“Gratiszahnspange” in Österreich in der Kritik
Der Verband Österreichischer Kieferorthopäden kritisiert die „Gratiszahnspange“, die im Sommer 2015 in Österreich eingeführt wird. Von einer sozialen Staffelung der Kassenleistung hätten mehr Patienten profitiert.
Ab 1. Juli 2015 sollen schwere Zahn- und Kieferfehlstellungen (Stufe 4 und 5 nach der IOTN-Skala für den kieferorthopädischen Behandlungsbedarf) für Kinder und Jugendliche bis Vollendung des 18. Lebensjahres als Kassenleistung finanziert werden. Unter dem Schlagwort “Gratiszahnspange” ist die Neueinführung in Österreich bekannt geworden.
Der Verband Österreichischer Kieferorthopäden (VÖK) hat einige Kritikpunkte an der Maßnahme, von der Kinder und Jugendliche mit erheblichen Zahnfehlstellungen profitieren.
Das kritisiert der Verband an der “Gratiszahnspange”
- 180 Kassenverträge werden in ganz Österreich vergeben. Darüber hinaus gilt weiterhin das Wahlarztprinzip. Die Rückerstattung für Privatrechnungen wird mit 80 Prozent des Kassentarifs drei Mal so hoch sein wie bisher.
- Die eigentlichen kieferorthopädischen Fachleute wurden nur im Vorfeld der Verhandlungen einbezogen. Die Verhandlung des detaillierten Vertragsinhaltes erfolgte ohne Einbindung von Vertretern der Kieferorthopädie.
- Der Bund stellt mit 80 Millionen Euro ein fixes Budget zur Verfügung – unabhängig davon, wie viele PatientInnen die Behandlung in Anspruch nehmen werden. Begeben sich mehr PatientInnen als von den Verhandlungspartnern kalkuliert in Behandlung, steht ab 2017 weniger Geld pro PatientIn zur Verfügung.
- Die Leistung erfolgt nur nach medizinischen Kriterien. IOTN 4 und 5 betrifft rund 30 Prozent der Kieferfehlstellungen. Die größte Gruppe mit weiteren rund 30 Prozent seien IOTN 3-Fälle, die zum Teil ebenfalls erhebliche Fehlstellungen aufweisen.
“Eine soziale Staffelung würde ermöglichen, dass auch diese Gruppe profitieren kann“, erklärt VÖK-Präsident DDr. Martin Brock. “Damit könnten bis zu 60 Prozent anstatt der jetzt maximal möglichen 30 Prozent versorgt werden. Wir bedauern, dass die Politik den VÖK-Vorschlag einer Bezuschussung mit Staffelung nach medizinischen und sozialen Kriterien nicht aufgegriffen hat.”
Fachzahnarzt für Kieferorthopädie: Keine staatliche Anerkennung
„Durch das vom Nationalrat im März 2014 verabschiedete Gesetz waren alle Beteiligten gezwungen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen“, sagt DDr. Silvia M. Silli, Generalsekretärin des Verbandes Österreichischer Kieferorthopäden. „Denn es wurde ein Vertrag für ein zahnmedizinisches Spezialgebiet abgeschlossen, das in Österreich bislang offiziell noch immer nicht anerkannt ist.“ Österreich sei neben Spanien das letzte Land Europas, in dem es keine staatliche Anerkennung der Ausbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie gibt.
Der VÖK wurde 1998 gegründet und hat mehr als 300 Mitglieder.