Abrechnung/GOZ

Knochenimplantation nach 9090 GOZ

Die Abrechnung einer Knochenimplantation, wie sie bei einer Versorgung mit Zahnimplantaten nötig werden kann, wird schon allein durch die schwer verständliche und verschachtelte Leistungsbeschreibung der GOZ-Nummer 9090 erschwert.


Foto: Meinardus


Die Leistungsbeschreibung „Knochengewinnung (z. B. Knochenkollektor, Knochenschaber), Knochenaufbereitung und -implantation, auch zur Weichteilunterfütterung“ nach Nummer 9090 GOZ ist ein Beispiel für eine verschachtelte und schwer verständliche Komplexleistung.

Zum Verständnis hilft die Abschnittsüberschrift „K. Implantologische Leistung“ weiter, die besagt, dass diese Leistung im Wesentlichen bei einer Versorgung mit Zahnimplantaten anfallen sollte. Aber das ist nicht zwangsläufig so; selbstverständlich kann diese Leistung zum Beispiel auch im Gefolge anderer knochenchirurgischer Eingriffe auftreten. Der Kerninhalt der Leistung ist nicht „Knochengewinnung (z. B. Knochenkollektor, Knochenschaber), …“. Die genannten Knochenkollektor und Knochenschaber sind lediglich Hilfsinstrumente. Der Text müsste in Wirklichkeit lauten „Knochengewinnung (z. B. mithilfe eines Knochenkollektors und/oder Knochenschabers), …“. Die Knochengewinnung kann aber auch mit einer Knochenfräse oder mit einer „Knochenzange“ (Luer) et cetera erfolgen.

Kerninhalt der Leistung: Implantation

Wäre die Gewinnung von Schabe-/Auffangknochen der wesentliche Leistungsinhalt der Nr. 9090 GOZ, dann ergäbe sich die Frage: Knochengewinnung wozu? Da folgt im Leistungstext die Fortführung „Knochenaufbereitung“. Es wäre aber zahnmedizinisch nicht sinnvoll, Knochen lediglich zwecks Aufbereitung zu gewinnen.

Der eigentliche Kerninhalt der Leistung ist die „-implantation“ und wenn man den Bezugsstrich ergänzt wird daraus „Knochenimplantation“:

Kerninhalt der eigenständigen Leistung nach Nr. 9090 GOZ ist die im Wesentlichen autologe Knochenimplantation, gegebenenfalls nach Aufbereitung des im Operationsbereich gewonnenen Materials (Sortieren, Zerkleinern, gegebenenfalls Vermischen mit Antibiotika, Versetzen mit Knochenwachstum fördernden Substanzen und Ähnliches).

Der Auffang- oder Schabeknochen muss zwangsläufig vom Patienten selbst stammen, also liegt eine „autologe Knochenimplantation“ vor. Der Knochen muss darüber hinaus aus der Implantationsumgebung stammen, denn die Entnahme von Knochenmaterial außerhalb des Operationsgebiets als Knochenteile, -granulat, -spänchen, -bohrstaub oder Ähnliches wird mit der einfachen Ansetzung der Nr. 9140 GOZ berechnet. Die vollständige Kernleistung ist also die „autologe Implantation von Umgebungsknochen“.

Implantationsorte

Bestimmte Implantationsorte sind gemäß Leistungsbeschreibung nicht festgelegt beziehungsweise nur im Ausschlussverfahren definiert, außer dass nach 9090 GOZ gegebenenfalls auch wegen einer Weichteilunterfütterung Knochenmaterial implantiert werden kann, dieses aber nicht augmentativ (höher, breiter), sondern Knochenhöhlen, -lakunen beziehungsweise -defekte unterhalb der Schleimhaut füllend eingebracht wird: Diese Weichteilunterfütterung dickt nicht von außen den Alveolarfortsatz auf, ansonsten wäre 9100 (Alveolar-Augmentation) zutreffend.

Implantationsorte für Knochenimplantationen nach 9090 GOZ sind aber auch nicht parodontale Defekte (auch nicht am vorhandenen Implantat nach Periimplantitis) oder zahn- beziehungsweise implantatbezogene chirurgische Defekte (nicht die Zahnalveole, auch keine leere Implantatkavität, kein Explantationsdefekt): Parodontal-alveoläre Defekte werden gemäß Nr. 4110 GOZ je Zahn, Parodont, Implantat (je Alveole, Kavität) gefüllt.

Die Knochenimplantation nach 9090 GOZ soll gemäß den „besonderen Begründungen“ des BMG insbesondere „im Zusammenhang mit einer Implantateinbringung“ erfolgen, also bei Inkongruenz der Implantatkavität mit dem Implantat (zum Beispiel bei Sofortimplantation) oder bei unzureichendem, defektem beziehungsweise resorbiertem örtlichem Knochenangebot (para- oder periimplantär).

Knochendefekte bei der Implantatinsertion werden je Implantat und Implantatregion mittels Knochenimplantation nach 9090 GOZ aufgefüllt; dabei stellt die Knochenimplantation mit unmittelbarer Schleimhautbedeckung (gegebenenfalls mit 4138 Membran darunter) gleichzeitig eine Weichteilunterfütterung dar und ist noch nicht als Knochenaugmentation (Knochenerhöhung, -verbreiterung) anzusehen.

Die Leistung nach Nr. 9090 GOZ ersetzt in der zahnärztlichen Implantologie im Wesentlichen die alte Ziffer Ä2254 „Implantation von Knochen“, die Zahnärzten gemäß § 6 Abs. 2 GOZ nur noch zur Kieferbruchbehandlung zur Verfügung steht. Der Hauptunterschied ist jetzt eine Minderbewertung in Höhe von circa 45 Prozent gegenüber der Ä2254.

Alloplastische Weichteilunterfütterung

Schon vor der Novellierung hatte die private Krankenversicherung (PKV) Wert auf die Feststellung gelegt, dass die Ä2254 eine Knochenimplantation darstellte, und wenn tatsächlich Knochen zur Implantation verwendet wurde, ob autolog, heterolog oder xenogen, dann auch die Ä2254 anzusetzen war. Nur wenn tatsächlich alloplastisches (künstliches) Knochenersatzmaterial verwendet wurde, wurde der Ansatz der Nr. Ä2442 „alloplastische Weichteilunterfütterung“ zugestanden.

Wenn zur Weichteilunterfütterung gar kein „autologer Auffang-/Schabeknochen aus der OP-Umgebung“ benutzt wird, sondern alloplastisches Material, dann ist weiterhin die Ä2442 zutreffend.

Wenn das alloplastische Material mit autologem Schabe- oder Auffangknochen versetzt wird, ist lediglich einmal die selbstständige Ä2442 zutreffend, aber nur wenn nicht orts- und zeitgleich eine anderweitige Knochenimplantation berechnet wird (zum Beispiel keine 9090 GOZ).

Wenn Eigenknochen zusätzlich andernorts entnommen (Nr. 9140) und dann dem alloplastischen Material beigemischt wird, ist auch die Ä2442 zutreffend und bleibt selbstständige Leistung, denn die Nr. 9140 ist keine Implantations-, sondern eine Entnahmeleistung andernorts (keine Leistungsüberschneidung).

Wie ist vorzugehen, wenn bei einer Neuimplantation (9010) tatsächlich autologer Knochen zur Weichteil- und Alveolenauffütterung implantiert wird, aber kein Auffang- oder Schabeknochen zur Verfügung steht, sondern Knochen nach 9140 andernorts entnommen werden muss? Dann ist dennoch die Nr. 9090 „autologe Knochenimplantation zur Defekt- und Weichteilfüllung“ zutreffend, allerdings mit mindernder Berücksichtigung der fehlenden „Schabe-/Auffangleistung“.

Dr. Peter Esser ist GOZ-Berater der ZA – Zahnärztliche Abrechnungsgenossenschaft eG. Er war acht Jahre lang Vizepräsiden der Zahnärztekammer Nordrhein und ist Autor diverser Fachbücher zu GOZ-Themen. Aktuelle Kursangebote von Dr. Peter Esser sind unter www.za-eg.de, Rubrik „Seminare“, veröffentlicht.