Sorge um die Freiberuflichkeit
Er ist feierlich eröffnet: Der Deutsche Zahnärztetag, Teil II, begann offiziell am Donnerstagabend mit einem Festakt im postindustriellen Charme der Moabiter Bolle-Säle. Und die Botschaft der Eröffnung wie die des gesamten Zahnärztetages ist eindeutig: Die Zahnärzte in Deutschland wehren sich mit aller Macht gegen den Verlust der Freiberuflichkeit.
Der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Dr. Peter Engel aus Köln, nannte die Tatsache, dass nach dem Brexit und der US-Wahl offenbar nichts mehr vorhersagbar ist, beängstigend. Was, wenn bei bestimmten Konstellationen Koalitionsverhandlungen anstehen, in denen ernsthaft durch „Umverteiler, Deregulierer und Vereinheitlicher“ über unser Gesundheitssystem debattiert wird? Der jüngst entschärfte Referentenentwurf zum vermeintlichen Selbstverwaltungsstärkungsgesetz habe, so betonte Engel, „eine Tür geöffnet, und die kriegt man nicht mehr zu“. Aber er versprach, die Warnungen und Kritik der Zahnärzte „in die Politik und nach Brüssel zu tragen“.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, mit launigen Worten durch den wiedergewählten Versammlungsleiter Dr. Thomas Breyer begrüßt, verteidigte die Intention des von den Zahnärzten so sehr kritisierten Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes. Die Zahnärzte seien nicht denjenigen, auf die dieses Gesetz abziele. BZÄK-Präsident Engel lobte zudem den Einsatz Gröhes in der Vergangenheit – unter anderem auch für die inzwischen fertiggestellte Approbationsordnung. Mit Blick auf Gröhes Vorgänger versteht sich, dass man zu schätzen weiß, was man an Gröhe hat.
Vor der zunehmenden Digitalisierung mit entsprechender Veröffentlichung von Patientendaten warnte Engel ausdrücklich. Es dürfe nicht sein, dass Daten an Apple, IBM und Co. wanderten und Firmen wie die ERGO Direktversicherung mit Patientendaten im Netz hantierten. Und Engel, der sich am nächsten Tag erneut zur Wahl stellte, entschuldigte sich für seine harsche Wortwahl: „Dies ist Ausdruck meiner Sorge um die Freiberuflichkeit.“
Erfolgreiches Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis
Das erfolgreiche Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis lobte die scheidende Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke. Sie nannte dazu als Beispiele die erfolgreichen Ergebnisse der DMS V und die jüngst mit dem Miller-Preis ausgezeichnete Arbeit der PD Dr Amelie Bäumer, die eine Langzeitstudie zur Behandlung der aggressiven Parodontitis vorgelegt hatte. Kahl-Nieke sieht die im selbst gegebenen Leitbild der Zahnärzte beschriebene ethisch reflektierte, empathische Behandlung der Patienten durch die Zahnärzte weitestgehend umgesetzt. Die neu vorgelegte zahnärztliche Approbationsordnung nennt sie eine Chance, die bei entsprechender Ausstattung der Hochschulen auch zu Erfolgen führen könne.
Mit dem Ende des Zahnärztetags in Berlin tritt Prof. Dr. Michael Walter die Nachfolge Kahl-Niekes an. Dies stand bereits mit seiner Wahl als „Elect“ vor drei Jahren fest. Seit 1994 ist Walter Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden. Neu gewählt wurde als „President Elect“ der DGZMK Prof. Dr. Roland Frankenberger, Direktor der Abteilung für Zahnerhaltungskunde an der Philipps-Universität Marburg sowie Geschäftsführender Direktor der Zahnklinik Marburg. Er wird sein Amt Ende 2019 antreten.
Zahnärztliche Selbstverwaltung “bestens aufgestellt”
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer, nannte die zahnärztliche Selbstverwaltung „bestens aufgestellt“. Das hätten neben der DMS V die Erfolge der präventionsorientierten Versorgung, des Festzuschuss-Systems sowie der Behinderten- und Altersversorgung gezeigt. Das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz habe trotz der Abmilderung mancher Punkte aus dem Referentenentwurf noch immer einigen Änderungsbedarf. So seien die Pflicht zur namentlichen Abstimmung und der Verlust der Haushaltshoheit nicht hinnehmbar. Eßer: „Ich habe Sorge um den Erhalt der Selbstverwaltung.“
In seiner Festrede versicherte Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht und vormals Ministerpräsident des Saarlands, den Zahnärzten, dass sowohl die Verfassung wie das Staatsrecht sehr wohl Argumente für ein Festhalten an der Freiberuflichkeit bereithielten. Zum einen erfüllten die Freiberufler Gemeinwohlbelange, zum anderen erfüllten sie diese auf Basis eines Vertrauensverhältnisses, das die wichtigsten Bedarfe der Menschen erfülle. Eine Kommerzialisierung könne das Allgemeinwohl nicht gewährleisten. Müller: „Ich glaube, aus staats- und verfassungsrechtlicher Sicht hat die Freiberuflichkeit gute Karten.“
Abschließend wurde Dr. Norbert Grosse für seine Verdienste um die Akademie Praxis und Wissenschaft (APW) zum Ehrenmitglied der DGZMK ernannt, und Dr. Frank Dreihaupt, Sachsen-Anhalt, Zahnarzt Michael Schwarz, Bayern, und Dr. Wolfgang Doneus, Oberösterreich, erhielten die Goldene Ehrennadel der BZÄK.