Forum Wissenschaft und Praxis beim Gemeinschaftskongress von DGI, ÖGI und SGI in Wien

Querschnittsfach Implantologie: Umgang mit Risikofaktoren

Welche Risikofaktoren beeinflussen die zahnmedizinische Behandlung? Darum drehten sich die Vorträge und Diskussionen im Forum Praxis und Wissenschaft. Die Referenten – Mediziner und Zahnmediziner - lieferten konkrete Tipps für die Praxis.



Ungewöhnlich, aber gewollt: Nicht Implantologen, sondern Internisten eröffneten am Donnerstag das Hauptprogramm der 7. Gemeinschaftstagung von DGI, ÖGI und SGI in Wien. Prof. Dr. Gerald Seinost, Wien, und PD Dr. Gernot Wimmer, Stainz, beleuchteten den Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und der Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen. Als etablierte kardiovaskuläre Risikofaktoren nannten sie unter anderem das Rauchen, Lipide, erhöhten Blutdruck, Diabetes und Adipositas. Da die Inzidenz beider Erkrankungen hoch und die Kosten für das Gesundheitssystem enorm seien, halten beide therapeutische Möglichkeiten zur Risikominderung für einen „echten Public Health Benefit“. Eine Verbesserung der endothelialen Dysfunktion sowie Marker der Inflammation durch eine entsprechende Parodontaltherapie seien belegt, unterstrich Seinost. Ob sich aber Herzinfarkte durch PA-Therapien vermeiden ließen, sei fraglich.

Auch rheumatische Erkrankungen gelten als Risikofaktor für orale, bakteriell bedingte Entzündungen. Diesem Thema widmete sich PD Dr. Nicole Pischon von der Abteilung Parodontologie und Synoptische Zahnmedizin, Berlin.Rheumatische Erkrankungen, etwa die rheumatoide Arthritis (RA), könnten das PA-Risiko nachweislich um das 1,8- bis 8-fache erhöhen, berichtete sie. Eine PA-Therapie verbessere die RA-Erkrankungsparameter deutlich, umgekehrt mindere die RA-Medikation auch das PA-Risiko. Die RA-Ätiologie sei nach wie vor unklar, führte sie aus. Infektionen spielten eine Rolle, eine dysregulierte Immunität, aber man diskutiere auch über Gewebeschädigungen durch bakterielle Virulenzfaktoren. Die PA-Therapie dürfe erst rund zwei Wochen nach der letzten RA-Medikation erfolgen: Ihr Tipp für die Praxis lautet deshalb: RA-Erkrankung und Medikation sollten im Anamnesebogens abgeklärt werden, auch ein RA-Schnelltest könne helfen.

Parodontitis und Diabetes

Prof. Dr. Thomas Kocher, Greifswald, widmet sich seit Jahren speziell der Wechselwirkung von Parodontitis und Diabetes. Bei gut eingestellten Diabetikern hält eine Implantatversorgung für unproblematisch. Das gelte aber nicht für schlecht eingestellte bzw. gar nicht eingestellte Patienten. Viele wüssten gar nicht, dass sie Diabetes haben, stellte er heraus. Um Diabetes ganz zu vermeiden, regte Kocher eine „breiter aufgestellte“ Prävention an. Patienten müssten mehr als bisher von der Notwendigkeit körperlicher Aktivität überzeugt werden. Gelinge das, ließen sich viele Erkrankungen vermeiden.
Weiter ging es mit den Risikofaktoren Weichgewebe, Funktion, Prothetik und Alter. Referent Dr. Rino Burkhardt, Zürich, sieht das Weichgebe selbst allerdings gar nicht als Risikofaktor, eher den Behandler. A und O des Weichgewebsmanagement seien manuelles Geschick und das nötige Know-how (formales Wissen müsse in die Entscheidungsfindung einfließen“). So misslinge eine Rezessionsdeckung mit einem zu dicken und schlecht positionierten Lappen.
Prof. Dr. Walther Wegscheider, Graz, widmete sich funktionsdiagnostischen Fragestellungen. Man müsse wissen, was sich präimplantorisch tue, bevor man implantiere, betonte er. Mit einem modifizierten 9-Fragen-Test nach Krogh-Poulsen (ein Screening-Test für kraniomandibuläre Dysfunktionen) ließe sich einfach abklären, ob bei dem Patienten funktionsdiagnostischer Behandlungsbedarf bestehe oder nicht.

Risikofaktor Implantatprothetik

Ohne richtiges Konzept drohen hier schwerwiegende Folgen für den Gesamtverlauf der Implantattherapie und das stomatognathe System des Patienten. Davor warnte Prof. Dr. Stefan Wolfart, Aachen. Es wies unter anderem auf die Probleme einer „unzureichenden Interimsversorgung“ hin, die eine häufig unterschätzte Gefahr für die Osseointegration der Implantate und die Weich- bzw. Hartgewebsaugmentation darstelle. Definitiver Zahnersatz könne bezüglich der Implantatanzahl, des Implantat-Kronen-Längen-Verhältnisses, der Verankerung der Restaurationen und des Okklusionkonzeptes unzureichend geplant bzw. hergestellt worden sein. Unbedingt müsse der Patient in die gesamte Therapieplanung (Kosten, Funktion, Ästhetik) miteinbezogen werden, unterstrich er. Nicht jeder wünsche sich die Topversorgung, sondern sei durchaus mit weniger ästhetischen Lösungen glücklicher, wie er anhand unterschiedlicher Fallbeispiele demonstrierte.