Abrechnung/GOZ

Lösungen für GOZ-Auslegungsfragen

Es kommt Bewegung in die Abrechnungsdebatte. Das Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen hat insgesamt 15 neue Beschlüsse zur Auslegung von GOZ-Positionen veröffentlicht. Ist damit das Ende aller Abrechnungsproblematiken eingeläutet oder bleibt es beim sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein?


Böll


Bereits 2013 hatten sich die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Verbund der Privaten Krankenversicherung und die Beihilfestellen von Bund und Ländern zu einem Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen zusammengefunden. Das Ziel: Gemeinsam grundsätzliche Auslegungsfragen der novellierten GOZ zu diskutieren und möglichst einvernehmlich zu beantworten.

Bis Juni hatte sich das Beratungsforum insgesamt auf 15 Beschlüsse geeinigt, die von den Vorständen und Gremien der beteiligten Institutionen bestätigt wurden. Diese Beschlüsse sollen ausdrücklich nur auf die im Wortlaut beschriebenen Sachverhalte anwendbar und nicht auf andere Sachverhalte übertragbar sein.

Positive Reaktionen

Das Beratungsforum möchte mit seiner Arbeit langfristig eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Patient, Zahnarzt und Versicherungsmitarbeiter in der täg‧lichen Praxis erreichen, wie Dr. Wolfgang Menke, Vorsitzender des Ausschusses für Gebührenrecht der BZÄK, erklärte. „Gerade auch der Patient profitiert davon, wenn bisher strittige Auslegungen beseitigt und etwa bestimmte analoge Berechnungen oder Abweichungen von GOZ-Bestimmungen, die ihm auch vielleicht bisher schon berechnet wurden, zur Erstattung von der PKV anerkannt werden.“ Die Reaktionen, die Menke bisher von den Zahnärzten an der Basis und aus den Landeszahnärztekammern zu den Beschlüssen erhielt, waren im Wesent‧lichen sehr positiv.

Keine Garantie

Das Beratungsforum ist allerdings ein Gremium, das keine Normsetzungsfunktion hat. Eine Garantie für die Befolgung der Beschlüsse des Beratungsforums, die offiziell Empfehlungen darstellen, durch die privaten Krankenversicherungsunternehmen oder die Beihilfe gibt es zwangsläufig nicht. Das bestätigt auch Medizinrechtlerin Dr. Susanna Zentai aus Köln: „Ich sehe keine rechtliche Gültigkeit. Aber die Beschlüsse besitzen eine gewisse Schlagkraft, da sich Beteiligte ganz verschiedener Ausrichtungen zusammengeschlossen haben, und das ist aus meiner Sicht vom Grundsatz her unbedingt zu begrüßen.“ Ähnlich sieht es Menke, der auf die hohe prägende Wirkung der Beschlüsse setzt.

Es könnte also auch weiterhin passieren, dass Gerichtsentscheidungen komplett konträr zu den GOZ-Beschlüssen des Beratungsforums erfolgen. Diese Urteile sind auch per se nicht falsch. „Das Gericht muss immer in erster Linie den Einzelfall beurteilen und wird im Zweifel für diesen auf den Sachverständigen hören“, erklärt Zentai.

Deshalb rät die Medizinrechtlerin dazu, sich an das zu halten, was am besten zu dem konkreten Patientenfall passe und dokumentiert und erklärbar sei. „Gerade bei besonderen Behandlungsfällen und spezialisierten Praxen kann eine Abweichung von der im Zweifel gemeinten Norm gegeben sein.“

Sabine Schmidt ist Abrechnungsexpertin und leitet bei der DZR GmbH das GOZ-Referat. Sie hat sich für das DENTAL MAGAZIN die 15 Beschlüsse des GOZ-Beratungsforums etwas genauer angesehen – vor allem mit Blick auf die praktische Umsetzbarkeit. (Die ausführliche Kommentierung von Sabine Schmidt findet man unter http://tinyurl.com/dm/goz)

Schmidt sind direkt einige Punkte aufgefallen. Bereits beim ersten Beschluss, der Berechnungsfähigkeit des Operationsmikroskops, äußere sich das Beratungsforum nicht zu dem Thema „selbständige Leistung mit dem Mikroskop“ (etwa die zeitintensive Diagnostik eines Zahns vor Durchführung einer Endo-Behandlung). „Die Frage ob da, wie häufig praktiziert, eine Analogie möglich ist, bleibt weiterhin offen.“

Keine Vorschläge

Bei den Beschlüssen zum Thema Wurzelkanalbehandlung verzichtet die BZÄK bewusst auf die Nennung bestimmter Ziffern zur Analogberechnung. Der PKV-Verband hingegen macht direkt Vorschläge für eine Analogziffer. Dagegen sollte sich die Praxis jedoch laut Schmidt wehren, da die angegebenen Ziffern dem Aufwand in den wenigsten Fällen gerecht werden. „Die Auswahl der jeweiligen Analogziffer obliegt allein dem behandelnden Zahnarzt.“

Bedauerlich sei auch, dass das Gremium über die analoge Berechnungsfähigkeit der Entfernung von definitivem Wurzelfüllmaterial (beispielsweise im Rahmen einer Revision) keinen Konsens erzielen konnte. Die BZÄK vertritt dazu eindeutig die Auffassung, dass diese Maßnahme analog berechnungsfähig ist.

Gemischt auch die Reaktion auf den Beschluss zu den Materialkosten. Das Positive an diesem Beschluss ist laut der Abrechnungsexpertin, dass von allen Parteien endlich bestätigt wird, dass bei kostenintensiven Materialien die Unzumutbarkeitsgrenze im Sinne der genannten BGH-Entscheidung anzuwenden ist. Diese Berechnungsmöglichkeit wurde bislang konsequent von den privaten Krankenversicherungen abgelehnt. „Weniger positiv ist, dass nur drei drei bestimmte Materialien im Zusammenhang mit bestimmten GOZ-Leistungen konsensfähig waren. Unseres Erachtens existiert in der Zahnmedizin eine Vielzahl von Materialien, die das Honorar zum Großteil oder vollständig verzehren. Es bleibt abzuwarten, ob die Materialliste seitens des Beratungsforums noch erweitert wird.“

Novelle wird überprüft

Prinzipiell, rät Schmidt, sollte jede Zahnarztpraxis nochmals die Materialkosten dem zahnärztlichen Honorar gegenüberstellen und analysieren, ob die Unzumutbarkeitsgrenze im Sinne der BGH-Entscheidung erreicht ist. „Sollte dies der Fall sein, kann lediglich die zusätzliche Berechnung der Materialkosten einen wirtschaftlichen Verlust verhindern.“

Klar ist, die bisherigen 15 Beschlüsse sind nicht das Ende vom Lied. Laut Menke sind zurzeit weitere zwei bis drei Sitzungen des Beratungsforums pro Jahr geplant. „Weitere Beschluss‧entwürfe sind außerdem in Arbeit, aber bisher ist noch nichts konsentiert. Es gibt auch viele Beratungspunkte, zu denen keine Einigkeit erzielt wurde.“

Die Beschlüsse sind zudem nicht das alleinige GOZ-Thema, mit dem sich der Ausschuss für Gebührenrecht aktuell beschäftigt. Bis Mitte 2015 müssen nach § 12 GOZ die Folgen der GOZ-Novelle für das Honorar der Zahnärzte überprüft werden. Zwar hat die BZÄK noch nicht alle Zahlen zusammen und diese sind noch nicht mengenbereinigt. Grundsätzlich muss zudem unterschieden werden zwischen Zuwachsraten, die sich direkt auf die Novellierung beziehen, und indirekten Auswirkungen, die durch die Erweiterung des Leistungskatalogs oder sogar durch Morbiditätsveränderungen bedingt sind. „Insgesamt muss nach dann seit 2012 weiteren drei Jahren von einer Steigerung im hohen einstelligen Bereich ausgegangen werden. Für davon abweichende, stärkere Veränderungen in einzelnen Leistungsbereichen gibt es in der Regel plausible, morbiditätsbezogene Gründe, die wir jetzt noch vertiefend analysieren“, erklärt Menke.

Punktwertanhebung erforderlich

Die jetzige GOZ 2012 ist für den Experten der BZÄK allerdings nur eine Not-GOZ, die die wichtigsten Notwendigkeiten berücksichtigt hat. Gerade mit Blick auf die Steigerungen im Dienstleistungsindex seit 1988 sei schon angesichts der erheblichen Kostensteigerungen in den Praxen und der notwendigen Teilhabe der Zahnärzte an der allgemeinen Einkommensentwicklung sowie der Entwicklung im Bereich der anderen ärztlichen Leistungserbringer im Gesundheitswesen eine deutliche Punktwertanhebung erforderlich. „Zukünftig muss unter Nichtbeachtung von – dem privatzahnärztlichen Bereich grundsätzlich systemfremden – Budgetüberlegungen eine neue GOZ mit wissenschaft‧licher Neubeschreibung und einer gerechten Neurelationierung der Leistungen gestaltet werden. Grundlage dafür könnte die von der Zahnärzteschaft entwickelte Honorarordnung für Zahnärzte (HOZ) sein.“

Bis es so weit ist, bietet die BZÄK auf ihrer Homepage Unterstützung für die Abrechnung durch einen ständig aktualisierten Kommentar zu den Paragrafen und allen einzelnen Gebührenpositionen. Zu erweiterten Fragestellungen gibt es zudem mehr als 20 Positionspapiere mit weitergehenden Erläuterungen zu Abrechnungsfragen und Leistungskomplexen. Laut Menke ist bereits eine Datenbank zu den in Zusammenhang mit der GOZ 2012 ergangenen Urteilen in Arbeit.

Alle 15 veröffentlichten GOZ-Beschlüsse des Beratungsforums inklusive einer Kommentierung und Bewertung durch Abrechnungsexpertin Sabine Schmidt findet man online unter http://tinyurl.com/dm-gozbeschluss.

Urteil zur Abrechnung der Trepanation

In einem nur sehr knapp begründeten Urteil vom 04.04.2014 (AZ: 2 S 78/14) hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschieden, dass die Trepanation eines Zahns nach der GOZ Nr. 2390 keine selbständig abrechenbare Leistung ist, wenn unmittelbar danach weitere endodontische Leistungen erbracht werden.

Nachdem das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart zunächst noch entschieden hatte, dass die zahnärztliche Leistung nach der GOZ Nr. 2390, Trepanation eines Zahns, als selbständige Leistung auch neben anderen endodontischen Behandlungsmaßnahmen, wie etwa der Aufbereitung des Wurzelkanals nach GOZ Nr. 2410 oder der Füllung eines Wurzelkanals nach GOZ Nr. 2440, gesondert abrechenbar sei (unter Hinweis auf den Kommentar der Bundeszahnärztekammer), ist der VGH dem nicht gefolgt und hat das Urteil aufgehoben.

Nach Auffassung des VGH Stuttgart widerspräche diese Auffassung der Absicht des Normengebers. In der Begründung des Entwurfs einer Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte (Referentenentwurf, Stand 24.03.2011, S. 27) heiße es zur Leistung nach GOZ Nr. 2390, dass diese allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung angezeigt sein könne und nicht etwa als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den GOZ Nrn. 2410 und 2440 berechnungsfähig sei.

Diese Absicht des Normengebers habe durch den ausdrück‧lichen Zusatz „als selbständige Leistung“, der in der „Vorversion“ der GOZ (GOZ a.F. Nr.: 239) noch nicht enthalten war, auch hinreichend deutlich ihren Niederschlag im Wortlaut der Vorschrift gefunden. Dies verbiete es, die Trepanation auch dann als selbständig erbrachte Leistung anzusehen, wenn unmittelbar danach weitere endodontische Leistungen erbracht werden.

Eine gesonderte Abrechnung der Trepanation würde in einem solchen Fall sowohl dem Wortlaut der Regelung, wonach eine Abrechenbarkeit ausdrücklich eine selbständige Leistung erfordere, als auch der Absicht des Normengebers widersprechen, nach der die Trepanation gerade nicht als Zugangsleistung anderer endodontischer Leistungen abrechenbar sein solle.

Der VGH Stuttgart übersieht in dieser Entscheidung, dass die Begründung des Gesetzgebers zu einem vorherigen Referentenentwurf ergangen ist. Der später in die GOZ aufgenommene Wortlaut trägt die Begründung des VGH gerade nicht. In der besonderen Begründung des Normgebers wird offenkundig die selbständige mit der alleinigen Leistung verwechselt. Eine selbständige Leistung ist eigenständig medizinisch/zahnmedizinisch indiziert. Dies setzt voraus, dass die Leistung nicht notwendiger Einzelschritt der späteren Leistung ist, wobei ein abstrakt-genereller Maßstab anzulegen ist (vgl. BGH, Urt. v. 05.06.2008, III ZR 239/07 zur GOÄ). Bei einer Wurzelkanalbehandlung kann die Trepanation eines Zahns aber gerade aus dem Grund entbehrlich sein, weil der Zugang zum Pulpenkavum bereits ausreichend offen liegt. Die Trepanation ist daher nicht etwa ein medizinisch notwendiger Einzelschritt jeder Wurzelkanalaufbereitung nach GOZ Nr. 2410.

Im Einzelnen ist hier auf den GOZ-Praxiskommentar von Dr. Peter H. G. Esser und die spezielle Kommentierung der GOZ Nr. 2390 zu verweisen.

Da der VGH Stuttgart bisher jedoch das höchste deutsche Gericht ist, das sich mit dieser Fragestellung befasst hat, ist zu befürchten, dass diese Auffassung Schule macht und auch von anderen Gerichten übernommen wird. Der Auffassung des VGH Stuttgart sollte daher unter Hinweis auf die Kommentierung der Bundeszahnärztekammer und von Dr. Esser entgegengetreten werden.

RA Jens-Peter Jahn

ist Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE in Köln mit einem Tätigkeitsschwerpunkt im Zahnarztrecht.
Kontakt: jens-peter.jahn@medizin-recht.com