IT-Betriebsmitteln privat nutzen?

Die zunehmende Digitalisierung am Arbeitsplatz birgt zunehmend Konfliktpotenzial: Inwiefern kann die private Internetnutzung am Arbeitsplatz eine Abmahnung oder sogar Kündigung rechtfertigen?



Sofern die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern IT-Geräte zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung überlassen, handelt es sich bei diesen um klassische Betriebsmittel. Entsprechend liegt eine berufliche Nutzung der IT-Geräte vor, sofern die Nutzung einen konkreten Bezug zu der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung aufweist. Allerdings ist die Grenze zwischen der betrieblichen und rein privaten Nutzung von IT-Geräten fließend. Wenn der Arbeitnehmer beispielsweise mithilfe eines betrieblichen IT-Gerätes seinen Ehepartner informiert, dass es wegen eines beruflichen Termins später wird, wird man sich noch im Rahmen der betrieblichen Nutzung bewegen und nicht bereits im Bereich der privaten Nutzung. Entscheidend ist die dienstliche Veranlassung der Nutzung. Aufgrund der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers ergeben sich zudem Ausnahmen in dringenden Notfällen oder auch bei unaufschiebbaren Behördenangelegenheiten. Grundsätzlich gilt, dass eine private Nutzung von IT-Betriebsmitteln nur unter der Voraussetzung einer arbeitgeberseitigen Erlaubnis – Stichwort: Direktionsrecht des Arbeitgebers (m/w/d) (§ 106 GewO) – gestattet ist. Keinesfalls besteht – wie am 12.01.2016 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt – ein Anspruch des Arbeitnehmers auf private Nutzung von IT Betriebsmitteln (Az.: 61496/08).

PRIVATE INTERNETNUTZUNG AM ARBEITSPLATZ
Bereits 2005 urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt, wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken in erheblichem zeitlichem Umfang nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt (Urt. v. 23.06.2005 – 2 AZR 642/04). Weiter konkretisierte das BAG, dass die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz insbesondere dann eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung darstellen könne, wenn
1. eine erhebliche Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme heruntergeladen wurde (insbesondere strafbarer oder pornografischer Inhalte) oder
2. durch die unberechtigte private Nutzung dem Arbeitgeber zusätzliche Kosten entstehen sowie
3. die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung während des privaten „Surfens“ nicht erbracht wird. Dabei wiege die Pflichtverletzung um so schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine abeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt.

Darüber hinaus betonte das BAG, dass es in Fällen der exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit keiner Abmahnung bedarf, da dem Arbeitnehmer klar sein müsse, dass er damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Auch müsse der Arbeitgeber bei exzessiver Privatnutzung nicht im Einzelnen vortragen, ob und inwiefern die Arbeitsleistung gelitten hat (ebenso BAG mit Urt. v. 27.04.2006 –2 AZR 386/05). Mit Urteil vom 31.05.2007 (Az.: 2 AZR 200/06) stellte das BAG sodann klar, dass auch selbst dann, wenn kein ausdrückliches Verbot seitens des Arbeitgebers zur privaten Internetnutzung bestünde, diese eine erhebliche Pflichtverletzung darstelle, die den Arbeitgeber zur Kündigung ohne vorweggehende Abmahnung berechtigen kann. Einer Abmahnung bedarf es hingegen jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer in der Gestaltung seiner Arbeits- und Pausenzeiten frei ist und eine Beeinträchtigung der Arbeitspflicht deshalb nicht feststellbar ist (BAG, Urt. v. 19.04.2012 – 4 Sa 795/07).

PRIVATE DIENSTTELEFONNUTZUNG
Grundsätzlich stellt die unberechtigte private Nutzung des (stationären und/oder mobilen) Diensttelefons eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar. Geschieht dies zudem während der Arbeitszeit, liegt darüber hinaus eine Verletzung der Pflicht zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung vor. Ob vor einer Kündigung aus gegebenem Anlass eine Abmahnung ergehen muss, hängt insbesondere davon ab, ob der Arbeitgeber in der Vergangenheit private Telefonate – wenn auch nur in begrenztem Umfang – geduldet hat.

Vor dem Ausspruch einer Kündigung sollte geprüft werden, ob nicht zunächst die Erteilung einer Abmahnung erforderlich ist.

Bejahendenfalls muss vor der Aussprache einer Kündigung regelmäßig zunächst eine Abmahnung erfolgen (BAG, Urt. v. 27.11.2003 – 2 AZR 692/02; BAG, Urt. v. 25.10.2012 – 2 AZR 495/11). Auch bei der privaten Diensttelefonnutzung gilt, dass eine exzessive Nutzung grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt (BAG, Urt. v. 05.12.2002 – 2 AZR 478/01); ggf. sogar ohne ein vorheriges Abmahnungserfordernis. Selbstredend ist der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zudem verpflichtet, für Kosten, die durch unzulässige private Diensttelefonnutzung entstehen (Telefongebühren, vertane Arbeitszeit), aufzukommen.

BEITRÄGE IN DEN SOZIALEN MEDIEN
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind gemäß § 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Dies bedeutet unter anderem für den Arbeitnehmer die unbedingte Verpflichtung, ruf- und geschäftsschädigendes Verhalten zu unterlassen; dies auch in seiner Freizeit (BAG, Urt. V. 10.09.2009 – AZR 257/08). Ruf- und/oder geschäftsschädigende Beiträge in sozialen Medien können eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begründen und zwar unabhängig davon, ob der Beitrag während der Arbeitszeit oder in der Freizeit verfasst und geteilt wurde. Dasselbe gilt selbstverständlich für Beiträge, die vertrauliche betriebliche Informationen zum Gegenstand haben. Schwierigkeiten bereitet oftmals die Abgrenzung eines von der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) geschützten Werturteils zu einer unzulässigen Formalbeleidigung oder Schmähkritik. Die Verbreitung bewusst wahrheitswidriger Behauptungen unterliegt jedenfalls nicht der Meinungsfreiheit und ist damit stets pflichtwidrig (BAG, Urt. v. 31.07.2014 – 2 AZR 505/13). Die Verbreitung eines von der Meinungsfreiheit geschützten Werturteils muss der Arbeitgeber (m/w/d) hingegen akzeptieren. Eine Rücksichtspflichtverletzung seitens des Arbeitnehmers – und damit ein Kündigungsgrund gegen ihn – liegen regelmäßig dann vor, wenn dieser in einem Beitrag angeblich betriebsinterne Missstände oder unzulässiges Verhalten des Arbeitgebers behauptet, da hier als milderes, ebenso wirksames Mittel stets das Gespräch mit dem Arbeitgeber und im nächsten Schritt das Herantreten an die zuständige Behörde in Betracht kommen (BAG, Urt. v. 04.03.2004 – C-19 50 84/02).

Für den Arbeitgeber gilt es zu beachten, dass er auch hier vor der Aussprache einer Kündigung eine Abmahnung zu erteilen hat. Dies gilt nur  nicht, wenn eine arbeitnehmerseitige Verhaltenskorrektur nicht zu erwarten ist oder es sich um einen besonders schwerwiegenden Verstoß handelt.

PRAXISTIPP
Um Konflikte möglichst von vorneherein vermeiden zu können, empfiehlt es sich hinsichtlich der Nutzung von IT-Betriebsmitteln, klare Verhaltensgrundsätze aufzustellen. Im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts steht es dem Arbeitgeber frei, die Privatnutzung von IT-Betriebsmitteln vollständig zu untersagen. Sofern der Arbeitgeber die Privatnutzung von IT-Betriebsmitteln teilweise gestatten möchte, empfiehlt es sich, den Nutzungsumfang genauestens, nämlich ausdrücklich durch hinreichend konkrete Bestimmungen, festzulegen. Dies kann insbesondere auch ein Verbot des Zugriffs auf bestimmte Inhalte umfassen.

Um Konflikte möglichst von vornherein vermeiden zu können, empfiehlt es sich, hinsichtlich der Nutzung von IT-Betriebsmitteln klare Verhaltensgrundsätze aufzustellen.

Darüber hinaus empfiehlt es sich, den Nachweis sicherzustellen, dass jeder einzelne Mitarbeiter über das Nutzungsverbot bzw. Nutzungsbeschränkungen auch entsprechend informiert
worden ist. Dies kann beispielsweise durch das Einfügen einer entsprechenden Klausel bereits mit Aushändigen des Arbeitsvertrages geschehen oder etwa im Falle einer nachträglichen Bekanntmachung durch eine unterschriebene Bestätigung der Kenntnisnahme. Liegt eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor, ist vor dem Ausspruch einer Kündigung stets zu prüfen, ob nicht zunächst die Erteilung einer Abmahnung erforderlich ist. Und erst nach abermaligem einschlägigem Verstoß im Bereich des abgemahnten Vorgangs ist dann eine Kündigung gerechtfertigt.

 

Foto: Privat

RA HELGE RUST
Fachanwalt für Medizin- und Arbeitsrecht, Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE, Köln,
Tätigkeitsschwerpunkt im Vertragszahnarzt und Zahnarzthaftungsrecht
koeln@medizin-recht.com