Start mit Informationsdefizit und technischen Problemen

MFAs und ZFAs ziehen erste Bilanz zur ePA


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Die Vorteile der elektronischen Patientenakte liegen klar auf der Hand: Schnellere Einsicht in Befunde und Medikationspläne, Abstimmung der Medikation, weniger Doppeluntersuchungen, effizientere Kommunikation zwischen den Leistungserbringenden und bessere Datenverfügbarkeit, die im Notfall Leben retten kann – so weit die Theorie.

In der Anwendung scheint es noch einigen Nachbesserungsbedarf zu geben. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des PKV Instituts unter 276 MFAs und 90 ZFAs.

Mit dem bundesweiten Roll-out der elektronischen Patientenakte Ende April dieses Jahres sollte die ePA flächendeckend für Arzt- und Zahnarztpraxen verfügbar sein. Ab 1. Oktober 2025 sollen Praxen bundesweit zur Nutzung der ePA verpflichtet werden. Bis dahin sind laut aktueller Umfrage des führenden Weiterbildungsanbieters für MFAs, ZFAs und andere Praxismitarbeitende noch Nachbesserungen nötig: Nur 7 % der Befragten bewerten die Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit der ePA als „sehr gut“, immerhin 25 % als „gut“.

Die große Mehrheit hingegen bezeichnet das neue Tool als „verbesserungswürdig (47,9 %), „mangelhaft“ (11 %) oder schlichtweg „schlecht“ (8,4 %). Rund 40 % der Befragten haben bereits mit der ePA gearbeitet. Von denjenigen Befragten, die die ePA bereits nutzen, geben wiederum 52,6 % an, dies täglich bzw. mehrfach täglich zu tun. Mehr als 60 % der Praxen nutzen die ePA aktuell noch nicht: 37,8 % beantworten die Frage mit Nein, nur 22,5 % geben an, die Einführung der ePA zu planen. „Die ePA hat ein Akzeptanzproblem“, sagt MFA und Praxismanagerin Julia Otto.

Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit
Begründet wird die momentan eher kritische Wahrnehmung der ePA unter anderem mit dem Aufwand beim Befüllen, umständlichen Prozessen, unpraktischer Bedienung mit zu vielen Klicks, unvollständigen Akten, instabilem Datenabruf und zu hohem Zeitaufwand bei gleichzeitigem Personalmangel in der Praxis. Auch die Regelungen zur Vergütung der Befüllung der ePA werden kritisiert.

Der Zugriff auf die ePA sei manchmal nicht möglich, teilweise seien Versichertenkarten trotz Einwilligung der Patienten nicht für die ePA freigeschaltet. Viele Praxen hatten einen schlechten Start mit der ePA: 47,6 % berichten von Problemen mit Software und Technik, 48,9 % beklagen fehlende Schulung und Anleitung fürs Praxisteam. 46,3 % beklagen, dass die ePA momentan noch zu viel Zeit kostet. Nur 1,7 % gaben an, keine Probleme zu haben.


 

Patienten schlecht informiert und sehen keine Vorteile
Nur 12,5 % der Befragten beschreiben die Einstellung ihrer Patienten zur ePA als mehrheitlich positiv und interessiert, knapp ein Drittel (32,5 %) als mehrheitlich neutral. 43,4 % erleben ihren Patientenstamm als mehrheitlich zurückhaltend oder skeptisch. Nur 11,7 % der Befragten beobachten sogar eine überwiegend explizite Ablehnung der ePA in der Praxis.

Wenn Patienten die ePA grundsätzlich ablehnen, hängt dies laut Umfrage in den meisten Fällen (37,5 %) mit Datenschutzbedenken zusammen. Auch 28,8 % der Praxen selbst haben Datenschutzbedenken in Bezug auf die ePA. Für Patienten sei es kompliziert, die Daten selbst einzusehen und zu steuern, wer welche Informationen einsehen kann. Ähnlich viele Patienten (31,5 %) nennen jedoch nicht den Datenschutz als Hindernis, sondern fühlen sich schlichtweg unzureichend über die ePA informiert.

23,9 % sehen keinen Vorteil für sich in der elektronischen Patientenakte. Manche Patienten fühlten sich zudem durch die Widerspruchsregelung übergangen. Von mehrheitlich gut informierten Patienten berichten nur 6,7 % der Befragten. 17 % der Befragten werden in der Praxis aktiv um Informationen und Beratung zum Thema ePA gebeten. „Die Patienten müssen besser von Seiten der Krankenkassen informiert werden“, schreibt eine befragte MFA und ergänzt: „Das kann nicht auch noch auf uns abgewälzt werden.“

Es sei ein klassisches Muster bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen, dass die Aufklärung der Patienten letztlich an den Praxisteams hängen bleibe, erklärt Julia Otto: „Digitale Tools werden oftmals lange, bevor sie ausgereift sind, flächendeckend eingeführt. Uns kostet das sehr viel Zeit und Nerven. Wir sollten aber mehr auf die Chancen der Digitalisierung schauen statt auf ihre anfänglichen Tücken, neugierig und offen für Veränderung sein. Diese positive Haltung versuchen wir, auch unseren Patientinnen und Patienten zu vermitteln.“

Als Vorteile der ePA nennen MFAs und ZFAs die potenzielle Zeitersparnis, bessere Vernetzung von Leistungserbringern, erleichterte Anamnese, Vermeidung doppelter Untersuchungen und eine verbesserte Gesundheitsversorgung. Mehr Sicherheit für Patienten, Praxen, Krankenhäuser und Rettungsdienste, indem Informationen zu Grunderkrankungen, vorliegenden Diagnosen, Allergien und andere relevante Daten auch im Notfall schnell verfügbar sind, ist ein weiterer Vorteil, den Praxisteams in der ePA sehen.

ePA als Chance für verbesserte Gesundheitsversorgung
MFAs und ZFAs wünschen sich, dass Patienten besser über Anwendung und Vorteile der ePA aufgeklärt werden, etwa mit Aufstellern oder Informationsbroschüren. Praxisteams selbst wünschen sich ebenso, besser geschult und informiert zu werden, nicht zuletzt über laufende Änderungen. In der Anwendung wünschen sie sich ein leichteres bzw. automatisches Einfügen von Befunden, Laborwerten und Medikationsplänen, verbesserte Möglichkeiten der Sortierung und Kategorisierung und eine verbesserte Schnittstelle zwischen ePA und Praxissoftware.

„Die meisten Praxisinhaberinnen und -inhaber sehen die ePA durchaus als Chance, und auch die Teams ziehen mit“, sagt Julia Otto. Sie erläutert weiter: „Ihnen fehlen nur oft die nötigen Ressourcen. Mehr Zeit zum Einarbeiten, verlässlichere Technik und vor allem praktische Unterstützung würden vieles leichter machen.“ Praxisteams rät sie, jetzt aktiv zu werden: „Wer die etwas ruhigeren Sommermonate nutzt, um Erfahrungen zu sammeln und Arbeitsabläufe zu optimieren, kann die ePA im Oktober als Segen erleben.“ Auch im Honorar für die Erstbefüllung der ePA sieht Otto, die auch Abrechnungsexpertin ist, einen Vorteil für Praxen, die in Sachen ePA vorangehen. Allen Anlaufschwierigkeiten zum Trotz wirbt Julia Ottos Praxisteam bei Patienten für Akzeptanz ihres persönlichen digitalen ‚Gesundheitsordners‘: „Auf lange Sicht kann die elektronische Patientenakte Hausarzt-, Zahnarzt- und Facharztpraxen eine noch nicht dagewesene Vernetzung und ganzheitliche Patientenversorgung ermöglichen.“

Mit Blick auf das angestrebte Primärarztsystem und hausarztzentrierte Versorgungskonzept sieht sie vor allem allgemeinärztliche, aber auch Facharzt- und Zahnarztpraxen gefragt, die ePA aktiv mitzugestalten. „Die ePA hat großes Potenzial – aber nur, wenn alle mitziehen“, sagt Otto, und: „Die Praxen spielen eine wichtige Rolle, doch die Verantwortung liegt nicht allein bei uns im ambulanten Bereich.“ Die Rückmeldungen aus den Praxen seien eindeutig: Es brauche mehr Struktur, gezielte Unterstützung – und deutlich weniger Komplexität. Auch Systemhersteller und die Gematik seien in der Pflicht, sagt Otto: „Wir brauchen weniger Klicks, klarere Prozesse und vor allem stabile Technik, die im stressigen Praxisalltag zuverlässig funktioniert.“

Besonders in der Pflicht sieht Otto auch die Krankenkassen und den öffentlichen Gesundheitsdienst: „Viele der Befragten berichten, dass ihre Patientinnen und Patienten kaum über die ePA informiert sind. Kein Wunder, dass Datenschutzbedenken und Unwissen zu Ablehnung führen.“ Damit sich die ePA wirklich durchsetzt, brauche es laut Otto eine breit angelegte Aufklärung: „Die Krankenkassen müssen besser, verständlicher und präsenter informieren – über Fernsehen, soziale Medien, Zeitungen und vor Ort in den Kommunen. Nur wenn Information, Technik und Praxisanwendung Hand in Hand gehen, kann die ePA für alle ein Erfolg werden.“

Quelle: PKV-Institut