Amalgam-Aus: Neue Abrechnungsregelung im BEMA

Füllungen: BEMA und Mehrkostenvereinbarung

Da hierzulande in den meisten Praxen schon seit Jahren nur selten oder gar keine Amalgamfüllungen mehr gelegt werden, ändert sich für die meisten Praxen mit dem Amalgam-Aus zum Jahresanfang nicht viel – oder doch? Was sich in der GKV-Abrechnung ändert und warum jetzt die Kostenkalkulation einer Füllung wichtiger denn je ist, das erläutert Sabine Schmidt, Abrechnungsexpertin und Praxiscoach aus Weinstadt.


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In vielen Praxen kommen bereits ausschließlich Komposit-Materialien zum Einsatz, auch als Basisversorgung. Was ändert sich durch das Amalgam-Aus ab 1.1.2025 in der Abrechnung der Basisversorgung?
Sabine Schmidt: Bisher regelte der BEMA Ziffer 13 a bis d die Abrechnung für eine Füllung mit einem plastischen Füllmaterial und die Ziffern 13 e bis h galten ausschließlich für Kompositfüllungen in der Adhäsivtechnik im Seitenzahnbereich bei konkret definierten Patientengruppen.
Ab Januar 25 werden zwar 13 a bis d aufgewertet, allerdings nur minimal. Letztlich können nur rund ein bis sechs Euro mehr, gestaffelt von der ein- bis zur mehr als dreiflächigen Füllung, oder Eckenaufbauten berechnet werden. Im Klartext heißt das: Eine einflächige Füllung nach 13 a ist dann für ca. 40 Euro und eine zweiflächige Füllung für rund 47 Euro zu erbringen.
Darin sehe ich keine nennenswerte Aufwertung der GKV-Füllung. Denn bei den Materialkosten, die hier nicht gesondert berechnet werden können, werden sich die höheren Kosten für die Amalgamalternativen bemerkbar machen. Zwar sind die infrage kommenden selbstadhäsiven Basismaterialien wie Glasionomerzemente günstiger als Komposit-Materialien, dennoch ist ein wirtschaftliches Arbeiten zum GKV-Tarif unmöglich.
Die gute Nachricht ist: Die Mehrkostenregelung bleibt. Für eine Versorgung mit Füllungsmaterialien, die außerhalb der Basisversorgung liegen, kann also eine Mehrkostenvereinbarung nach § 28 Abs. 2 SGB V mit dem Patienten getroffen werden. Die BEMA-Sachleistung wird nach wie vor angerechnet.

Stichwort Kostenkalkulation: Lässt sich zum GKV-Tarif kostendeckend arbeiten?
Schmidt: Leider nein. Daher ist es jetzt wichtiger denn je, dass sich die Zahnärzte vor dem Hintergrund der neuen Regelungen eine gute Kostentransparenz verschaffen. Die konkrete Kostenkalkulation einer Basis-Füllung ist empfehlenswert, aber in vielen Praxis noch nicht geschehen. Das lässt sich relativ einfach berechnen:

In der Regel kann man für eine selbstadhäsive Basisfüllung rund eine halbe Stunde Belegungszeit des Behandlungszimmers kalkulieren. Nach GKV-Tarif werden ca. 40 bis 71 Euro berechnet werden können. Je nach Fall ist eine bMF und/oder Lokalanästhesie notwendig und kann berechnet werden. Aber: Stellen wir dann den in Deutschland durchschnittlichen zahnärztlichen Stundensatz von rund 400 Euro dagegen, tut sich ein Defizit auf. Das kann je nach Materialkosten noch variieren. Denn auch darüber, ob in einer Praxis möglicherweise ein „höherpreisiges“ Basisprodukt zum Einsatz kommt, ist bei einer Erstattung in Höhe von rund 40 bis 71 Euro unter wirtschaftlichen Aspekten nachzudenken.
Die Zahnärzte sind also gefordert, die Basisversorgung gut zu kalkulieren. Gegenüber dem Patienten werden sie vor der kommunikativen Herausforderung stehen, die Vorteile einer Füllung mit einem höherwertigen Komposit-Material, dass über eine Mehrkostenvereinbarung abgerechnet wird, verständlich zu erklären. Ein Argument für eine Mehrkostenvereinbarung ist die Qualität der Füllung.

Was ändert sich in der Abrechnung von Füllungen im Seitenzahnbereich bei besonderen Patientengruppen?
Schmidt: Die BEMA Ziffern 13 e bis h für adhäsive Komposit-Füllungen im Seitenzahnbereich regelten die Basisversorgung für Kinder bis 15 Jahre, Schwangere, Stillende und Patienten mit einer Amalgam­allergie oder einer Kontraindikation – und fallen nun komplett weg.
Diese Patientengruppe wird auch zuzahlungsfrei mit selbstadhäsiven Materialien im Seitenzahnbereich versorgt. Für adhäsiv befestigte Kompositversorgungen muss dann eine Mehrkostenvereinbarung vereinbart werden.
Für Kinderzahnärzte bedeutet diese neue Regelung, dass sie ein Bulk-Fill-Material nur im Falle einer Ausnahmeindikation im Seitenzahnbereich, also wenn ein selbstadhäsives Material nicht indiziert ist, über den BEMA abrechnen können. Für alle anderen Fällen ist der Einsatz von adhäsiv befestigten Kompositen nur über eine Mehrkostenvereinbarung mit den Eltern der jungen Patienten möglich. Hier eröffnet sich die Problematik einer Zwei-Klassen-Zahnmedizin, weil Kinder, deren Eltern keine Zuzahlung stemmen können, nicht mehr mit einem langlebigeren adhäsiven Komposit versorgt werden. Diesen Fakt können Kinderzahnärzte jedoch auch dazu nutzen, die Individualprophylaxe für die weitere Kariesprävention zu kommunizieren.

Stichwort Bulk-Fill-Materialien: In Ausnahmefällen können diese ohne Zuzahlung abgerechnet werden. Wie muss das begründet werden?
Schmidt: Das Indikationsspektrum für Glasionomerzement deckt ein-, zwei- und zur Not vielleicht auch noch eine dreiflächige Füllung ab. Doch für mehrflächige Füllungen ist das Material nicht geeignet. In solchen Ausnahmefällen können Bulk-Fill-Komposite ins Spiel kommen – das ist für die Abrechnung jedoch genau zu dokumentieren.

Ist damit zu rechnen, dass sich zukünftig mehr Patienten für eine Basisversorgung entscheiden?
Schmidt: Das glaube ich nicht, weil die Patienten seit vielen Jahren wissen, dass eine hochwertigere Füllung mit Mehrkosten verbunden ist. Ob sich Patienten für eine adhäsiv befestigte Restauration im Seitenzahnbereich oder für Restaurationen in Mehrschicht- und Mehrfarbentechnik entscheiden, hängt allein davon ab, wie gut die Zahnärzte mit ihnen kommunizieren.

Müssen sich Zahnärzte und Mitarbeitende ab Januar auf mehr Aufklärungs- und Kommunikationsarbeit einstellen? Wie bereitet man sich am besten vor?
Schmidt: Zunächst sollte sich jedes Praxisteam jetzt mit dem Thema Amalgam-Verbot und den neuen Abrechnungspositionen auseinandersetzen. Es ist schade, dass der BEMA nun in einer Art Schnellschuss geändert wird, aber für die Zahnärzte noch unklar ist, welche Materialien in welche Anwendungskategorien fallen. Daher stehen die Zahnärzte jetzt davor, die Produkte, die sie täglich einsetzen, im Hinblick auf die neue Regelung einzuordnen.
Außerdem ist es wichtig, dass alle Zahnärzte und Mitarbeitenden einer Praxis in der Kommunikation rund um dieses Thema eine einheitliche Tonspur gegenüber ihren Patienten fahren. Damit meine ich eine einheitliche Argumentation, wie die Patienten über die unterschiedlichen Materialeigenschaften der Füllungsmaterialien informiert werden. Und letztlich gilt es, im Einzelfall darüber aufzuklären, ob die Indikation des Patienten mit einem Basis-Material sicher versorgt werden kann oder ob es eine „bessere“ Materialalternative – wenn auch mit Zuzahlung – gibt. Das alles sollte jetzt in Team-Meetings besprochen werden, damit im Januar möglichst keine Fragen mehr offen sind.

Herzlichen Dank für das hoch informative Gespräch, Frau Schmidt.

Sabine Schmidt 

ist Expertin in der zahnärztlichen Abrechnung, Referentin und Autorin zahlreicher Artikel zu diesem Thema, u. a. für den Kommentar von Liebold/Raff/Wissing. 
Zu ihren Leistungen gehören Coachings im Bereich zahnärztliche Dokumentation/Abrechnung (BEMA/GOZ), Abrechnungs-/Dokumentationschecks und Einzelcoachings zur Persönlichkeitsentwicklung.
sabine.schmidt@coaching-schmidt.com

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