Burnout ist keine "Modediagnose"

Totale Erschöpfung – was dazu führen kann

Der besonders hohe Anspruch an die eigene Arbeit und eine systematische Überforderung können in Kombination zu einem Burnout führen. Gerade Zahnärzte, die oft selbstständig, mit Personalverantwortung und überdurchschnittlich lange arbeiten, können betroffen sein.


Burnout

Auch der Wunsch vieler Menschen, dass ihre Arbeit nicht nur zum Geldverdienen da ist, sondern einen Sinn haben soll, kann das Burnout-Risiko verstärken. Foto: Petra Bork / pixelio.de


Soziologen sehen wachsende Anforderungen, Wettbewerbsdruck ohne Feierabend und ein hoher Anspruch an die eigene Arbeit als größte Risikofaktoren für ein Burnout. Als in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals Fälle von Burnout bekannt wurden, waren die Patienten Sozialarbeiter und Lehrer. Der amerikanische Psychoanalytiker Herbert Freudenberger beschrieb Patienten, die im damaligen New Yorker Problemviertel Spanish Harlem arbeiteten: hoch motiviert, politisch engagiert – und nach Jahren frustriert durch die Erfahrung, dass sie trotz eines Einsatzes weit jenseits normaler Arbeitszeiten nicht wirklich etwas ändern konnten. Sie waren „ausgebrannt“.

Heute sind davon immer mehr Menschen betroffen: Wachsende Anforderungen, Wettbewerbsdruck ohne Feierabend und ein hoher Anspruch an die eigene Arbeit – wo diese Faktoren zusammenkommen, steigt das Burnout-Risiko. Natürlich gab es immer schon harte Arbeit und Stress. Trotzdem sei Burnout keineswegs nur eine Modediagnose, sagen der Frankfurter Soziologe Prof. Dr. Sighard Neckel und seine Mitarbeiterin Greta Wagner.

Risiko Burnout: Permanenter Druck zur Leistungssteigerung

Burnout spiegelt gewichtige Veränderungen in Arbeitswelt wider: „Unrealistische Erwartungen an die Belastbarkeit von Mitarbeitern entstammen längst nicht mehr dem Idealismus alternativer Milieus der 1970er-Jahre, sondern sind in einer ökonomischen Kultur zur Regel geworden, die um jeden Preis auf permanente Leistungssteigerung setzt“, sagt Neckel.

Ein einmal gewonnener beruflicher Status muss offenbar stets aufs neue unter Beweis gestellt werden: Für sehr viele Erwerbstätige verkürzten sich die Abstände, in denen „der erreichte Status wieder zur Disposition gestellt und ,performativ‘ neu erkämpft werden“ muss.

Befristete Jobs erhöhen den Leistungsdruck

Begünstigt wurde das durch Fortschritte in der Informationstechnik. Leistungsfähige Computer ermöglichen engmaschige Leistungs- und Erfolgskontrollen. Dank Handy und Co. sind Beschäftigte dauernd zu erreichen. Hinzu kamen Deregulierungen auf dem Arbeitsmarkt. Sie erleichterten beispielsweise die Einrichtung befristeter Jobs, die der Analyse von Neckel und Wagner zufolge „den Leistungsdruck auf die Mitarbeiter erhöhen und sie zwingen, ihren Wert für die Organisation immer wieder von Neuem beweisen zu müssen“.

Auch der Wunsch vieler Menschen, dass ihre Arbeit nicht nur zum Geldverdienen da ist, sondern einen Sinn haben soll, kann das Burnout-Risiko verstärken. Der Anspruch, sich im Beruf selbst zu verwirklichen, hat sich nach Meinung der Soziologen stark ausgebreitet, ein Indiz dafür können überlange Arbeitszeiten sein.

Arbeitsgestaltung selbst mitbestimmen wirkt präventiv

Besonders problematisch sei es, wenn Beschäftigte keine echten Möglichkeiten hätten, ihre Arbeitsgestaltung mitzubestimmen. „Die Identifikation mit der Arbeit trieb die späteren Burnout-Patienten, je unzulänglicher die Arbeitsbedingungen waren, in immer größeres Engagement, was schließlich zum Erschöpfungszusammenbruch führte“.

Erschienen ist der Aufsatz in den WSI-Mitteilungen, der Fachzeitschrift des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.