Aktuelle Informationen und angeregte Diskussionen

dent update: Zahnerhalt in den Mittelpunkt des Handelns stellen

Bei der zweiten dent update-Veranstaltung im Jahr 2015 standen Mitte Oktober die Themen Zahnerhaltung und Ästhetik im Mittelpunkt. Mehr als 100 Teilnehmer kamen nach Frankfurt, um sich an nur einem Tag ein umfassendes Update in ihrem Fachbereich abzuholen.



„Der endodontische Notfall“ lautete der Vortrag des ersten Redners, Dr. Christoph Zirkel. Der Bereich der Schmerzpatienten sei extrem vielschichtig, sagte der niedergelassene Zahnarzt aus Köln. „Als Endontologe ist es nicht immer eine einfache Situation, wenn Kollegen uns Schmerzpatienten überweisen.“ Echte zahnärztliche Notfälle seien die akute Pulpitis, eine akute infizierte Pulpanekrose, ein akuter periapikaler Abszess sowie ein Trauma. Zur zeitlichen Entzerrung riet Zirkel, sich spezielle Zeiten einzurichten, zum Beispiel Montagmorgen, in denen nur Schmerzpatienten behandelt werden.

Schmerzquelle identifizieren

Wenn Zähne im Hirn auf das gleiche Ganglion schalten, sei es für Patienten schwierig, den Zahn zu identifizieren, der tatsächlich schmerzt. „Wir müssen hier objektiv beurteilen, was die Ursache sein kann“, sagte Zirkel. Wenn der Schmerzort der Schmerzquelle entspreche, sei das gut, dieser optimale Fall liege allerdings leider nicht immer vor. „Wenn es sich um einen Übertragungsschmerz handelt, müssen wir den Schmerzort finden, ein Faktor kann hier Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) sein“, erklärte Zirkel. CMD sei ein Riesenthema, es gebe viele Überschneidungen. Nicht-odontogene Schmerzen machten bis zu 50 Prozent aller Schmerzen nach einer endontologischen Behandlung aus.

Ein wichtiger Hinweis sei das Nicht-Ansprechen auf die Anästhesie. Wenn der Zahn betäubt ist, der Patient aber weiter über Schmerzen klagt, handelt es sich um einen nicht-odontogenen Schmerz. Bei der „selektiven Anästhesie“ reiche ein Hub Anästhetikum und bereits nach kurzer Zeit können man überprüfen, ob der Schmerz bleibt oder verschwindet. Um „Anästhesieversager“ auszuschließen, empfahl Zirkel aufgrund der hohen Erfolgsquote die Leitungsanästhesie nach Akinosi, eine intraossäre Injektion, ein lokales Depot oder, als letzte Möglichkeit, die recht schmerzhafte intrapulpale Injektion.

Tipps für die Praxis

Die Trepanationsöffnung müsse groß genug sein, um genug sehen zu können. Bei Problemen während der endodontischen Behandlung solle man nicht immer weiter apikal aufbereiten, sondern weitere Kanäle oder Dentineinpassungen suchen und diese ebenfalls reinigen. „Eine Ultraschallaktivierung von 20 Sekunden ist ziemlich gut investierte Zeit“, sagte Zirkel. Andererseits dringe das Desinfektionsmittel nicht in alle Bereiche vor, und eine halbe Desinfektion sei ein Problem, ebenso wie Restbakterien.

Bei der Notfalltherapie riet Zirkel den Teilnehmern, immer gut zuzuhören und die Beschwerden der Patienten ernst zu nehmen sowie eine ausreichende Aufklärung durchzuführen. Neben der allgemeinen und speziellen Anamnese müsse ein aktuelles Röntgenbild angefertigt werden. Wichtig: Keine invasive Therapie bei unklarer Diagnose!

Prof. Krastl: Zahnerhalt immer im Mittelpunkt

Mit der These, dass der Zahnerhalt immer im Mittelpunkt des Handelns eines jeden Zahnarztes stehen sollte, eröffnete Prof. Dr. Gabriel Krastl seinen Vortrag „Erhalt schwer traumatisierter Zähne – die biologische Alternative zum Implantat?“ „Ich bin kein Gegner von Implantaten, ich bin dankbar, dass es sie gibt – sie sollten allerdings nie einen Zahn ersetzen, den man eigentlich erhalten kann“, sagte Krastl. Auch in Situationen mit tief zerstörten Zähnen, in denen man als Zahnarzt nicht in erster Linie an den Zahnerhalt denkt – zum Beispiel wenn nur noch ein kleiner Wurzelrest vorhanden ist und andere Therapielösungen nicht greifen – gebe es noch andere Möglichkeiten als eine Extraktion. Ein Argument gegen das frühzeitige Setzen von Implantaten: das Kieferwachstum findet noch lange statt, möglicherweise bis zum dreißigsten Lebensjahr. „Aus diesem Grund muss man alles versuchen, um eine Implantation so lange wie möglich hinauszuzögern“, so Krastl.

Eine Kronenverlängerung oder eine Extrusion (also eine Versetzung) der Wurzel seien bei tiefen subgingivalen Defekten eine Möglichkeit, den Zahn so weit aufzubauen, dass man restaurieren kann. „Die Exktrusion kann kieferorthopädisch oder chirurgisch erfolgen, der chirurgische Eingriff ist jedoch meist notwendig, um den Erhalt der Rotästhetik sicherzustellen – diese Therapieoption ist bei uns an der Klinik schon fast zum Standardverfahren geworden“, erklärte Krastl. Man müsse die Wurzel nicht nur herausziehen, sondern dabei auch drehen, um schneller in restaurierbare Bereiche zu gelangen: „Dem Zahn ist es völlig egal, in welcher Position er replantiert wird.“ Die Langzeitprognose für extrudierte Zähne sei nicht schlechter als beispielsweise für die unberührten Nachbarzähne.

Patientenaufklärung: Geringe Erwartung, großer Erfolg

Bei der Patientenaufklärung solle der Zahnarzt die Erwartungen an den Eingriff gering halten, auch wenn ihm bewusst ist, dass es meistens funktioniert: „Ihr Zahn ist stark geschädigt, wir müssen ihn wahrscheinlich ziehen – danach schauen wir uns die Wurzel einmal genau an und entscheiden, wie wir weiter vorgehen“, skizzierte Krastl das Gespräch mit dem Patienten. Umso größer sei dann die Zufriedenheit nach erfolgreicher Extrusion. In einer Zahnrettungsbox sind Zähne 25 bis 30 Stunden extraoral aufbewahrbar und werden mit allen Nährstoffen versorgt. „Die Vitalerhaltung des Zahnes ist extrem wichtig für die Replantation, sonst ist der Zahn später nicht mehr erhaltbar“, sagte Krastl.

Einen neuen Ansatz für die Erschließung der Wurzelkanäle präsentierte Krastl mit „Guided Endodontics“. Hierbei macht sich der Endodontologe die Methoden aus der Implantologie zu nutze. Mit Hilfe von DVT und Intraoralkamera wird per 3D-Drucker eine Schablone gedruckt, die die navigierte Präparation zulässt. „Das ist eine neue Methode, um gezielt Punkte anzusteuern“ – diese befindet sich momentan laut Krastl aber noch in der Erprobungsphase.

Prof. Ernst: Neues zu Kompositen und Adhäsivsystemen

Sehr viele aktuelle Untersuchungen zu Kompositen und adhäsiven Restaurationen stellte Prof. Dr. Claus-Peter Ernst in seinem Vortrag „Komposite – alles beim Alten oder doch nicht?“ vor. Ernst präsentierte neue evidenzbasierte Indikationsempfehlungen für direkte Kompositrestaurationen aus dem Konsensuspapier der Academy of Operative Dentistry European Section. Unter anderem werden dort die Behandlung einer Primärkaries, der Ersatz existierender, defekter direkter Restaurationen, der Ersatz der meisten Inlays sowie die Reparatur an existierenden direkten und indirekten Restaurationen erwähnt.

Viele aktuelle Publikationen befassen sich mit dem Einsatz von Chlorhexidin zur MMP-Inhibition. Hier sei in der Kariologie zur Stabilisierung des adhäsiven Verbundes kein nachhaltiger Effekt für die Qualität der Restauration festgestellt worden, daher könne keine Empfehlung erfolgen. „Es ist zwar kein negativer Einfluss festgestellt worden, allerdings hält der festgestellte Trend zur Stabilisierung des Verbundes durch die Integration von 0,2 – 2%-igem Chlorhexidin nicht über eine längere Alterungsperiode und ist somit von untergeordneter klinischer Relevanz“, erklärte Ernst.

Neuer Trend Universaladhäsive

Bei den Universaladhäsiven bestätigen neue Untersuchungen größtenteils die Claims der Produkte. „Langzeitdaten wie bei den klassischen Adhäsivsystemen gibt es hier aber selbstverständlich noch nicht“, gab Ernst zu bedenken. Generell solle man etwas länger pusten als nach Herstellerangabe vorgegeben und die visuelle Kontrolle zu Rate ziehen. Keine Bewegung an der Oberfläche sowie ein Glanz, der durch das Adhäsiv, nicht durch Speichel zustande kommt, seien Hinweise für die erfolgte Aushärtung.

Obwohl alle Universaladhäsive einer Kategorie entsprechen, sei es wichtig, bei jedem Material die Herstellerangaben zu beachten. Unterschiede gebe es beispielsweise bei der Kombination mit dunkelhärtenden Materialien, gegebenenfalls muss hier ein Dunkelhärtungsaktivator zugefügt werden. Als die sechs Stufen zur erfolgreichen Klebung nannte Ernst die Sicherstellung der Kontaminationskontrolle, die Vermeidung jeglicher „chemischer Kriegsführung“ am oder im Zahn, das sorgfältige Lesen und das Befolgen der Gebrauchsanweisung, die Schmelzätzung mit Phosphorsäure-Gel sowie eine ordentliche Lichtpolymerisation.

Kompositrestaurationen 2015

Bei den Kompositrestaurationen habe sich gezeigt, dass die Vorteile schrumpfreduzierten Materials auf Dauer nicht vorhanden sind. Aber: was in vitro besser war als zuvor, könne in vivo zumindest nicht schlechter sein. „Viel Literatur gibt es aktuell zum Thema Bulkfill – das funktioniert sehr gut, wenn man es nicht übertreibt – die maximale Höhe sind vier Millimeter“, sagte Ernst. Bisher sei kein negativer Einfluss bekannt. Bulkfill-Materialien seien allerdings lediglich eine gute Ergänzung zu konventionellen Materialien, kein Ersatz. „Benutzen Sie Bulkfill dann, wenn Sie beim Schichten mit den herkömmlichen Materialien Probleme haben.“

Die Lichthärtung sei das Hauptproblem. Unterschiedliche Materialien benötigen eine unterschiedliche Energiedosis – „zehn Sekunden sind das Minimum“, erklärte Ernst. Zudem müsse man das eigene Lichtgerät optimal anwenden können und regelmäßig die Intensität überprüfen, um eine optimale Härtung gewährleisten zu können.

Neben den drei Fachvorträgen der Experten konnten sich die Teilnehmer bei den dent update-Partnern Tokuyama und Permadental über deren Produkte informieren. In den Pausen bestand zudem wieder die Möglichkeit, die Referenten beim „Meet the Experts“ im persönlichen Gespräch zu individuellen Fällen nach ihrer Meinung und um Rat zu fragen – die Nähe zu den Referenten, die sehr gut ankommt, ist das Markenzeichen der dent update-Reihe.

Glückliche Gewinner

Wie bei der ersten dent update-Veranstaltung 2015 eine Woche zuvor, konnten auch bei Zahnerhaltung und Ästhetik drei der Teilnehmer noch mehr mitnehmen, als aktuelles, direkt anwendbares Praxiswissen. Die drei Hauptpreise des Gewinnspiels, ein 3-Monats-Abonnement des Dental Online College im Wert von 99 Euro, ein Beratungsmodell der Firma Permadental inklusive eines Gutscheins für eine weitere Beratung im Gesamtwert von 250 Euro sowie ein komplettes System Kit (Komposit und Bonding) der Firma Tokuyama im Wert von 350 Euro wurden zum Abschluss des spannenden Fortbildungstages an die Gewinner übergeben.

Die nächste dent update-Fortbildung findet am 17.10. wieder im Fleming’s Hotel in Frankfurt am Main statt. Das Thema dann: Parodontologie. Chairman Prof. Dr. Anton Sculean (Bern) leitet durch einen informativen Tag mit Vorträgen von Prof. Dr. Nicole B. Arweiler (Marburg), Prof. Dr. Ulrich Schlagenhauf (Würzburg) und Prof. Dr. James Deschner (Bonn). Jetzt noch anmelden unter www.dent-update.de!