Abrechnung: Abformen und Desinfizieren
Medizinisch notwendig, bei den Kostenerstattern aber ein „Streit-Klassiker“: die Desinfektion prothetischer und/oder kieferorthopädischer Abformungen oder auch von Prothesen, Kronen oder Brücken.
Das Nichterstattungsverhalten privater Krankenversicherer lässt weder Langeweile aufkommen noch zeugt es von Ideenlosigkeit, wenn es darum geht, Leistungen aus der Zahnheilkunde herauszunehmen und sie dauerhaft bei der Erstattung in „Ungnade“ fallen zu lassen. Manchmal sehr ausführliche, zum Teil wortgewaltig in den entsprechenden Erstattungsabrechnungen eingebettete Textbausteine führten in den vergangenen Jahren dazu, dass die „Stiefkinder“ der Erstattungspolitik sogar die Renovierung von Gebühren- und Kostenordnungen überdauert haben wie die von GOZ oder BEB.
Das Desinfizieren von prothetischen und/oder kieferorthopädischen Abformungen oder auch von Prothesen, Kronen oder Brücken ist eine solche Maßnahme, die sich mittlerweile zu einem echten „Streit-Klassiker“ entwickelt hat. Wer kennt nicht die lapidare Feststellung der Kostenerstatter, dass beispielsweise das Desinfizieren von Abdrücken nicht gesondert berechnungsfähig sei.
Aus wissenschaftlicher Sicht besteht keinerlei Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit dieser Maßnahme. Das hat die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) bereits in ihrer offiziellen Stellungnahme (Leitlinie) 1993 herausgearbeitet. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) hat entsprechende Richtlinien für Zahnarztpraxen und für praxiseigene Dentallaboratorien formuliert. Gleiches gilt für gewerbliche Dentallaboratorien gemäß Betriebsstättenverordnung etc. Die Gründe liegen klar auf der Hand:
Um eine Verschleppung von Keimen aus der Praxis in das zahntechnische Labor zu verhindern, ist es erforderlich, Abformungen oder auch zahntechnische Werkstücke (Kronen, Brücken, Prothesen) und Hilfsmittel (Registrate, Bissnahmen, Löffel) entsprechend zu desinfizieren und damit dem geltenden Infektionsschutz Genüge zu tun.
Derartige umfassende Desinfektionsmaßnahmen müssen immer beidseitig, dass heißt sowohl vonseiten der Zahnarztpraxis als auch des Dentallabors, erfolgen. Nur dann kann das Ziel erreicht werden, die Übertragungskette von pathogenen Keimen, vornehmlich aus der Mundhöhle, über den Weg der Abformung zu den Labormitarbeitern oder zurück zum zahnärztlichen Personal und zu den Patienten zu unterbrechen.
Doch begründet sich auf der Basis dieser dargestellten Notwendigkeit auch die Berechnungsfähigkeit von Desinfektionsmaßnahmen? Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) sehen vor, dass Praxiskosten (Praxisführungskosten) nicht gesondert berechnungsfähig sind, also auch keine Desinfektionen; es kann alternativ ja nicht behauptet werden, Desinfektion sei eine zahnmedizinische Behandlungsmaßnahme und deshalb mit einer Gebühr berechnungsfähig.
Dem Grunde nach ist Berechnungsfähigkeit für eine spezielle Desinfektion von einzelnen Abformungen, bestimmten Werkstücken und Hilfsmitteln im Dentallabor – Eigen- wie Fremdlabor – jedoch gegeben, da spezielle Desinfektionsmaßnahmen nachweisbar Kosten verursachen (Laborkosten sind keine Praxiskosten). Diese Kosten sind messbar, einzelnen Labortätigkeiten konkret zuzuordnen, gehören also nicht zu den allgemeinen Betriebskosten eines Dentallabors. Sowohl die BEB’97 als auch die neuere BEB Zahntechnik bieten dafür entsprechende Positionen an.
Freie Kalkulation
Nach Nr. 0732 (BEB’97) oder den Ziffern der BEB Zahntechnik 1.10.12.0 (Eingangsdesinfektion) oder 1.10.13.0 (Ausgangsdesinfektion) können Desinfektionsmaßnahmen seitens eines zahntechnischen Labors berechnet werden.
Dabei ist jedes Labor frei darin, wie es derartige besondere zusätzliche Leistungen kalkuliert und berechnet. Eine spezielle Desinfektion der stets kontaminierten Abformungen war früher materialbedingt nur eingeschränkt möglich und auch nur mit Mitteln, die entweder unzulänglich oder verformend wirkten. Da hat der mittlerweile erzielte Fortschritt Gutes bewirkt und eine relativ problemlose Desinfektion von Abdrücken ermöglicht, ohne Gefahr für deren Genauigkeit.
Es ist richtig, dass spezielle Desinfektionsleistung für Abformungen, Zahnersatz und Hilfsmittel bei Laborein- und -ausgang medizinisch erforderlich ist und so oft wie tatsächlich erbracht auch berechnet wird, das heißt, sie kann je Vorgang in Ansatz gebracht werden. Allein schon um zu dokumentieren, dass die Hygienevorgaben laborseitig gesetzeskonform erfüllt wurden, sollte für die Maßnahme „Desinfektion Eingang/Ausgang“ ein Einzelausweis erstellt werden, indem diese Leistung auf der zahntechnischen Rechnung so oft wie erfolgt erscheint. Das ist bei einer Zahnersatzversorgung mit mehreren Anproben naturgemäß häufiger der Fall, was Ausgangs- und Eingangsdesinfektion im Labor anbelangt. Gewollter Nebeneffekt: Den Patienten wird damit die Anwendung des gebotenen Hygienestandards vermittelt.
Labore Verstecken die Kosten
Dabei hat jedes Dentallabor individuell zu entscheiden, wie es seine Kalkulation genau ermittelt. Die Desinfektion aller ein- und ausgehenden Abdrücke, Werkstücke und Hilfsmittel etc. nach dem MPG (Medizinproduktegesetz) verursacht zweifellos zuordnungsfähige Einzelkosten. Dennoch entscheiden sich einige Dentallabore, die entstehenden Desinfektionskosten rechnerisch auf alle Positionen aufzuschlagen und sie damit quasi zu verstecken.
Es gilt jedoch zu bedenken: Die Methode, die besonderen Desinfektionskosten ohne Berücksichtigung der tatsächlich benötigten Anzahl von Desinfektionsvorgängen auf alle Leistungspositionen im Dentallabor umzulegen, ist wenig kosten- und leistungsgerecht. Deshalb sollte die klar offenlegende Vorgehensweise nicht durch andauernde Erstattungseinsprüche belastet und behindert werden.
Wichtig: Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sind diese Kosten in den BEL-Preisen des GKV-Material- und Laborkostenverzeichnisses und in den Festzuschüssen ausdrücklich enthalten und nicht gesondert berechnungsfähig.
Steffi Scholl
ist Abrechnungsspezialistin und arbeitet seit 2011 bei der Zahnärzt‧lichen Abrechnungsgenossenschaft eG (ZA) in Düsseldorf in der GOZ-Fachabteilung.
Kontakt: sscholl@zaag.de