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DG PARO: Gemeinsam zum Ziel

Mehr als 1.000 Teilnehmer lockte die Jahrestagung der DG PARO am Wochenende nach Münster. „Gemeinsam zum Ziel: Interdisziplinäre, synoptische Behandlung des PARO-Patienten“ lautete das Kongressmotto.



Patienten erwarten zur Aufrechterhaltung ihrer Kaufunktion und Verbesserung der Ästhetik eine synoptische zahnmedizinische Behandlung. Mit diesen Worten eröffnete Tagungspräsident Prof. Dr. Heinz Topoll das Symposium. Nicht nur parodontologische, sondern auch kieferorthopädische, prothetische und implantologische Themen wurden diskutiert. International führende Referenten stellten ihre Behandlungskonzepte vor. Der “Blick über den Tellerrand” eröffnet neue Therapieoptionen, da waren sich die Experten einig. Besonders spannend waren die Fragen rund um die Implantattherapie bei Parodontitis-Risikopatienten: Was passiert nach der Extraktion? Welche Implantatsysteme sollen es sein? Was sind die Voraussetzungen für eine gute Langzeitprognose?

Bereits bei der Planung gelte es, die richtige Strategie zu entwickeln, erklärte Prof. Dr. Jürgen Becker, Düsseldorf. Parodontitispatienten seien deutlich häufiger von periimplantären Entzündungen betroffen als parodontal gesunde Patienten. Er rät zu weniger und kürzeren Implantaten und zur subkrestalen Insertion, vor allem beim dünnen Gingivatyp. Der festsitzende Zahnersatz müsse außerdem unbedingt abnehmbar sein (verschraubt oder Temp Bond-Zementierung), abnehmbare Versorgungen müssten “unterspülbar” sein. Auch die Reinigung und Sterilisation von Abutments zähle zum “Düsseldorfer Konzept”. Entwickele sich trotz präventiver Maßnahmen und guter Mundhygiene eine Periimplantitis, hält er chirurgische Maßnahmen für indiziert.

Zahnerhalt so lange wie möglich

„Keine Zähne, keine Bakterien“  ̶  so einfach ist es leider nicht, wie Prof. Dr. Giovanni Salvi aus Bern am Beispiel die belgischen Studie mit dem Titel “„Do periodontopathogens disappear after full-mouth tooth extraction” zeigte. Danach blieben sechs Monate nach der Extraktion und auch zwei Jahre nach der Implantatinsertion “die Bakterien Mundhöhle” (Van Assche N, Quirynen M., J Clin Periodontol 2009, 2011). Salvi plädiert für den Erhalt der natürlichen Zähne durch PA-Therapie und engmaschige Betreuung so lange wie möglich. Zur Prävalenz der Periimplantitis zitierte Salvi mehrere Studien. Diesen zufolge sind zehn Prozent der Implantate und 20 Prozent der Implantatpatienten im Zeitfenster fünf bis zehn Jahre nach der Implantation betroffen.

Platform-Switching kontraindiziert?

Prof. Dr. Markus Hürzeler aus München outete sich als klarer Gegner des Platform-Switchings. Denn der wichtigste Parameter sei das Sondieren – und das sei bei platform-geswitchtem Design nicht möglich. Auch von Socket Preservation nach der Extraktion rät er bei Parodontitispatienten ab. Das führe bei diesen oftmals zu „dickem Gewebe“, was für die Patienten „schwierig zu managen“ sei. Ein Fan ist er dagegen von kurzen Implantaten. Selbst wenn die Krone länger als das Implantat sei, funktionierten sie bestens, unterstrich er. Außerdem riet er den Teilnehmern, möglichst aufs Augmentieren zu verzichten.

Stichwort parodontale Regeneration: Was tut sich hier aktuell? Können minimalinvasive chirurgische Konzepte die Gabe von Schmelzmatrixproteinen ersetzen? Prof. Dr. Pier Paolo Cortellini, Florenz, hält das für möglich. In Münster stellte er “sein” minimalinvasiven Konzepts „M-MIST“ (modified minimally invasive surgical technique) vor und erläuterte das chirurgische Vorgehen. Die Datenlage sei aber noch schwach, erklärte er. Dr Gerd Körner, Bielefeld, präsentierte eine Literaturrecherche zu den Therapiemöglichkeiten nach der Extraktion. Erhebungen speziell zu Extraktionen bei PA-Patienten seien allerdings ausgesprochen rar. Sein Tipp für die Praxis lautet: Orientierung an perioprothetischen Konzepten. Den höchsten Stellenwert hat für ihn dabei die Hygienefähigkeit der Versorgungen. „Körner: “Ich sehe da einen Tsunami auf uns zukommen“”, warnte der Parodontologe.

Parodontitis und Allgemeinerkrankungen

Um die Wechselwirkungen zwischen Parodontitis und Allgemeinerkrankungen ging es beim CP-GABA-Symposium, das parallel zum wissenschaftlichen Programm stattfand. Im Fokus standen die Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Diabetes sowie zwischen Parodontalbehandlung und Schwangerschaft.

Prof. Dr. Thomas Kocher, Vorstandsmitglied der DG PARO, beschrieb den Einfluss einer parodontologischen Behandlung auf das Glykohämoglobin HbA1c. In Meta-Analysen habe sich eine moderate Senkung des HbA1c (-0,4 Prozent) bei Typ-2-Diabetespatienten nach nicht-chirurgischen Parodontitis-Behandlungen gezeigt. Im Gegensatz dazu ergab jedoch eine multizentrische randomisierte kontrollierte Studie aus den USA keinen Effekt der Parodontitis-Therapie auf den HbA1c. Kocher führt dies darauf zurück, dass die Teilnehmer der US-Studie nicht den typischen Patienten mit Typ-2-Diabetes entsprachen, konkret nannte er ein niedrigeres Manifestationsalter und extreme Adipositas.

Schwanger durch Parodontalbehandlung?

Dieser spannenden Fragestellung widmete sich Prof. Dr. Petra Ratka- Krüger vom Universitätsklinikum Freiburg. Einzelne Studien belegten, dass parodontal erkrankte Patientinnen längere Zeit brauchten, um schwanger zu werden als parodontal Gesunde. Aber auch Männer sollten sich vor der Familienplanung dental untersuchen lassen, sagte Ratka-Krüger. „”Eine systemische Entzündung, wie sie durch eine Parodontitis hervorgerufen wird, konnte mit einer erektilen Dysfunktion (ED) in Verbindung gebracht werde. Dagegen führte eine Parodontalbehandlung zu einer Verbesserung der ED.“”

Es handele sich um erste Studien, die nicht verallgemeinert werden könnten, räumte sie ein. Dennoch gelte: Werdende Mütter und Frauen mit Kinderwunsch sollten auch vom Zahnarzt begleitet werden. Dies schließe eine dentale und parodontale Untersuchung und, sofern notwendig, eine professionelle Zahnreinigung mit Mundhygieneunterweisung zu Beginn und zum Ende der Schwangerschaft ein. Bei bestehender Parodontitis führt man eine nicht-chirurgische Parodontalbehandlung am besten im zweiten Trimenon durch.