GOZ/Abrechnung: Abformung mit individuellem Löffel
Dass die Beihilfe stets bemüht ist, beihilferechtliche Ansprüche bei zahnmedizinischen Behandlungen einzuschränken, ist keine neue oder überraschende Erkenntnis. Im Praxisalltag hilfreich ist dieses Wissen allerdings auf den ersten Blick auch nicht. Oder gibt es doch Ideen und Strategien, um die zumeist zeitraubenden und oft auch ärgerlichen Diskussionen mit beihilfeberechtigten Patienten in der Zahnarztpraxis auf ein Minimum zu reduzieren?
Greift man den „Rat“ des englischen Philosophen Francis Bacon (1561 bis 1621) mit seinem in Deutschland geflügelten Satz „WISSEN IST MACHT“ auf, ist ein wesentlicher Schritt bereits getan. Beispiel: Die Abformung mit dem individuellen Löffel nach der GOZ-Nr. 5170: Durch den Runderlass des Finanzministeriums NRW vom 16.11.2012 (B 3100 – 3.1.6.2.A – IV A 4), der zahlreiche Hinweise zum zahnärztlichen Gebührenrecht enthält, wurde die Beihilfefähigkeit von erbrachten und abgerechneten zahnärztlichen Leistungen erheblich eingeschränkt, beispielsweise auch bei dieser Leistung.
So heißt es dort unter Punkt 22: „Die Berechnung einer Gebühr nach Nummer 5170 GOZ kann regelmäßig nur im Zusammenhang mit prothetischen Leistungen (Abschnitt F des Gebührenverzeichnisses) in Betracht kommen, wenn die in der Leistungsbeschreibung genannten qualifizierten Voraussetzungen vorliegen. Die Abformungen im Zusammenhang mit der Versorgung der Zähne mit Einlagefüllungen und Einzelkronen sind mit den Leistungen nach den Nummern 2150 bis 2170 und 2000 bis 2220 GOZ abgegolten (2. Abrechnungsbestimmung nach Nummer 2220 GOZ).“
Vorweg eine Grundsatzbemerkung: Beihilfebestimmungen regeln in keinem Fall die Berechnungsfähigkeit von GOZ-Leistungen!
Äußert sich die Beihilfe dennoch zur „Berechnung“ von zahnärztlichen Leistungen, überschreitet sie ihre Zuständigkeit und ihre Kompetenz. Wenn die Beihilfe sich wie bei der Nr. 5170 zur Berechnung äußert, will sie in Wirklichkeit über die Berechnungsfähigkeit hinausgehend Erstattung einschränken und sich dafür eine Begründung schaffen.
Zahnersatz nicht ausschlaggebend
Zunächst ist festzustellen, dass in der Tat die GOZ zu den Nrn. 2200 ff. eine Bestimmung enthält, wonach mit diesen Leistungen nicht nur Präparation und Relationsbestimmung, sondern unter anderem auch die Abformungen abgegolten sind. Diese Bestimmung ist allerdings so zu interpretieren, dass mit den Gebühren für Einzelkronen oder Einlagefüllungen die normalerweise zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlichen Maßnahmen – unter anderem eben auch die übliche anatomische Abformung mit einem konfektionierten Löffel – abgegolten sind.
Leistungsinhalt der Nr. 5170 ist jedoch die Abformung mit einem zahntechnisch hergestellten („laborgefertigten“) Löffel, der notwendigerweise individuell an die Mundverhältnisse des einzelnen Patienten angepasst ist. Es kommt bei der Berechnung der Nr. 5170 weder aus gebührenrechtlicher noch aus zahnmedizinischer Sicht darauf an, ob und mit welcher Art von Zahnersatz der Patient versorgt wird. Vielmehr ist aufgrund eines ungünstigen Zahnbogens- und/oder einer ungünstigen Kieferform und/oder tief ansetzenden Bändern eine anatomische Abformung „des Kiefers“ erforderlich, um das Behandlungsziel zu erreichen. Das kann neben Versorgungen mit Kronen, Inlays oder Brücken auch anatomische Abformungen für notwendige Aufbissbehelfe, kieferorthopädische Geräte oder auch schlicht Planungsmodelle betreffen.
BZÄK und Zahnärztekammer haben sich geäußert
Die Bundeszahnärztekammer äußert sich in ihrer aktuellen Kommentierung (Stand 25.04.2014) dazu wie folgt: „Durch eine anatomische Abformung mit individuellem Löffel ist insbesondere bei ungünstigen Zahnbogen- und Kieferformen und/oder tief ansetzenden Bändern ein hohes Maß an Genauigkeit erzielbar. Die Individualisierung eines Konfektionslöffels, zum Beispiel durch Abdämmen, Anbringen von Stopps oder Ähnlichem erfüllt die Anforderungen an einen individuellen Löffel. Der individualisierte Löffel kann daher ebenso für eine Abformung nach der Nr. 5170 verwendet werden. Auch anatomische Abformung mit individuellem oder individualisiertem Teillöffeln erfüllen den Leistungsinhalt der Gebührennummer. … Die Leistung nach der Nummer 5170 kann auch ohne das Vorliegen anatomischer Besonderheiten verwendet werden, sofern eine Abformung mit dem Ziel einer Remontage durchgeführt wird.“
Auch die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe hat sich zu dieser Thematik in einer Stellungnahme geäußert: „Die GOZ-Nr. 5170 ist auch im Zusammenhang mit Einlagefüllungen und Einzelkronenversorgungen berechenbar, zum Beispiel bei Vorliegen ungünstiger Kieferformen. Schließlich sind auch Normalabformungen bei der Abrechnungsbestimmung bei den Gebührennummern 5000 ff. erwähnt. Trotzdem wird bei Vorliegen der genannten Indikationen die GOZ-Nr. 5170 akzeptiert. Es gibt hier kein Unterschied zur Abrechnungsbestimmung bei den GOZ-Nrn. 2200 ff.“
Fall aus gebührenrechtlicher Sicht eindeutig
Aus gebührenrechtlicher Sicht scheint der Fall also eindeutig, dem beihilfeberechtigten Patienten hilft dies allerdings nicht wirklich weiter, auch nicht der bestimmt wohlwollende Hinweis der Zahnarztpraxis, dass ja die zur Beihilfe ergänzende private Krankenversicherung die Leistung nach Nr. 5170 GOZ meist erstatte. Was also ist zu tun?
Die gerade für Beihilfestellen wesentliche Verwaltungsgerichtsbarkeit hat, zugegeben noch für die seinerzeit geltende GOZ ’88, aber unvermindert aktuell, ein interessantes Urteil dazu gesprochen. Konkret äußerte sich das Verwaltungsgericht Köln vom 04.08.1993 (Az. 3 K 1352/91): „Die Gebührenposition 517 GOZ ist nicht durch die Gebührenposition für Inlays und Kronen abgegolten. Die Position 517 erschöpft sich ihrem Leistungsinhalt nach nicht in der Abformung präparierter Zähne. Vielmehr soll bei ungünstigen Zahnbögen und Kieferkammverhältnissen durch die anatomische Abformung eines Kiefers die klinische Situation deutlich gemacht werden.“
Daraus lässt sich schließen: Gebührenrechtlich und auch juristisch besteht offensichtlich keinerlei Anlass, beihilferechtliche Ansprüche zur Erstattung der Leistung nach der GOZ-Nr. 5170 einzuschränken. Vielmehr gründet sich eine unverminderte Ablehnung eines Beihilfeanspruchs auf landesindividuelle Richt‧linien, wie hier am Beispiel Nordrhein-Westfalens gezeigt. Um den beihilfeberechtigten Patienten in Bezug auf dessen voraussichtlichen Beihilfeanspruch dennoch nicht zu verwirren, erscheint die Aufklärung über die bestehenden Richtlinien als praktikabler Lösungsansatz, ganz nach dem Motto „Wissen ist Macht“.
Wichtige Hinweise
Unterstützt werden die Praxen in NRW von den zuständigen Landeszahnärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, unter anderem mit der zusammengestellten „Information für Zahnarztpraxen und beihilfeberechtigte Patienten (Stand 27.05.2013)“, als Download beispielsweise auf der Homepage der Zahnärztekammer Nordrhein (www.zahnaerztekammernordrhein.de) abrufbar.
Die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe hat auf ihrer Homepage (www.zahnaerzte-wl.de) überdies auch alle anderen im Runderlass des Finanzministeriums NRW vom 16.11.2012 genannten GOZ-Leistungen genauer kommentiert und damit den Praxen Argumentationshilfen zur Verfügung gestellt. Im Praxiskommentar „GOZ 2012“ der Bundeszahnärztekammer (www.bzaek.de) sind ebenfalls zahlreiche wertvolle Hinweise zusammengestellt für den Umgang mit beihilferechtlichen Besonderheiten wie in diesem Fall.
Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der ZA Zahnärzt‧lichen Abrechnungsgesellschaft AG in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung.
sscholl@zaag.de