Deutscher Implantologentag

Update: DGI Kongress 2021 – Vernetzt und digital

Es war das explizite Ziel der DGI, den Jahreskongress – gemeinsam mit der mitveranstaltenden DGOI – zu einem intensiven Blick über den Tellerrand des eigenen Fachs zu nutzen. Das gelang nicht nur durch die Beteiligung der DG PARO, der DGPro und der DGÄZ. Auch das Mitwirken der Wissenschaftsgesellschaft der Inneren Medizin weitete den Blick aus dem und auf das Fach.


DGI Kongress 2021

Kongresspräsident Prof. Knut A. Grötz zeigte sich „beseelt“ davon, die Teilnehmer in Präsenz in Wiesbaden begrüßen zu können. Ihm sei die Interdisziplinarität dieses Kongresses ein großes Anliegen. © Bostelmann


„Positiv beseelt“ sei er von der Tatsache, den DGI Kongress wie geplant umsetzen zu können, betonte Kongresspräsident Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz zum Auftakt. Zwar habe man die ohnehin schon strikten Hygiene-Regeln nochmals durch eine durchgängige Maskenpflicht (Ausnahme: Referenten und Nahrungsaufnahme) ausweiten müssen, inhaltlich aber gab es an den drei Tagen im RheinMain CongressCenter in Wiesbaden keinerlei Einschränkungen. Und so zählte man rund 800 Teilnehmer vor Ort und 450 digital zugeschaltete Implantologen, die das umfangreiche Programm verfolgten.

Gesundheitszustand statt Alter

Kernthemen des Kongresses waren die Ästhetik als sich entwickelndes Zukunftssegment, das zudem die Interaktivität zwischen Behandler und Patient fordert, die Alterszahnheilkunde und die Digitalisierung. PD Dr. Samir Abou-Ayash, Mitglied der Next Generation innerhalb der DGI, die erstmals in die Kongressplanung aktiv eingebunden war, sieht als wichtigen Faktor, dass nicht das Alter der entscheidende Parameter für einen Patienten darstellt, sondern der jeweilige Gesundheitszustand. Die Patienten werden mit Zähnen immer älter – und mit Krankheiten. Kongresspräsident Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas: „Wir sehen kaum mehr gesunde Patienten.“ Grötz fügte an, dass „etwa ein Drittel der Patienten über 25 Jahre, die sich in zahnärztlicher Behandlung befinden, Risikofaktoren“ tragen würden. Dabei verwies Al-Nawas zudem auf das Recht des älteren Patienten auf Behandlung mit weniger Risiken.

Smarte Implantate

Al-Nawas beschrieb zudem die Digitalisierung als künftiges Entwicklungsfeld, das sowohl den Patienten als auch den Behandlern neue Optionen für die Diagnostik und Behandlung biete. Künftig werde zum Beispiel der intelligente Badezimmerspiegel diagnostische Hilfestellung leisten: Im Atem des Patienten ließen sich klare Indikatoren für Erkrankungen erkennen und nachverfolgen. Al-Nawas: „So werden wir den Patienten anders und besser kennenlernen.“ Und: „Die digitale Planung von Behandlungen und neue keramische Werkstoffe werden der Ästhetik mehr Raum geben”, fügt Al-Nawas an. Die Digitalisierung in der deutschen Zahnmedizin sei bereits fortgeschritten, unterstrich auch Prof. Dr. Robert Sader, der die Kolleginnen und Kollegen zur Nutzung der neuen Tools im Praxisalltag ermutigte, um am Ende zu einer patientenspezifischen und individuellen Implantattherapie zu kommen. Dabei seien auch noch andere Entwicklungen in der Implantologie am Horizont sichtbar: etwa smarte Implantate, die durch Sensoren und Beschichtungen zu Diagnostika und Therapeutika aufgerüstet werden könnten.

Bereichsübergreifende Kooperationen

Die Gemeinsamkeit in der Weiterentwicklung des Fachs sieht Grötz auch durch die Tatsache bestätigt, dass aktuelle Leitlinien inzwischen das Ergebnis bereichsübergreifender Kooperationen in Zahnmedizin und Medizin darstellten. An der jüngsten unter Federführung der DGI erstellten Leitlinie etwa über Materialunverträglichkeit seien 17 Fachgesellschaften beteiligt gewesen. Die Basis für Empfehlungen werde immer breiter und damit auch immer verlässlicher.

DGI-Vorstandsmitglied Dr. Dr. Annette Strunz verwies auf den Team-Day am Samstag, der ebenso wie das übrige Programm digital aufbereitet werde und auch im Nachgang noch im Netz abruf- und verfolgbar sei: „Alle Praxisteams können das auch in den kommenden Wochen noch als Zuhause-Fortbildung nutzen.“ Themen des Team-Days sind die Einarbeitung von Mitarbeitern, eine optimale Gestaltung von Prozessen in der Praxis – hier stelle Strunz ihr eigenes Team als Beispiel vor –, das Thema Small talk mit Patienten und die Implantathygiene.

Die Endokarditis als großes Schnittthema zur Inneren Medizin bestimmte den ersten Vormittag beim DGI Kongress. Vermittelt wurde dabei von Univ.-Prof. Dr. Stefan Frantz die wesentlichen Faktoren, die der behandelnde Implantologe bei entsprechenden Patienten zu beachten habe. Die Infektionsprophylaxe stellt dabei eine zentrale Herausforderung dar, die der Implantologe in den Fokus rücken müsse.


Mehr Medizin in der Ausbildung

Wenn es zu den notwendigen Maßnahmen der Patientenbetreuung gehört, Zahnmedizin und Medizin stärker zu verknüpfen, müssten auch die jungen Kollegen stärker in medizinischen Themenfeldern ausgebildet werden. Dass dies für die Sedierung bereits umgesetzt werde, ist nach Meinung von Al-Nawas sicher gut, sei aber bei weitem noch zu wenig: „Wir haben auch zu wenige medizinische Themen in der zahnärztlichen Ausbildung – es sind nur rund 16 % in der vorgeschriebenen Ausbildung“, stellte Al-Nawas klar. Da bleibe nur die Hoffnung auf viel Elan an den Hochschulen.

Prof. Dr. Henrik Dommisch, als Vertreter der DGPARO auf diesem Kongress verwies bei der Frage nach dem richtigen Implantationszeitpunkt auf eine kurz vor der Veröffentlichung stehende Leitlinie. Allerdings gebe die nur den aktuellen Stand des Wissens wieder – es gebe nach wie vor noch großen Forschungsbedarf – vor allem im Bereich des Materials und der Grunderkrankungen der Patienten. Grötz fügte an, dass zwar Sofortimplantationen „extrem im Trend“ liegen, die Leitlinie aber zum Beispiel vorsehe, bei Patienten mit Immundefizienz keine Sofortimplantation, sondern die „klassische“ durchzuführen.

DGI Kongress –„Dauerthema“ Periimplantitis

Selbstverständlich rückte der Deutsche Implantologentag auch das Dauerthema Periimplantitis in den Fokus. Der Parodontologe Dr. Philip Leander Keeve unterstrich, dass das Implantat beim Parodontitis-Patienten als Grundvoraussetzung eine entsprechende parodontale Vorbehandlung erfordere, die sich quasi nahtlos in einer latenten Therapie mit ständiger Beachtung der potenziellen Risikofaktoren fortsetze, hier also ein nahtloses Recall-System zu implementieren sei – in der Regel lebenslang.

Auch das Thema Keramikimplantate beherrschte den DGI Kongress. Prof. Dr. Stefan Wolfart als DGPro-Vertreter begrüßte nicht nur den Schulterschluss der Fachgesellschaften, er unterstrich auch die wachsende Rolle der Keramik in der Implantologie. So sei das einteilige Keramikimplantat inzwischen über Langzeitstudien als empfehlenswerte Alternative anzusehen, während bei den zweizeitigen derzeit noch die Evidenzbasierung fehle. Hierzu betonte Grötz, dass die offensive Werbung für Keramik als Werkstoff durchaus dem Material schaden könne. Er riet dazu, solange man keine klaren wissenschaftlichen Erkenntnisse habe, solange sollte man auch dieses Material mit Vorsicht betrachten. Auch Al-Nawas riet zunächst zu einer „unemotionalen“ Faktensammlung, um dieses Thema aufzuarbeiten.

Internisten-Vortrag zu RA und Parodontitis

Am Kongresssamstag referierte die Internistin und Rheumatologin Prof. Dr. Elisabeth Märker-Herrmann über die Probleme von Patienten mit Autoimmunerkrankungen und Allergien. Sie forscht unter anderem über den Zusammenhang von Darm- und Mundschleimhaut und den dortigen Mikrobiomen.  Es gebe zahlreiche Hinweise für pathogenetische Beziehungen zwischen rheumatoider Arthritis – einer Dysbiose des Mikrobioms, bei der die bakterielle Besiedlung von Darm und Mundhöhle aus dem Gleichgewicht geraten ist – und der Parodontitis sowie Periimplantitis. Es bestehe also nachgewiesenermaßen eine Assoziation zwischen der rheumatoiden Arthritis und der Parodontitis – die Erkrankungen beeinflussen sich also wechselseitig. Märker-Herrmann: „Eine kluge Immunsuppression kann eine Periimplantitis verhindern.“

Die Vorträge des Deutschen Implantologentags sind noch bis 15. Januar in der Mediathek der DGI vorhanden.

Der neue Vorstand

Am Freitagabend des Kongresswochenendes wählten die DGI-Mitglieder einen neuen Vorstand.
Neuer DGI-Präsident ist Prof. Florian Beuer, Berlin, der bereits vor drei Jahren in dieses Amt gewählt worden war. Neuer Vizepräsident und damit Beuers Nachfolger in drei Jahren ist Dr. Christian Hammächer, niedergelassener Implantologe aus Aachen. Neu gewählt wurden als Schriftführer Prof. Dr. Stefan Wolfart, Aachen, als Schatzmeister PD Dr. Dr. Eik Schiegnitz, Mainz, und als Fortbildungsreferent Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Mainz. Im Amt bestätigt wurde Dr. Dr. Anette Strunz, Berlin, als Pressesprecherin.

DGI 2021

©Bostelmann

Update: Digital erreichbar

Der Deutsche Implantologentag, so der Titel des 35. Kongresses der Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) ist Geschichte. Nun stellt die DGI die Präsentationen sowie die Diskussionsrunden online weiterhin zur Verfügung. Viele Interessenten, so teilte die Gesellschaft mit, hätten um eine Bereitstellung der Inhalte gebeten.

Rund 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren am ersten Adventswochenende im Wiesbadener Congress Center vor Ort, 450 implantolgisch Interessierte verfolgten das Geschehen an den Bildschirmen. Im Zuge der längst um sich greifenden vierten Corona-„Welle“ war der Zuspruch überraschend groß. Nun gab die DGI bekannt, dass man sich kurzfristige entschlossen habe, die Mediathek mit den Präsentationen und Diskussionen noch bis zum 14. Januar buchbar anzubieten.

Erreicht wird die Kongress-Website unter https://www.dgi-kongress.de/. Wer einen Zugang zu den Informationen buchen möchte, kann dies tun unter: https://registration.youvivo.com/register/dn_yo_kg21_dgi