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Dragees sollen feste Zahnspangen reinigen

Forscher entwickeln ein Lutschdragee, das die Mundhygiene bei jungen Patienten mit festsitzenden Zahnspangen erheblich erleichtern soll. In diesem Jahr starten erste Untersuchungen mit Probanden. „Large Protection of Oral Health“ heißt das Forschungsprojekt des Arzneimittelherstellers bmp, bulk medicines & pharmaceuticals production GmbH und der Universitätsmedizin Greifswald.


Ein 15-jähriges Mädchen mit Multiband-Multibracket-Apparaturen: Reinigung bald per Drop? Foto: UMG/Welk


Während die losen Zahnspangen zur Reinigung herausgenommen werden können, geht dies bei Brackets bekanntermaßen nicht. Patienten mit Brackets benötigen für die Zahnhygiene nicht nur mehr Zeit, sondern auch spezielle Bürsten und Reinigungsgeräte, die in ihrer Anwendung mitunter nicht leicht zu handhaben sind.

Das Verbundforschungsprojekt „Large Protection of Oral Health“ hat sich zum Ziel gesetzt, ein „Reinigungsdragee“ zu entwickeln, das die Mundhygiene der jungen Patienten verbessern soll. „Ein spannendes Vorhaben mit einem ganz praktischen Nutzen, an dessen Ende ein marktfähiges Produkt stehen soll“, sagt  Harry Glawe, Minister beim Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern.

Das Ministerium unterstützt das Vorhaben mit einem Zuschuss aus dem Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in Höhe von 843.000 Euro. Das Projekt hat ein Gesamtvolumen von 1,1 Millionen Euro. An dem  Verbundforschungsprojekt arbeiten der Parchimer Arzneimittelhersteller bmp, bulk medicines & pharmaceuticals production GmbH und Zahnmediziner, Naturwissenschaftler und Hygieniker der Universitätsmedizin Greifswald.

Körpereigene Abwehrsysteme fördern

Ziel ist es, ein geeignetes Zahnpflegeprodukt zu entwickeln, das die in der Mundhöhle natürlich vorkommenden antimikrobiell wirksamen Enzymsysteme im Speichel unterstützt. In Form von Lutschdragees soll das körpereigene Abwehrsystem gestärkt und die Bildung eines schädlichen Biofilms schon im Vorfeld verhindert werden.

„Unsere Aufgabe besteht darin, durch grundlegende Untersuchungen die entsprechenden Inhaltsstoffe herauszufiltern und damit die Basis für ein neuartiges Zahnpflegemittel zu schaffen und dessen antibakterielle Wirksamkeit nachzuweisen“, erläuterte der Greifswalder Chemiker PD Dr. Harald Below.

Natürlich vorhandene LPO-System nutzen

Dabei wollen die Wissenschaftler das in der Mundhöhle natürlich vorhandene LPO-System nutzen. Dahinter verbirgt sich ein Enzymsystem (LPO = Lactoperoxidase), das einen antibakteriell hochwirksamen körpereigen Stoff produziert und damit für die biochemische Steuerung der Balance im Mund verantwortlich ist. Das LPO-System als Bestandteil des angeborenen Immunsystems kann schädliche Bakterien in der Schleimhaut wirksam neutralisieren.

Dieses Wirkprinzip wurde ursprünglich bereits Anfang des vorigen Jahrhunderts in der Milch entdeckt. Analoge Enzymsysteme kommen in allen Körperschleimhäuten, auch im Mund vor. Seit Anfang der 90er Jahre wird versucht, eine Reihe von Zahnpflegeproprodukten auf der Basis des LPO-Systems auf dem Markt zu etablieren, die auf ein größeres Potenzial schließen lassen. Die Neuheit der Parchim-Greifswalder Kooperation soll in seiner nachweislichen Aktivierung der Enzymtätigkeit sowie in seiner erstmaligen Einnahme als Lutschdragee liegen. Diese Form der trockenen Anwendung soll eine stabile und vorbeugende Enzymaktivität garantieren.

Erste Tests mit Lutschdragee laufen schon

bmp, bulk medicines & pharmaceuticals production, das die pharmazeutische Technologie stellt, hat bereits erste Musterrezepturen und Tablettierungen nach den Greifswalder Vorgaben getestet. „Dabei muss gewährleistet werden, dass Haltbarkeit, Reinheit, Gehalt und Identität des Wirkstoffes durch den Herstellprozess, Verpackung und Lagerung erhalten bleiben“, erklärte die bmp-Projektverantwortliche, Dr. Yvonne Jäschke.

Das Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde an der Universitätsmedizin Greifswald will in klinischen Studien die Wirksamkeit des neuen Lutschdragees nachweisen. „Noch in diesem Jahr sollen die ersten Untersuchungen mit Probanden starten“, kündigte Oberarzt PD Dr. Alexander Welk an. Hierbei werden auch die individuellen Speichelenzymsysteme in Bezug zur Zahnmundgesundheit analysiert. „Unser Anliegen ist es, mit den neuen Lutschdragees in einem ersten Schritt die Mundhygiene bei Patienten mit festsitzenden kieferorthopädischen Geräten zu unterstützen. Darüber hinaus könnten sich vielfältige weitere Anwendungsbereiche in der Medizin und Zahnmedizin ergeben.“

Infos:

www.medizin.uni-greifswald.de

www.medizin.uni-greifswald.de/hygiene/institut.html

www.bmp-production.de