KZVB: "Trend zur Anstellung nicht tatenlos hinnehmen"

Wie gelingt die Suche nach einem Landzahnarzt?

Lange war die Gemeinde Haldenwang ohne zahnärztliche Versorgung, doch seit einigen Wochen praktiziert hier wieder eine Zahnärztin. Die Suche über die KZVB führte schließlich zum Erfolg. Ein Interview mit deren stellvertretendem Vorsitzenden, Dr. Stefan Böhm.



Verzweifelt hatte sich ein Bürgermeister Anfang des Jahres an die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) gewandt: Er suchte dringend einen Zahnarzt für die Gemeinde Haldenwang im Oberallgäu. Er hatte Glück: Aufgrund eines Interviews, das die KZVB veröffentlichte, konnte mittlerweile eine Nachfolgerin gefunden werden. Wie können andere ländliche Gemeinden vorgehen, die vor demselben Problem stehen? Darüber sprach das DENTAL MAGAZIN mit Dr. Stefan Böhm, stellvertretender Vorsitzender der KZVB. Er sagt: “Wichtig ist es, bei jungen Zahnärzten die Freude an der Niederlassung zu wecken und den Trend zur Anstellung nicht tatenlos hinzunehmen.”

Wie sollten Gemeinden vorgehen, die einen Zahnarzt suchen, etwa bei einer Nachfolgeregelung, aber über die üblichen Wege, wie Anzeigen oder Mundpropaganda, bislang keinen gefunden haben?

Ein Zahnarzt ist für die meisten Gemeinden genauso wichtig wie eine Schule, ein Arzt, eine Apotheke oder ein Supermarkt. Allerdings wird es immer schwieriger, junge Zahnärzte für eine Niederlassung auf dem Land zu begeistern. Das liegt auch daran, dass das Landleben bei jungen Menschen generell an Attraktivität verliert. Man spricht nicht ohne Grund von einer neuen Landflucht und einer Urbanisierungswelle. Wichtig ist, dass Gemeinden im ländlichen Raum ihre Vorteile klar herausstellen. Dazu gehören der Freizeitwert, eine intakte Natur, gute Lebensverhältnisse für Familien mit Kindern, bezahlbarer Wohnraum und auch niedrigere Praxiskosten als in Großstädten.

Im Februar hatte sich ein verzweifelter Bürgermeister an Sie gewendet, daraufhin kam ein Interview zustande, das Sie auf der KZVBFacebookseite angerissen und in ihrer Publikation „kzvb TRANSPARENT“ veröffentlicht haben. Zwischenzeitlich wurde eine Zahnärztin gefunden. Aber sicher können nicht alle Gemeinden jetzt einen Brief an Sie schreiben, der dann veröffentlicht wird, oder?

Der Bürgermeister hat sich nicht direkt an uns gewandt. Er hat vielmehr ein Inserat in unserer Kleinanzeigenbörse auf kzvb.de geschaltet. Da wir alle Anzeigen vor Veröffentlichung prüfen, sind wir darauf aufmerksam geworden und der Sache nachgegangen. Wir wissen, dass Haldenwang kein Einzelfall ist und haben stellvertretend für alle Gemeinden, die einen Zahnarzt suchen, darüber berichtet. Selbstverständlich können auch andere Kommunen auf kzvb.de inserieren. Dort suchen die meisten niederlassungswilligen jungen Kollegen in Bayern nach Praxen. Wir wollen als KZVB Praxisabgeber und Praxisübernehmer zusammenbringen.

Wie kann die KZVB den Praxen noch helfen?

Der Gesetzgeber hat die Sicherstellung der flächendeckenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung den Kassenärztlichen Vereinigungen übertragen. Das gilt analog für die zahnmedizinische Versorgung und die KZVen. Diesem Sicherstellungsauftrag wollen wir nachkommen, auch wenn das zunehmend schwieriger wird. Die KZVB hat vor kurzem in Zusammenarbeit mit der Apo-Bank ein sehr gut besuchtes Niederlassungsseminar durchgeführt. Außerdem organisieren wir Infoveranstaltungen für Praxisabgeber, damit sie sich rechtzeitig auf diesen Schritt vorbereiten können. Das Wichtigste sind aber aus meiner Sicht Rahmenbedingungen, unter denen der Zahnarztberuf Spaß macht. Dazu gehören ein Abbau der Bürokratie, eine angemessene Vergütung der erbrachten Leistungen und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer.

Wie beurteilen Sie das Modell, dass ein Zahnarzt in der Region in zwei Praxen abwechselnd arbeitet? Ist das praktikabel?

Ohne dieses Modell wäre die Versorgung in vielen Teilen Bayerns längst zusammengebrochen. Zweigpraxen sind ein sinnvolles Modell für die Berufsausübung – gerade in der Zahnmedizin, wo viele Behandlungen planbar sind.

Was halten Sie denn davon, wenn Gemeinden dem Zahnarzt zusätzliche Anreize bieten, etwa ein günstiges Baugrundstück für das Eigenheim?

Das muss jede Gemeinde für sich entscheiden. Aber „Subventionen“ sollten nicht der Hauptanreiz für eine Niederlassung sein. Man kann auf dem Land gutes Geld verdienen und hat niedrigere Lebenshaltungskosten als in der Großstadt. Viel wichtiger ist, dass wir bei jungen Zahnärzten die Freude an der Niederlassung wecken und den Trend zur Anstellung nicht tatenlos hinnehmen.

Seit fast zwei Jahren hatten die 3.800 Einwohner der Gemeinde Haldenwang keinen Zahnarzt mehr. Im Interview mit der KZVB erläuterte Bürgermeister Josef Wölfle die Konsequenzen für die Gemeinde: http://social.kzvb.de/haldenwang-zahnarztpraxis.pdf