Virtuelles Zähneputzen: Software erleichtert Herstellern die Arbeit
Per Simulation lassen sich die verschiedenen Parameter wie etwa die Form der Borsten oder die Größe der Putzkörper mit einem Klick ändern. Entwickelt hat die Software das Fraunhofer-Institut IWM in Freiburg.
Welche Bürsten die Zähne am gründlichsten reinigen und den Zahnschmelz dabei möglichst schonen, konnten die Hersteller bisher nur durch Experimente abschätzen. Ebenso verhält es sich bei den abrasiven Partikeln in den Zahnpasten. Eine neuartige Simulation des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg verspricht Abhilfe: “Mit unserem Verfahren können Hersteller von Zahnpflegeprodukten schnell, kostengünstig und zuverlässig erfassen, welchen Einfluss die jeweiligen Faktoren auf die Reinigung haben”, sagt Dr. Christian Nutto, Wissenschaftler am IWM.
Anders als im Experiment lassen sich die einzelnen Parameter in der Simulation einfach variieren – sei es die Größe, die Form oder auch die Menge der abrasiven Partikel in der Zahnpasta, sei es das Material, aus dem sie bestehen, oder die Form und die Elastizität der Bürstenfilamente. “Wir können die Untersuchungen viel breiter anlegen, als dies bei realen Tests möglich wäre – was sich in der Qualität der Produkte bemerkbar macht.”
Welche Auswirkungen haben Form und Steifigkeit der Zahnbürstenfilamente beim Putzen? Wie wirken sich unterschiedliche Putzkörper und die Viskosität, also die Zähigkeit der Zahnpasta, auf Zahnschmelz und das eigentliche Angriffsziel aus: den Biofilm auf den Zähnen? Solche Fragen kann die Simulation zuverlässig beantworten – und zwar lange bevor die Hersteller die Zahnpasta angerührt haben.
Putzkörper – gefährlicher Schmirgeleffekt
Ein wichtiger Bestandteil von Zahnpasten sind Putzkörper, auch Abrasivstoffe genannt, die den Zahnbelag mechanisch entfernen. Eine Paste sollte nicht zu abrasiv sein, ihre Schmirgelwirkung also nicht zu stark ausfallen. Über Jahre hinweg kann der Abrieb den Zahnschmelz schädigen, der sich nicht regeneriert. Deutlich ausgeprägter zeigen sich die Schäden zudem am weichen Dentin beziehungsweise am Zahnbein. Wer freiliegende Zahnhälse hat, sollte daher eine Zahncreme mit geringem Abrieb wählen, empfiehlt die Bundeszahnärztekammer.
Christian Nutto setzt dabei auf die am IWM entwickelte Simulationssoftware SimPARTIX, welche die Partikelsimulationsmethode Smoothed Particle Hydrodynamics verwendet, kurz SPH. “Wir geben dabei Eigenschaften wie Fließfähigkeit, Dichte, Form und Füllfaktor der Abrasivpartikel vor”, erläutert Nutto. Auch Parameter für den Zahnschmelz werden berücksichtigt. Das virtuelle Zahnbürstenfilament streicht dann über den Zahnschmelz: Die Simulation ermittelt, wie die scheuernden Partikel mit dem elastischen Filament wechselwirken. Zudem berechnet sie die Reinigungswirkung und wie aggressiv die Abrasivpartikel auf den Zahnschmelz wirken. Das Team der Gruppe “Pulvertechnologie, Fluiddynamik” kann dabei sowohl die Geschwindigkeit variieren, mit der sich die Borsten über den Zahnschmelz bewegen, als auch die Kraft, mit der sie aufgedrückt werden. Zur Integration der Partikelsimulation in standardisierte Simulationsprogramme hat das Team um SimPARTIX in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI ein zusätzliches Softwaretool entwickelt.
Eine Hilfe zur Entwicklung neuer Zahnbürsten-Borsten: Vergleich von zwei unterschiedlich steif ausgelegten Borstenfilamenten in der gleichen Suspension. Die Filamente sind mit der Finite Element-Methode, die Suspension mit der Partikelsimulationsmethode SPH berechnet.
Fraunhofer IWM Software berechnet Wirkung von Zahnpasta auf Zahnschmelz
Doch stimmen die Ergebnisse auch mit der Realität überein? Die Vergleichsexperimente führte Dr. Andreas Kiesow mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle sowie am MikroTribologie Centrum µTC in Karlsruhe durch. Ein Bürstenfilament, das in eine Halterung eingespannt wurde, bewegte sich dabei mit gleichbleibender Geschwindigkeit über den künstlichen Zahnschmelz, auf dem sich auch die Zahnpasta befand. Das Ergebnis: Die Simulation kann präzise vorhersagen, wie sich Zahnpasta und Bürstenfilamente auf den Zahnschmelz auswirken. In einem nächsten Schritt soll sie auch vorhersagen können, wie effektiv die Bürsten und Pasten den Biofilm von den Zähnen entfernen.