„Erhalte Deinen Zahn“ Motto der 1. Gemeinschaftstagung
Die erste gemeinsame Tagung der endodontisch orientierten Fachgesellschaften DGZ, DGET sowie DGPZM und DGR²Z in Marburg darf als voller Erfolg bezeichnet werden: Das Programm „Erhalte Deinen Zahn“ verfolgten mehr als 450 Teilnehmer.
Zusammengestellt hatten dies Prof. Dr. Roland Frankenberger, Marburg, und PD Dr. Christian Gernhardt, Halle/Saale. Zur Eröffnung betonte Dr. Wolfgang Klenner, Vizepräsident der hessischen Landeszahnärztekammer, dass die Zahnerhaltung „das zentrale Motto unseres Berufes“ sei. Und der noch amtierende DGZMK-Präsident Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake sah in dem Programm den Beweis dafür, „wie restaurativ die ,Klümpchen-Zahnheilkunde´ geworden ist.“ Das Vortragsangebot war so vielfältig, dass erstmals bei einer DGZ-Tagung mehrere Podien gleichzeitig angeboten wurden.
Apikale Wurzelaufbereitung
Den bemerkenswerten Auftakt gestaltete Dr. Carsten Appel, Bonn, mit seinem Vortrag zur apikalen Wurzelkanalaufbereitung („Konflikt zwischen Tradition, Wissenschaft und Industrie“). In seinem Beitrag, der aktuelle Studienerkenntnisse nutzte, befasst sich Appel mit dem Anspruch, wie Mikroorganismen, Gewebsrest und Debris möglichst vollständig aus dem Kanal eliminiert werden können. Dabei verwies Appel auf teilweise große uninstrumentierte Bereiche unabhängig vom verwendeten Instrumentensystem. Zwar seien bessere Ergebnisse mit SAF nachgewiesen, dennoch blieben immer noch durchschnittlich 28,8 Prozent uninstrumentiert. Ein weiteres Ergebnis seiner Analyse: Der Einfluss der Kanalgeometrie ist größer als der des jeweils verwendeten Instrumententyps.
Dass in den jeweiligen Untersuchungen Feilen gleicher Größen verglichen werden, hält Appel für falsch. Vielmehr müsse man fragen, welches System eine adäquate apikale Präparation mit Feilen höherer Größe ermögliche.
Die richtige Feilen-Größe
Sein Rat an die Kollegen: Zunächst mit der gewohnten Größe 25 präparieren. In den meisten Fällen sei diese Größe aber zu wenig, eine vollständig zirkumferente Bearbeitung sei so kaum zu erreichen. Appel empfiehlt, größere APS anschließend zu verwenden, mindestens in der Größe 35 oder 40. Appel sieht darin die Chance zur besseren mechanischen Reduktion von infiziertem Dentin und Biofilm, zur besseren Reduktion von Debris, für eine bessere Spülung – einschließlich PUI (ultraschallunterstützte Spülung des Wurzelkanals) und eine bessere Reinigung von Isthmen. Dabei rät er zur Verwendung von zwei bis drei Größen über der ersten auf AL klemmenden Feile. Zu bedenken sei, dass das Gefühl des „Klemmens“ nicht verlässlich sei: es könne von der ovalen Form des Kanals herrühren oder von Interferenzen im koronalen oder mittleren Drittel.
Kurzfazit: Verwendung des bevorzugten Instrumentensystems bis Größe 25 auf AL. Dann Bestimmung des apikalen Durchmessers und Festlegung einer deutlich größeren APS. Bei geraden Wurzelkanälen rät Appel zu erforderlicher apikaler Größe samt Taper mit einer passenden Feile. Bei gekrümmten Kanälen rät er zu 2%-NiTi-Feilen in balanced-force-Technik und zur Verwendung von Lightspeed-Instrumenten.
Verträglichkeit von Zahnmaterialien
Mit einem ebenso spannenden Thema befasste sich Prof. Dr. Franz-Xaver Reichl, Leiter der Abteilung Dental-Toxikologie an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der LMU München. Er stellte Erkenntnisse zur Toxikologie und Allergologie endodontischer und restaurativer Materialien vor. Der Mikrobiologe leitet das Internationale Beratungszentrum für die Verträglichkeit von Zahnmaterialien. Hier bietet Reichl Untersuchungen an, um das verträglichste Material für den Patienten zu erhalten. Das Problem sei, dass die Industrie die Inhaltsstoffe ihrer Produkte nicht preisgebe, was den Sitzungsleiter Prof. Dr. Gottfried Schmalz zu dem Hinweis an die zahnärztlichen Kollegen führte, doch Druck auf die Industrie auszuüben, um potenziell Allergien verursachende Inhaltsstoffe zu decodieren.
Diese Inhaltsstoffe, gab Reichl zu bedenken, seien nur schwer zu identifizieren. Die meisten würden zu 80 Prozent in den ersten Tagen nach Kontamination abgebaut. Reichl: „Einige Stoffe finden sich aber auch noch nach einem Jahr. Und manche zeigen sich auch erst nach einem halben Jahr.“ Um Klarheit zu bekommen, müsse man immer die chemisch reinen Einzelsubstanzen testen. Reichl: „Die reagieren immer nach spätestens drei Tagen.“ Die Ausscheidung der entsprechenden Stoffe gehe erst nach einem Jahr gegen null. Daher: Tauchen später Symptomatiken auf, so können diese nicht mehr von Substanzen stammen, die älter als ein Jahr sind.
Neue Amalgame quasi quecksilberfrei
Auch auf die Frage nach Amalgam aus dem Auditorium hatte Reichl eine klare Antwort parat: „Amalgam ist kein schlechtes Material – aus toxikologischer Sicht. Die neuen Amalgame haben quasi kein Quecksilber mehr.“
Und die Frage, ob bereits eine Testung Allergien auslösen könne, beantwortete Reichl mit einem Ja.: „Aber das ist dann ja auch gut so. Sonst hätte der Patient sie ja später bekommen.“
Zwar verfüge sein Institut über eine Datenbank mit Analyse von bis zu 70 bis 80 Prozent der Inhaltsstoffe. Allerdings dürften diese Daten noch nicht publiziert werden. Man habe auch Zemente untersucht: „Die sind auch nicht unproblematisch.“ Sie setzten zum Beispiel Eugenol frei, ebenso Aluminium. Letzteres aber in geringer Konzentration, das sei „nicht sehr problematisch“.
Und auch auf die Nachfrage nach den Nanopartikeln hatte Reichl eine klare Antwort: „Dies ist problematisch beim Schleifen von Nanokompositen. Hier werden solche Mengen aufgenommen, die die Grenzwerte erreichen.“ Alleine die Firma GC habe einen entsprechenden Hinweis auf ihren Beipackzetteln fixiert: Man rät eine bestimmte Schutzmaske beim Beschleifen dieser Komposite aufzusetzen.
Mit Blick auf die klinische Symptomatik für Allergien auf Komposite nannte Reichl vor allem als sichtbare und deutliche Symptomatik die periorale Dermatitis. Es seien aber auch offensichtlich nicht sichtbare Symptome möglich – etwa unspezifische Beschwerden wie bei psychosomatischen Patienten. Um herausfinden, ob es sich um allergische oder doch psychosomatische Beschwerden handelt, sei ein entsprechender Allergietest angeraten. Kollegen, die entsprechenden Rat suchen, bietet er die Hilfe seines Instituts an – zu erreichen unter reichl@lmu.de.