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Intraoralscan: Komplett delegierbar?

Wer den digitalen Scan nicht delegiert, verschenkt Geld, heißt es. Doch was darf man delegieren? Alles? Lediglich die Situationsabformung? Oder doch die Präzisionsabformung? Wer entscheidet das? Das DENTAL MAGAZIN fragte Kenner der Materie.


Adamzik,


Delegieren kann und darf man das Scannen nahezu komplett, vorausgesetzt der Zahnarzt ist anwesend und kontrolliert anschließend. Diese Ansicht vertritt Dr. Andreas Adamzik, Referent für Laserzahnheilkunde und digitalen Workflow. In seinen Praxen in Dorsten und Gelsenkirchen geht er auch entsprechend vor: „Ich delegiere diese Leistung, da das Scanning eine Aneinanderreihung von Einzelfotos ist und somit keinen Eingriff am Patienten darstellt. Und Fotos dürfen die Mädels machen.“ Nach dem optischen Abdruck kontrolliere er selbstverständlich selbst die Qualität des Scans. Das sei auch überhaupt nicht aufwendig, denn dazu ständen verschiedene Analysetools bereit.

Noch herrscht Unsicherheit

Denn offizielle Äußerungen von Kammer- oder von Fachgesellschaftsseite scheinen zu fehlen. Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer und Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, sind sie jedenfalls nicht bekannt.
Seine Einschätzung lautet: Es besteht kein Unterschied zwischen einer konventionellen und einer digitalen Abformung, so dass hier das Zahnheilkundegesetz (§ 1, Absatz 5) gültig bleibt. Konsequenz: Situationsabformung, z. B. Gegenbiss: delegierbar, Abformungen mit Zahnpräparationen: nicht delegierbar. Eine Analogie zum Foto sieht Benz nicht. Auf der Basis von Fotos würden schließlich keine zahntechnischen Leistungen angefertigt, begründet er.

Wöstmann: Optimal delegierbar

Abformspezialist Prof. Dr. Bernd Wöstmann hält dagegen das Scannen auch präparierter Zähne für „optimal delegierbar“ und erkennt wie Adamzik durchaus Parallelen zum Foto. „Alle Scanner arbeiten optisch, entweder generieren sie in mehr oder weniger schneller Folge Einzelbilder oder ein Video.“ Allein der digitale Charakter des Scannens spreche bereits fürs Delegieren, meint er. „Wenn man alles auf dem Bildschirm sehen kann, darf man in der Regel auch davon ausgehen, dass die Reproduktion fehlerfrei gelungen ist.“ Und: Die typischen, nicht zu erkennenden Fehler der konventionellen Abformung, die durch falsche Handhabung entstehen könnten und deshalb die konventionelle Abformung zu einer ärztlichen Aufgabe machten, bei der lediglich vorbereitende Maßnahmen delegiert werden sollten, „gibt es bei der digitalen Abformung nicht“. Selbstverständlich müsse der Scan am Ende vom Zahnarzt kontrolliert werden, betont auch er. „Doch das versteht sich von selbst, da er ja auch für die Restauration verantwortlich ist.“
Dr. Wilhelm Schneider, Vice President Sales Marketing bei Sirona, kann „vor der Präparation“ jedenfalls gar keinen Grund sehen, warum eine „Helferin nicht einen Ober- oder Unterkiefer aufnehmen kann“. Gerade die ZFAs liebten das fließende Aufnahmeverfahren, weiß er. Dazu komme: „Wer nicht delegiert, verschenkt einfach Geld.“ Die Grenzen des Delegierens sieht er in den rechtlichen Bestimmungen, die in den meisten europäischen Ländern ausschlössen, dass eine Helferin den präparierten Zahn ohne Aufsicht abformt.

Hersteller mahnen zur Vorsicht

Dr. Gerhard Kultermann, General Manager Global Scientific Marketing 3M Espe Dental Products, ist noch vorsichtiger. Er empfiehlt im Zweifel, lieber den beabsichtigten Delega‧tionsumfang mit der zuständigen Zahnärztekammer abzustimmen, und regt die Zahnärzte an, die qualifizierte Ausbildung des Fachpersonals sowie den konkret angeordneten Arbeitsablauf zu dokumentieren. Darüber hinaus weist er auf systembedingte Unterschiede im Prozessablauf mit unterschiedlichen Zielsetzungen der digitalen Abformung hin. So würden teilweise die Daten direkt zur Herstellung von CAD/CAM-gefertigten Restaurationen genutzt, teilweise erfolge aber zunächst die Herstellung eines Situations- oder Meistermodells. Bei den von 3M am Markt vertriebenen Systemen (3M True Definition Scanner) könnten etwa präparierte Zahnstümpfe, restlicher Zahnbogen und Gegenkiefer nacheinander abgescannt werden. Der Zahnarzt habe jederzeit die Möglichkeit der umfassenden Qualitätskontrolle und nachträglicher Korrektur ohne Mehrbelastung des Patienten. Ein Teil der digitalen Abformung wäre demnach eher analog zu dem Ablauf einer Situationsabformung einzustufen und dürfte damit auch delegierbar sein. Daher wäre unter Berücksichtigung geltender Regelungen durchaus folgende Arbeitsteilung in der Zahnarztpraxis denkbar:

  • Zahnarzt scannt die präparierten Zahnstümpfe.
  • Fachpersonal scannt Restzahnbogen und Gegenkiefer (analog Situationsabformung).
  • Abschließende Kontrolle und Korrektur durch den Zahnarzt

 Der Vorstand der BZÄK hat am 16. September 2009 den novellierten Delegationsrahmen für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) beschlossen. Die Entscheidungsfreiheit und die Verantwortung des Zahnarztes im Umgang mit seinem Assistenzpersonal wurden so weiter gestärkt. Fakt ist: „Die Herstellung von Situationsabdrücken für die Anfertigung von Situationsmodellen ist im Delegationsrahmen der Bundeszahnärztekammer aufgeführt, nicht aber Präzisionsabformungen“, sagt Dr. Sebastian Ziller, Leiter Abteilung Präven‧tion und Gesundheitsförderung bei der Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Entspreche die digitale Abformung einer konventionellen Situationsabformung (KfO, Gegenkiefer), gebe es keinen Unterschied zwischen beiden Verfahren, so dass hier auch der digitale Scan delegiert werden dürfe. Das gelte aber nicht bei Präzisionsabformungen, betont er im Gegensatz zu Wöstmann.
Berücksichtigt werden müssten grundsätzlich immer die Voraussetzungen der Delegation von Leistungen, u. a.

  • die Anwesenheit des Zahnarztes in der Praxis, nicht im Behandlungszimmer,
  • die konkreten Anweisungen im Einzelfall und 
  • die Kontrolle der in Delegation erbrachten Leistung.

Ziller: „Teilleistungen innerhalb der Gesamttherapie können vom Zahnarzt delegiert werden. Der Zahnarzt stellt die Diagnose, legt die Therapie fest, delegiert Teilleistungen nach Anweisung, kontrolliert die Delegation und hat die Aufsichtspflicht über die dafür qualifizierte ZFA.“ Kurz: Der Zahnarzt selbst lege die Teilleistungen fest, die an die ZFA delegiert werden. Denn er hafte schließlich auch bei möglichen Fehlern der Assistenz. Deshalb empfehle sich eine objektive Qualifikation über Fortbildungen in dem Bereich, der teilweise delegiert werden soll. Während die BZÄK den Delegationsrahmen zur Kommentierung des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) erarbeitet hat, haben einige Kammern die delegierbaren Leistungen nach ZHG den Qualifikationsstufen beispielhaft zur Orientierung konkret zugeordnet, so etwa die Landeszahnärztekammern Baden-Württemberg, Brandenburg und Hessen.

BZÄK-Auslegung nicht nachvollziehbar?

Wöstmann und Adamzik können die Auslegung der BZÄK nicht nachvollziehen. „Die Durchführung von Röntgenaufnahmen wird selbstverständlich delegiert, niemand zweifelt die Delegierbarkeit an. Warum eigentlich nicht?“, fragt Wöstmann, die Antwort liefert er selbst: „Der Arzt kann ERKENNEN, ob in dem von ihm delegierten Prozess Fehler gemacht wurden. Und das ist in meinen Augen das Entscheidende der Delegierbarkeit. Wenn Fehler klar erkennbar sind, kann man sie anschließend korrigieren.
Sind sie es dagegen nicht und gibt es insbesondere in den zugehörigen Behandlungsphasen viele Fehlermöglichkeiten (konventionelle Abformung), so ist es eben ärztliche Aufgabe, das komplett selbst zu machen und die Kontrolle zu behalten. Die digitale Abformung entspricht aber von ihrer Natur her der Röntgenaufnahme.“