungen vorgesehen (zum Beispiel Nummer 6210 GOZ oder 2702 GOÄ).

Ob sich die Kommentierung der Bundeszahnärztekammer hinsichtlich verschiedener Maßnahmen im gleichen Gebiet durchsetzen wird, ist zweifelhaft. Sie kommentiert: „Die Leistung umfasst mehrere Maßnahmen und unterscheidet zwei Hauptkategorien: Maßnahmen an natürlichen Zähnen oder Maßnahmen an festsitzenden und abnehmbaren Geräten. Werden mehrere Leistungen aus einer der Kategorien innerhalb einer Kieferhälfte/Frontzahngebiet erbracht, ist die Nummer nur einmal je Sitzung berechenbar. Sofern Leistungen aus beiden Kategorien innerhalb eines Gebietes erbracht werden, ist die Nummer auch zweimal je Sitzung berechnungsfähig. Bei Leistungen einer Kategorie in mehreren Gebieten des Mundes sind sie also maximal viermal je Sitzung berechnungsfähig, bei Leistungen mehrerer Kategorien in allen Quadranten des Mundes also maximal achtmal je Sitzung.“ Andere Sichtweise: Der Wortlaut der Leistungsbeschreibung der Nummer 4030 GOZ ist nicht alternativ bezüglich der Bestandteile, sondern potenziell kumulativ angelegt. Das besagt, es handelt sich in einer Kieferhälfte oder in einem Frontzahnbereich um eine einheitliche Leistung je Sitzung, die je nach Notwendigkeit mehr oder weniger umfangreich ausfällt (Faktoranpassung an den Leistungsumfang).

Steffi Scholl ist Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen, QM-Praxismanagerin, AZP und arbeitete zehn Jahre lang freiberuflich als Abrechnungsspezialistin. Seit 2011 ist sie bei der Zahnärztlichen Abrechnungsgenossenschaft eG (ZA) in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung tätig.

Dr. Peter Esser ist GOZ-Berater der ZA – Zahnärztliche Abrechnungsgenossenschaft eG. Er war acht Jahre lang Vizepräsiden der Zahnärztekammer Nordrhein und ist Autor diverser Fachbücher zu GOZ-Themen. Aktuelle Kursangebote von Dr. Peter Esser sind unter www.za-eg.de, Rubrik „Seminare“, veröffentlicht.