GOZ: Selbstständige zahnärztliche Maßnahme
Regelmäßig tauchen Nichterstattungsbescheide von privaten Versicherern und Kostenerstattern auf, die auf einer „selbstständigen“ zahnärztlichen Maßnahme gründen. Die „selbstständige“ Leistung in der GOZ – hinterfragt am Beispiel der Exzision von Schleimhaut (Nr. 3070 GOZ).
Die „selbstständige“ zahnärztliche Maßnahme, eine unendliche Geschichte, wie es scheint, tauchen doch in schöner Regelmäßigkeit immer wieder Nichterstattungsbescheide privater Versicherer und Kostenerstatter auf, die auf just dieser „Selbstständigkeit“ gründen. Vor der Novellierung der GOZ in 2012 haben sogar Gerichte in einigen abweisenden Urteilen die „selbstständige“ Leistung mit „alleiniger“ oder „einziger“ Leistung verwechselt. Seinerzeit hatte am deutlichsten das LG Duisburg (24.6.1994, Az. 4 S 473/92) diese Verwechslung korrigiert: Die selbstständige chirurgische Leistung nach Ziffer 3070 darf diesem Urteil zufolge orts- und zeitgleich zum Beispiel neben völlig artverschiedenen konservierenden und/oder prothetischen Leistungen berechnet werden.
Amtliche Begründung
Wie verhält es sich nunmehr in der überarbeiteten, novellierten Gebührenordnung? Heißt „selbstständige“ Leistung nun doch zwangsläufig auch alleinige Leistung?
Die Antwort geben recht eindeutig die Amtlichen Begründungen von Bundesregierung und Bundesrat beispielsweise bei der Leistung nach Nr. 3070 GOZ: „Die Leistung nach der Nummer 3070 ist – wie bereits bisher – nur als selbstständige Leistung berechnungsfähig. Dieser Zusatz in der Leistungsbeschreibung betont nochmals das in § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ festgelegte Prinzip der Zielleistung. Es soll damit ausgeschlossen werden, dass diese Leistung als notwendiger Leistungsbestandteil einer anderen, umfassenderen Leistung zusätzlich berechnet wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es sich um Zugangsleistungen oder der eigentlichen Hauptleistung vorangehende oder nachgeschaltete Begleitverrichtungen handelt, die immer oder mit einer erkennbaren Regelmäßigkeit mit der Hauptleistung verknüpft sind. Mit dem Zusatz ‚als selbstständige Leistung‘ ist jedoch nicht gemeint, dass diese Leistung nur als einzige oder alleinige Leistung berechnet werden kann.“
Gerade der letzte Satz ist bemerkenswert, weil daraus eindeutig geschlussfolgert werden kann, dass eine selbstständige Exzision nicht zu verwechseln ist mit einer alleinigen chirurgischen Leistung.
Was bedeutet das nun konkret für die Leistung nach Nr. 3070 GOZ? Wenn eine Schleimhaut- beziehungsweise eine Granulationsexzision erfolgt und „nicht bereits Leistungsinhalt einer anderen Leistung“ ist, dann ist sie eine selbstständige Leistung und als solche berechnungsfähig. Im Bereich der nichtchirurgischen Maßnahmen bedeutet dies, dass neben jeder inhaltlich nicht überschneidenden Leistung, wie zum Beispiel einer Versiegelung, Füllung, Wurzelbehandlung oder prothetischen Leistung, die Nr. 3070 GOZ in Ansatz gebracht werden kann.
Genau prüfen
Im Bereich der Chirurgie sieht das naturgemäß anders aus. Da gilt es, die jeweils durchgeführte chirurgische Maßnahme genau zu prüfen, in Relation zur notwendigen Schleimhautexzision nach Nr. 3070 GOZ. Zur inhaltlichen Verdeutlichung: Eine Exzision ist ein subtraktives Vorgehen, zum Beispiel Schneiden, Abtragen, Entfernen beziehungsweise Ausschneiden von Gewebe, in aller Regel an Weichteilen, hier konkret von Mundhöhlenschleimhaut oder von submukös basiertem Granulationsgewebe.
Folglich kann eindeutig nur eine nicht leistungsüberschneidende chirurgische Leistung, die keine subtraktive Schleimhautbehandlung zum Inhalt hat, ortsgleich neben der Leistung gemäß 3070 GOZ zutreffend berechnet werden. Das könnte zum Beispiel die Nr. 3060 GOZ (Blutstillung durch Umschlingen/Bolzung) sein.
Offensichtlich nicht berechnungsfähig hingegen ist die Nr. 3070 ausdehnungsgleich beziehungsweise ausdehnungsüberlappend neben zumindest teilweise leistungsgleichen Maßnahmen wie zum Beispiel Gingivektomie, Probeexzi‧sion, Geschwulst- beziehungsweise Tumorentfernung etc.
Auch nicht berechnungsfähig ist die Nr. 3070 GOZ neben schleimhautchirurgischen Leistungen wie beispielsweise den Leistungen nach Nr. 3090 und 3100 GOZ (Kieferhöhlen-/Wundverschlussplastik) oder auch den Leistungen nach Nr. 3240 oder 3250 GOZ (Vestibulum-/Tuberplastik).
Fazit: Mehrfach ansatzfähig
Die Leistung nach Nr. 3070 GOZ ist ansatzfähig je selbstständige Exzision von Schleimhaut oder Granulationsgewebe, dies je Exzisionsgebiet einmal, je weiteres ortsgetrenntes, nicht überlappendes Gebiet auch mehrfach. Dabei gilt es zu beachten: Die Leistung ist nicht je Zahn, Papille oder Parodontium ansetzbar, sondern je selbständiges, dass heißt zusammenhängendes OP-Gebiet. Dies kann natürlich auch einmal die Ausdehnung einer Zahnbreite haben.
Im Wiederholungsfall in einer Folgesitzung ist weder eine Frequenzbeschränkung noch ein Mindestabstand vom Verordnungsgeber formuliert worden. Kommt dabei ein Laser zur Anwendung, ist ein entsprechender Zuschlag vorgesehen (Nr. 0120 GOZ). Und: Ausdrücklich nicht als alleinige Leistung, sondern als selbstständige, eigenständig indizierte und in keiner weiteren berechneten Leistung enthaltene Behandlungsmaßnahme kommt die Exzision von Schleimhaut oder Granulationsgewebe korrekt zum Ansatz.
Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der Zahnärzt‧lichen Abrechnungsgenossenschaft eG (ZA) in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung.
Kontakt: sscholl@zaag.de