Neuer Wirkstoff gegen Parodontitis?
Mehr als die Hälfte der Deutschen wird im Leben mal an einer Parodontitis leiden. Die Volkskrankheit wird momentan auch mit Breitband-Antibiotika behandelt. Doch ein neuer Ansatz von Forschern der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kann diesen Einsatz womöglich überflüssig machen.
Breitband-Antibiotika sind momentan häufig im Einsatz zur Behandlung der Parodontitis. Doch diese bekämpfen alle Bakterien im Mund, auch die nützlichen. Zudem kann der Einsatz von Antibiotika einfacher Resistenzen im Mund verursachen. Daher suchten Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) nun nach einem neuen Wirkstoff gegen die Parodontitis. Eine bessere Behandlung der Volkskrankheit ist nicht nur für die Mundhygiene wichtig. Viele systemische Erkrankungen stehen in Verbindung mit der Parodontitis.
Störung schädlicher Bakterien
Um nur die schädlichen Bakterien zu eliminieren, entwickelten die Forscher eine neue Substanz. Diese greift ein bestimmtes Enzym in den Bakterien an: die Glutaminylzyklase. Dieses Enzym spielt für den Stoffwechsel der Bakterien eine besondere Rolle. Im Idealfall kann durch den Wirkstoff zur Störung der Glutaminylzyklase keine Parodontitis mehr im Mundraum entstehen.
Tests mit der neuen Substanz in der Schweiz, Polen und den USA zeigten, dass der neue Wirkstoff tatsächlich das Wachstum der für Parodontitis verantwortlichen Bakterien unterdrückt. Das Besondere daran ist, dass nur die schädlichen Bakterien gestört werden und die harmlosen oder nützlichen Bakterien bestehen bleiben.
Spezifischer Wirkstoff gegen Parodontitis
Von dem Enzym gibt es zwei Varianten, eine für Pflanzen und Bakterien und eine für Säugetiere übliche. Sie sind sich zwar in der Funktionsweise ähnlich, unterscheiden sich jedoch stark in der Struktur. Die Forscher geben den Vergleich von Schlitz- und Kreuzschlitz-Schraubenziehern zur Verdeutlichung an. Da die Bakterien, die eine Parodontitis auslösen, die Säugetier-Variante des Enzyms besitzen, können durch den neuen Ansatz besser die pathogenen Bakterien angegriffen werden.
Auch bei den menschlichen Enzymen sollte der neue Wirkstoff keine Probleme bereiten. Hier untersuchten die Forscher bereits im Voraus, dass die Unterschiede zwischen den Bakterien-Enzymen und der eigentlichen Säugetier-Variante des Enzyms groß genug sind. Nach dem derzeitigen Forschungsstand sei nur mit minimalen Nebenwirkungen zu rechnen. In weiteren Studien soll der Wirkstoff gegen die Parodontitis nun verfeinert und in klinischen Studien überprüft werden.
Quelle: Taudte N et al.: Mammalian-like type II glutaminyl cyclases in Porphyromonas gingivalis and other oral pathogenic bacteria as targets for treatment of periodontitis. Journal of Biological Chemistry (2021). Doi: 10.1016/j.jbc.2021.100263