GOZ: Berechnung von Kiefermodellen
„Die Leistung nach Nr. 6010 GOZ ist nur bei kieferorthopädischen Leistungen beziehungsweise im Verlauf einer solchen Therapie berechnungsfähig …“ So oder so ähnlich lauten unvermindert häufig die Erstattungsbescheide privater Krankenversicherer und Beihilfestellen – laut Leistungsbeschreibung ist die Sachlage allerdings nicht so eindeutig.
Begründet wird eine solche Behauptung nämlich damit, dass sich dies aus dem Kontext der Leistung ergebe, der Überschrift, dem Inhalt der Leistungsbeschreibung oder anderen Gründen. Diese und ähnliche Beschränkungen sind im Wortlaut der Leistungsbeschreibung der Nr. 6010 GOZ allerdings gar nicht enthalten. Die Leistungsbeschreibung lautet: „Anwendung von Methoden zur Analyse von Kiefermodellen (dreidimensionale, grafische oder metrische Analysen, Diagramme), je Leistung nach Nummer 0060.“
Zunächst einmal gilt es zu klären, was sich genau hinter diesem Leistungstext verbirgt. Die Formulierung „Anwendung von Methoden“ zur Modellanalyse ist eine sehr allgemeine Leistungsdarstellung und sichtbar nicht auf eine kieferorthopädische Anwendung beschränkt. Allerdings werden spezielle Auswertungsmethoden mit der Anwendung verknüpft, die so angelegt sein können, dass auch die Anwendung mehrerer Methoden in einer Diagnostiksitzung am selben Modellpaar vom formulierten Leistungsinhalt erfasst wird.
Es werden also Kiefermodelle analysiert, genauer gesagt bissfixierte Modelle des Ober- und Unterkiefers. Das bedeutet, Grundvoraussetzung zur Erbringung der Leistung nach Nr. 6010 ist eine andere, nämlich das Anfertigen und Auswerten von Diagnostik- und Planungsmodellen nach Nr. 0060 GOZ mit Bezug auf den Leistungsinhalt dieser Nummer und der Anforderung „beide Kiefer … und einfache Bissfixierung“. Herauszustellen ist hier bereits, dass Nr. 0060 für Modelldiagnostik/-planung in allen Teilgebieten der Zahnmedizin zutreffend ist. Zumindest eine Bissfixierung (zum Beispiel in einem Mittelwertartikulator) ist also wegen des Bezugs auf die Nr. 0060 eine weitere Grundvoraussetzung zur Erbringung der Leistung nach Nr. 6010 GOZ.
Natürlich sollte eine darüber hinausgehende Registrierung der zentrischen, gelenkgerechten Bisslage erfolgen. Zur Abgrenzung des Leistungsinhalts der Nr. 0060 von Nr. 6010 GOZ ist Folgendes anzumerken: Die Ziffer 0060 GOZ umfasst neben der Vergütung des eigentlichen Abformungsvorgangs die „Auswertung zur Diagnose oder Planung“. Darunter zu verstehen ist eine visuelle Auswertung der Modelle in Bezug auf Aspekte einer besonderen Zahnstellung, vorhandener Zahnlücken, spezieller Zahnformen oder Verzahnungssituationen etc. Erst auf der Basis dieser Grunddiagnostik ist dann eine spezielle messende und vergleichende Modellanalyse im Sinne der Ziffer 6010 GOZ möglich.
Drei Arten der speziellen Modellanalyse
Die eigentliche Analyse im Sinne der Ziffer 6010 stellt also einen Vorgang dar, der über die globale Betrachtung hinaus konkret messende und vergleichende Daten erhebt sowie deren Dokumentation und Auswertung umfasst. Möglicherweise ohne Abstufung der Rangfolge finden sich in der formulierten Leistungsbeschreibung der Ziffer 6010 GOZ drei Arten der speziellen Modellanalyse, nämlich „dreidimensionale, grafische oder metrische Analysen, Diagramme“.
Die Reihung lässt aber auch die plausiblere Sichtweise zu, dass eine dreidimensionale (3D) Analyse dabei als Kerninhalt vom Verordnungsgeber eingestuft wurde und diese gegebenenfalls differenziert werden kann, entweder durch metrische Analysen oder durch zweidimensionale zeichnerische. Die Zahlen solcher Analysen können zum Beispiel in Form von Diagrammen (Vergleichsauswertungen) dokumentiert werden.
Kämen ausschließlich dreidimensionale Methoden zur kieferorthopädischen Analyse eines Kiefer-Modellpaars zur Anwendung und würde die Analyse dokumentiert und mit diagnostischen Konsequenzen verknüpft, wäre der Leistungsinhalt der Nr. 6010 GOZ damit auf jeden Fall erbracht und somit einmal berechnungsfähig. Zur Erfüllung der Analyseanforderungen werden dreidimensionale Auswertungen gegebenenfalls verknüpft mit zweidimensionalen, zum Beispiel bei Ermittlung der Lücken- oder Zahnbogenbreite. Erfolgt allein grafische (zeichnerische), gegebenenfalls Diagrammvergleichsanalyse und/oder direkte metrische Analyse, dann ist ebenfalls der Leistungsinhalt der Nr. 6010 erfüllt. Im Umkehrschluss ist zur Erbringung des Grundleistungsinhalts nach Nr. 0060 (Modelldiagnostik/-planung) keine 3D-Analyse, auch keine graphisch-metrische, erforderlich, um den Inhalt der Leistung zu erfüllen.
Fazit: Kommen grafische oder metrische Analysen zu einer dreidimensionalen sitzungsgleich dazu, handelt es sich immer noch um ein und dieselbe, vervollständigte „Anwendung von Methoden zur Analyse“, aber gebührentechnisch abgesichert tatsächlich um die Leistung nach Nr. 6010 GOZ. Dennoch ist eine Nebeneinanderberechnung von 2 × 0060 GOZ und verknüpft damit 2 × 6010 GOZ (Modellanalyse) denkbar und auch berechnungsfähig. Auf der Rechnung zu begründen ist ein solches Vorgehen zwar nicht, jedoch ist eine genaue Dokumentation unbedingt anzuraten, weshalb im konkreten Fall eine zusätzliche Modellauswertung nach Nr. 0050 GOZ gerade nicht ausreichend war. Welche Situation könnte zu einem solchen Vorgehen veranlassen?
Beispielsweise bei einer dreidimensionalen Analyse mittels Modellsegmentbildung oder bei vorgenommenen Einzelzahnaussägungen ist das erste Modellpaar für weitere Analysen im Ergebnis unstrittig nicht weiter verwendbar. Dann kann mit einem zweiten Modellpaar für die weitere Modellanalyse erneut die Nr. 6010 GOZ bei Anwendung anderer Methoden zur weiterführenden Analyse angesetzt werden. Wichtig: Die zweimalige Berechnung der Nr. 6010 GOZ in einer Diagnostiksitzung setzt die Anwendung verschiedener Analysemethoden an zwei Modellpaaren nach Nr. 0060 GOZ voraus.
Weitere Analyse bei Änderungen möglich
Bei einer relevanten Änderung der klinischen Situation oder bei Überprüfung und/oder einer eventuell nötigen Neudefinition des Behandlungsziels mit einhergehender Umstellung der Behandlung ist eine weitere Analyse von Kiefermodellen immer möglich und wieder nach 6010 GOZ berechnungsfähig.
Kommt man nochmals auf die eingangs gestellte Frage zurück, ob diese Leistung ausschließlich auf den Bereich der Kieferorthopädie begrenzt sei, so lohnt sich der beispielhafte Blick in die Implantologie: Bei der Leistung nach Ziffer 9000 GOZ (Implantatanalyse/-planung) ist die metrische Auswertung von Modellen mit dem Leistungsinhalt zwar abgegolten, das heißt, dort kann die Ziffer 6010 GOZ in Form einer lediglich „metrische Modellauswertung“ etc. für Implantationsmodelle nicht berechnet werden.
Berechnungsfähig ist die Leistung nach 6010 GOZ aber für jede notwendige dreidimensionale Analyse zum Beispiel auch mittels Modellen zur prothetischen Versorgung (0060 plus 6010). In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass eine Beschränkung von Leistungen auf das Teilgebiet der Zahnmedizin, unter dem sie in der GOZ aufgeführt werden, nicht vorgesehen und vom Verordnungsgeber nur dann gewollt ist, wenn dies ausdrücklich in der Leistungsbeschreibung zum Ausdruck kommt (z. B. bei Nr. 6000).
In jedem Fall müssen die Ergebnisse der Analyse nach Nr. 6010 ausgewertet und schriftlich in den Behandlungsunterlagen dokumentiert werden.
Steffi Scholl ist Betriebswirtin für Management im Gesundheitswesen, QM-Praxismanagerin, AZP und arbeitete zehn Jahre lang freiberuflich als Abrechnungsspezialistin. Seit 2011 ist sie bei der Zahnärztlichen Abrechnungsgenossenschaft eG (ZA) in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung tätig.
Kontakt: sscholl@zaag.de