3. Gemeinschaftskongress der Zahnmedizinischen Fachgesellschaften zum Deutschen Zahnärztetag

Zahnmedizin interdisziplinär

Unter dem Titel „UPDATE 2015 – Klinisch relevant, Kritisch betrachtet, Konstruktiv diskutiert“ fand vom 6. bis 7. November 2015 der 3. Gemeinschaftskongress der Zahnmedizinischen Fachgesellschaften zum Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt am Main statt.



Keine One-Person-Shows – das hatte die DGZMK-Präsidentin Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke versprochen, und das hat sie auch gehalten: Im Fokus des 3. Gemeinschaftskongresses der Zahnmedizinischen Fachgesellschaften zum Deutschen Zahnärztetag stand der kollegiale Disput. Und damit ging es bereits bei der Auftaktsession los. Unter der Moderation von Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner, Mainz, referierten Prof. Dr. German Gomez-Roman, Tübingen, Prof. Dr. Guido Heydecke, Hamburg, und PD Dr. Bernadette Pretzl aus Heidelberg zum Thema Wie steht es mit dem Langzeiterfolg von Implantaten, von konventionellem Zahnersatz und von parodontal kompromittierten, aber therapierten Zähnen?“

Verzögerte Implantation schneidet am besten ab

Wie lange hält mein Implantat? So laute die typische Frage vieler Patienten beim Aufklärungsgespräch, begann Gomez-Roman seinen Vortrag. „Belegt sind heute Überlebensraten von 90 Prozent nach 20 Jahren“, sagte er mit Blick auf das Tübinger Implantat Register (8709 Implantaten, 3502 Patienten, 102 Behandler, zwei Implantatsysteme), das seit 1975 die Überlebenszeiten von Implantaten erfasst. Bewertet wurden unter anderem die klinische Leistungsfähigkeit, die Indikation und die Stabilität der Suprakonstruktionen. Hier die wichtigsten Ergebnisse:
·Die verzögerte Implantation ist am erfolgreichsten.
·An zweiter Stelle liegt die Sofortimplantation, auf Platz drei rangiert die Spätimplantation.
·Oberkiefer-Implantate haben eine schlechtere Prognose als Implantate im Unterkiefer. Und bei Frauen „halten“ Implantate länger, die 20-Jahres- Überlebensrate liegt mit 91 Prozent 7 Prozentpunkte über der der Männer.

Konventioneller Zahnersatz

Die stetige Weiterentwicklung von Materialien und Versorgungskonzepten hat nicht nur die Implantologie vorangebracht, sondern auch die Langzeitprognosen von Zahnersatz entscheidend verbessert. Das stellte Heydecke in seinem Vortrag „Haltbarkeit von konventionellem modernem Zahnersatz“ heraus. Zentrale Voraussetzung für eine zukunftssichere orale Gesamtrehabilitation sei die Integration in ein Synoptisches Behandlungskonzept, erklärte er. Dieses beinhalte eine erfolgreich abgeschlossene Vorbehandlungsphase vor der definitiven restaurativen Therapie sowie die Sicherung der Behandlungsergebnisse durch die Einbindung der Patienten in eine regelmäßige Nachsorge. Das A und O sei die Einzelzahnprognose, sagte Heydecke. Denn das „Überleben von Zahnersatz“ sei an klare Voraussetzungen gebunden.
Keine Aussicht auf eine erfolgreiche konventionelle Restauration attestiert er tief zerstörten Zähnen sowie parodontal oder endodontisch stark kompromittierten Zähnen (75 Prozent Knochenverlust, Furkationsgrad II/III, Lockerungsgrad II, Perforation, Fraktur, Zyste oder Wurzelresorption.). Die durchschnittlichen Überlebensraten von Kronen und Brücken aus Metall (Heydecke: nach wie vor eine probate Restaurationsvariante) liegen nach fünf Jahren bei 95 Prozent, nach zehn Jahren bei 85 bis 90 Prozent und nach 15 Jahren bei 70 bis 75 Prozent. Bei abnehmbarem Zahnersatz gelte, er „gibt nach zehn Jahren deutlich nach“.

Wie lange hält der PA-Zahn?  

Die Prävalenz der Parodontitis steigt kontinuierlich. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der Möglichkeit, Zähne bis ins hohe Alter zu erhalten, müssen sich Zahnärzte vermehrt mit der Frage der Erhaltungsfähigkeit der Zähne bei Parodontitispatienten auseinandersetzen. Betroffene wünschen sich möglichst verlässliche Aussagen zur Verweildauer parodontal vorgeschädigter Zähne im Mund. Pretzl sprach zum Thema „Haltbarkeit parodontal geschädigter Zähne“ und lieferte einen Überblick über wissenschaftliche Daten und Möglichkeiten des Zahnerhalts und stellte im Anschluss klinische Fälle zur Diskussion.

„Kratzen oder Zange?“

Während die Parodontologen selbst Zähnen mit Sondierungstiefen von mehr als 15 mm noch Chancen einräumen, scheuen Prothetiker und Implantologen mit Blick auf die schlecht vorhersagbaren Überlebensraten stark kompromittierter Zähne das Risiko und plädieren fürs Extrahieren und Implantieren. Das gilt auch für die Periimplantitis. Soll man am Implantat sondieren, um sie zum Beispiel frühzeitig zu erkennen und eingreifen zu können? „Nein“, meint Gomez-Roman, „die Sonde stoppt an der ersten Windung und dann geht es nur noch unter Schmerzen für den Patienten weiter.“ „Doch“, vertritt Moderator Wagner. „Vorsichtiges Sondieren am Implantat gehört sich“, unterstrich er in Frankfurt.
Wird eine Periimplantitis diagnostiert, plädiert Gomez-Roman für die Explantation, sobald „der Knochenabbau 5 mm überschritten hat“. „Die beste Periimplantitistherapie ist, das Implantat zu entfernen und ein neues zu setzen“, sagte er. Das, so Wagner mit Augenzwinkern, sei bekanntlich auch die beste PA-Therapie. Er wies in diesem Zusammenhang auf die vielfach mangelhafte Vorbehandlung von PA-Patienten hin, „die zur Implantatberatung in unsere Klinik kommen“. „Da ist selbst für einen MKG-Chirurgen noch Luft nach oben.“

Der Wissenschaftskongress griff auch aktuelle Themenstellungen auf, zum Beispiel die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), „eine never ending Story, wie Prof. Dr. Norbert Krämer meint. In Deutschland sind mehr als zehn Prozent der Kinder betroffen und leiden unter Schmelzfrakturen, Füllungsverlust, Sekundärkaries, aber vor allem unter starken Überempfindlichkeiten dieser Zähne. Die strukturellen Besonderheiten der MIH-Zähne führen immer wieder zu Misserfolgen bei der adhäsiven restaurativen Versorgung. Auch Generalisten benötigen deshalb Kenntnisse und Erfahrungen, um diese Kinder im Praxisalltag kompetent behandeln zu können. Krämer: „In unserer Fachklinik haben wir vermehrt Anfragen von niedergelassenen Kollegen zur Beratung oder Weiterbehandlung.“ Die Versorgung der Anomalie verlange neben der konservierend restaurativen und prothetischen Fachkenntnis auch oralchirurgisches und kieferorthopädisches Wissen für beide Dentitionen.

Weitere spannende Themen waren die „Funktionelle und okklusale Rehabilitation im Abrasionsgebiss“, die „Intraligamentäre Anästhesie: Modern oder ein alter Hut?“, die Session zur Zahnerhaltung unter dem Vorsitz von Dr. Karl-Ludwig Ackermann sowie der „Aktuelle Stand computergestützter Verfahren“ mit Prof. Dr. Florian Beuer, Prof. Dr. Sven Reich und Dr. Klaus Wiedhahn, moderiert von Dr. Gerd Körner. in der Zahnarztpraxis sind von digitalen Verfahren geprägt. Hier ging es auch um das künftige Potenzial von 3D-Druckern für die Praxis. Beuer ist davon überzeugt, dass die 3D-Drucker über kurz oder lang auch in der ganz normalen Praxis ankommen werden. In puncto digitaler Workflow riet er niedergelassenen Zahnärzten , auf geschlossene Systeme zu setzen. Offene Systeme seien für Hochschulen zwar hoch interessant, im Praxisalltag aber eher kompliziert.

Die Gemeinschaftstagungen finden im Fünfjahresrythmus statt. DGZMK-Präsidentin Kahl-Nieke zeigte sich „froh und stolz, dass wir eine solche Gemeinschaftstagung wieder auf die Beine stellen konnten”. 30 Fachgesellschaften waren beteiligt, mehr als 5000 Teilnehmer kamen nach Frankfurt am Main.