dent update Parodontologie

Erfolgreiche PA-Therapie ohne Chirurgie

Wie sich mit nichtchirurgischer PA-Therapie ungeahnte Therapieerfolge erzielen lassen, zeigten Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf, Prof. Dr. Nicole B. Arweiler und Prof. Dr. James Deschner auf der dent update-Fortbildung des Deutschen Ärzte-Verlags, die am Wochenende in Frankfurt stattfand.



Präsentiert wurden beeindruckende Fälle. Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf, Würzburg, berichtete von einer 39-jährigen Patientin. Sie litt unter Schmerzen, auch die Ästhetik sollte verbessert werden. Doch der genauere Befund erschreckte: Sondierungstiefen an 23 Zähnen von zum Teil mehr als 14 mm, fast hätte die Sonde nicht gereicht. Was tun? 23 Zähne extrahieren? Durchaus eine Option und keineswegs zu verurteilen, findet Schlagenhauf. Keinem Behandler könne hier fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden. Doch es geht auch minimalinvasiv mit Scaling and Rootplanning, systemischer Antibiotikagabe und „viel Geduld“. „Alle PA-Zähne, die nicht spontan ‚nachgehustet‘ werden, lassen wir drin“, laute das Würzburger Credo. Nur zwei Zähne mussten aufgrund von Wurzelkaries „dran glauben“. Bei sehr tiefen Taschen erziele man mit der Antibiotikagabe einen ganz enormen Attachmentgewinn. Schlagenhauf: „Früher hätten wir das als vermeintlich schädliches Granulationsgewebe wohl einfach direkt entfernt.“ Auch zehn Jahre später hatte die Patientin noch ihr Gebiss. „Wir selbst hätten bei diesem Fall niemals gedacht, dass wir ohne prothetische Versorgung auskommen könnten“, gibt er zu.

Probiotische Therapiekonzepte

Schlagenhauf führt solche Erfolge seines Teams in der PA-Therapie auch auf probiotische Therapiekonzepte zurück. Denn nicht Plaque verursache die Entzündung, sondern die Entzündung Plaque, ist er sich sicher. Aktuelle Erkenntnisse belegten, dass eine krankheitsfördernde Veränderung der Zusammensetzung der oralen Mikroflora zu Karies und Parodontitis führe. Zu den Ursachen dieser sogenannten Dysbiose zählten falsche Ernährung, Stress, Rauchen und mangelnde körperliche Aktivität.
Ziel moderner präventiver Zahnheilkunde ist für das Würzburger Team daher nicht der hundertprozentig plaquefreie Zahn, sondern die dauerhafte Etablierung einer gesundheitskompatiblen oralen Mikroflora. Die mechanische Plaquekontrolle, also Zähneputzen und SRP, sei selbstverständlich absoluter Standard. Die etablierten Therapie- und Präventionskonzepte sollten aber erweitert werden und Probiotika einbinden. Er favorisiert die Lutschtabletten PerioBalance (Sunstar) mit zwei sich ergänzenden Stämmen des Lactobacillus reuteri, die im Speichel natürlich vorkommen und durch die Bildung antimikrobiell wirksamer Stoffe (Reuterin, Reutericyclin) das Wachstum von pathogenen Bakterien hemmen. Und das sei für viele Patienten  „mit Sicherheit besser als eine antibakterielle Mundspülung“. Die Lutschtabletten (über Allergien oder Nebenwirkungen ist nichts bekannt) gibt es rezeptfrei in der Apotheke.
Derzeit laufe eine Studie in der Türkei, die untersuche, ob sich die Wirkung der antibiotischen Therapie durch Abgabe von Reuterin weiter verbessert, so Schlagenhauf. Vieles spreche dafür. Voraussichtlich werden die Ergebnisse Anfang nächsten Jahres veröffentlicht.

Chemische Biofilmentfernung

Prof. Dr. Nicole B. Arweiler, Marburg, hält die regelmäßige und möglichst vollständige Entfernung des oralen Biofilms – sowohl häuslich als auch regelmäßig professionell im Rahmen von Prophylaxe-Sitzungen – nach wie vor für die wichtigste Prophylaxestrategie für Karies, Gingivitis, Parodontitis und Periimplantitis. Diese mechanischen Maßnahmen ließen sich durch chemische Wirkstoffe sowohl häuslich als auch professionell unterstützen, erklärte sie. Chlorhexidin ist für sie das Hilfsmittel und Mittel der Wahl. Ist die systemische Antibiotikatherapie indiziert, soll sie während des Scalings und Rootplannings erfolgen. Den sogenannten „Winkelhoff-Cocktail“, eine Kombination aus Metronidazol plus Amoxicillin, gibt sie aktuell noch sieben Tage lang. Möglicherweise lässt sich die Applikationsdauer auch reduzieren, eine Studie dazu läuft derzeit in Marburg. Arweiler: Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend. Auch die photodynamische Therapie hat ihrer Ansicht ein erhebliches Potenzial. In der Implantologie sei dagegen ein effektives Biofilmmanagement ausgesprochen schwierig, da sich an den Kratzern schnell Plaque anlagere.

Systemische Erkrankungen und Parodontitis

Prof. Dr. James Deschner, Bonn, beleuchtete die Wechselwirkungen zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus, kardiovaskulären Erkrankungen, Frühgeburtlichkeit, Adipositas und rheumatoider Arthritis anhand der aktuellen Studienlage. „Ich warte darauf, dass Parodontitis auch mit Haarausfall assoziiert wird“, begann er mit einem Augenzwinkern seinen Vortrag. Denn die Interaktionen von Parodontitis mit systemischen Erkrankungen sind zahlreich und scheinen immer weiter zuzunehmen.
Bekannt ist: Parodontale Erkrankungen erhöhen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Schlaganfall und Diabetes melitus. PA-Behandlungen bewirken eine Verbesserung der Gefäßfunktion und eine Senkung des Blutzuckerspiegels bei Diabetikern. Verbessern lässt sich durch PA-Therapie auch der Frühmarker für Arteriosklerose. Ob eine PA-Therapie aber einen kardiologisch vorgeschädigten Patienten vor einem zweiten Herzinfarkt bewahren kann, ist genauso unklar wie die Frage, ob sich das Risiko für Frühgeburtlichkeit und Untergewicht durch eine PA-Therapie senken lässt. Weitgehend unerforscht ist Um Patienten besser über die Interaktionen zwischen parodontalen und systemischen Erkrankungen aufklären zu können, empfiehlt Deschner, unbedingt den Kontakt mit dem Hausarzt aufzunehmen.
auch die Kausalität zwischen Adipositas und Parodontitis.

Warum er sich ganz bewusst für einen nicht-chirugischen Fokus von dent up date in Frankfurt entschieden hat und welche Veränderungen er für mögliche, zukünftige dent update-Veranstaltungen denkbar hält, erzählt Chair Prof. Dr. Sculean im Interview.

Fortbildung für Praktiker

„Die meisten PA-Patienten können sehr gut nichtchirurgisch therapiert werden“, vertritt Prof. Dr. Anton Sculean, zusammen mit Dr. Stefanie Kretschmar, Mitglied des Junior Committees der DG PARO, Chair der dent update-Fortbildung. Er hat deshalb ganz bewusst die nichtchirurgische PA-Therapie in den Fokus gerückt. „Damit haben wir ein Thema gesetzt, das alle Praktiker anspricht.“

Mit einer Verlosung endete die Veranstaltung am Samstagabend. Den Hauptpreis, einen mikrobiologischen „PADO-Test“ des Instituts für Angewandte Immunologie IAI AG, Schweiz, im Wert von 200 Euro, gewann Dr. Peter Graf, Freiburg. Der Test des dent update-Industriepartners erkennt Parodontitis verursachende Keime und empfiehlt eine zielführende Therapie.

Schlüsselelement aller dent Update-Fortbildungen ist eine stärkere Interaktion zwischen Referenten und Auditorium. Wie gut das gelingt, zeigte sich erneut in Frankfurt. Jeder Referent stand für individuelle Fragen bereit. Die Möglichkeit nutzten die Teilnehmer während der gesamten Veranstaltung. Sie erhielten zudem hochwertige Hand-outs mit allen Vorträgen.In wenigen Tagen werden alle Vorträge für die Teilnehmer zusätzlich als Video-Casts innerhalb des Dental Online College (DOC) kostenfrei zur Verfügung stehen.