Das Ziel Wissenstransfer erreicht
Die Qualitätssicherung hat als zentrales Thema den 30. Kongress der DGI bestimmt. 2300 Teilnehmer erlebten im Hamburger Congress Center diesen Wissenstransfer in den Praktikerbereich. Besonders intensiv befasste sich der Kongress mit dem Thema Weichgewebe und der prothetischen Frage: verschrauben oder zementieren?
Kongresspräsident PD Dr. Gerhard Iglhaut, der sich besonders intensiv mit der Weichgewebe-Thematik befasst, bedauerte in Hamburg, dass noch keine Studien vorliegen zur Volumenerhöhung des Weichgewebes am Implantat. Iglhaut gab zudem einen Zwischenstand zur laufenden Peri-X-Studie, die von der DGI 2012 gestartet wurde. Die Datensammlung aus acht verschiedenen Zentren sei inzwischen abgeschlossen, einschließlich eines Recall-Durchlaufs. Ergebnisse würden in der ersten Jahreshälfte 2017 vorgestellt, kündigte Iglhaut, der sich überrascht zeigte über die Fülle an Daten, an. Eines könne man allerdings schon jetzt konstatieren: Es gebe offenbar keine bestimmten Genotypen, die etwa besonders anfällig seien für Entzündungen.
Insgesamt zeigte sich Iglhaut mehr als zufrieden mit dem Kongress: „Es gab ein durchgehend positives Feedback von den Teilnehmern wie auch von den Ausstellern. Die DGI ist zufrieden: Wir haben den angestrebten Wissenstransfer ermöglicht.“
Forum Spezialisten
Der Bestimmung der Vertikalen bei implantatverankerten Totalrehabilitationen widmete sich Dr. Paul Weigl, Frankfurt, am Samstagmorgen im Forum Spezialisten. Ein sperriges, aber wichtiges Thema, wie er betonte. Denn ein Anheben der Vertikalen – ob bei Totalprothese oder natürlichen Zähnen – bringe ein deutliches ästhetisches Plus. Die Patienten wirkten nach der Behandlung zehn bis 15 Jahre jünger – sowohl nach Eigen- als auch nach Fremdeinschätzung. Die sich dafür anbietenden Verfahren, zum Teil mehr als 50 Jahre alt, weisen Stärken und Schwächen auf. Allen Methoden fehlten nach wie vor evidenzbasierte Nachweise für eine korrekt bestimmte physiologische Vertikale, sagte Weigl.
Definitiv erziele die Methode „Sprechabstand“ aber weniger verlässliche Ergebnisse als die Analyse ästhetischer Parameter des Gesichts. Diese ließen sich zudem heute mit entsprechender Software einfach und verlässlich bestimmen. „Trauen Sie sich, die Vertikale anzuheben“, appellierte er an die Teilnehmer. Die Gesichtsästhetik profitiere enorm. Sein Tipp: nicht schrittweise anheben, sondern 5 bis 8 mm auf einmal. Der korrekte Okklusionsabstand stelle sich nach ein bis zwei Tagen, automatisch ein. Möglicherweise könne der Patient ein bis zwei Tage nicht richtig sprechen. Bei älteren Patienten sollte die Okklusionshöhe moderat erhöht werden, die Okklusionshöhe von 18-Jährigen müsse es da nicht sein. Die Erhöhung der Vertikalen hat keinen Einfluss auf das Kiefergelenk, stellte er klar.
Periimplantitis unterscheidet nicht zwischen Implantat-Abutment-Verbindungen
Die Eigenschaften, Möglichkeiten und Grenzen der Implantat-Hardware nahm Prof. Dr. Katja Nelson, Freiburg, unter die Lupe. Sie hat sowohl Anschlag- als auch Konusverbindungen und die mit dem jeweiligen Verbindungstyp assoziierten mechanischen und klinischen Eigenschaften untersucht und präsentierte Ergebnisse der Studie. Danach ist die Positionsstabilität der Implantat-Abutment-Verbindung vor allem von der Geometrie und Fertigung abhängig. Microgaps entstehen mit und ohne Kraftapplikationen, und Mikrobewegungen des Abutments existieren in allen Systemen. In puncto Periimplantitisursachen erklärte sie: „Egal, welches System, Periimplantitis unterscheidet nicht zwischen den Implantat-Abutment-Verbindungen.“ Sie selbst ist ein Fan von Flach-zu-flach-Verbindungen. Speziell die Nuten-Nocken-Verbindungen stufte sie als die „prothetisch einfachste Verbindung ein.
Der klinischen Relevanz des Mikrospaltes zwischen Implantat und Abutment widmete sich PD Dr. Dietmar Weng, Starnberg. Ob ein Abdichten etwa mit Silikonmatrix mit Thymol zu mehr Knochenerhalt beitrage und/oder die Notwendigkeit des Weichgewebsmanagements reduzieren könne, werde derzeit diskutiert.
“Schraubenloses Implantat”
Material aus einem „schraubenlosen Implantat“ verwendet eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Frank Schwarz derzeit in einer von der DFG geförderten Studie. Das natürliche Zahnmaterial, in der Regel extrahierte Zähne des zu behandelnden Patienten, dient als Matrix und damit etwa als lateral augmentiertes Implantatbett. Schwarz stellte im Forum Praxis und Wissenschaft erste Zwischenergebnisse vor, die darauf hindeuten, dass die Zahnwurzel und autogener Knochen das gleiche Ergebnis liefern.
Unterschieden werden dabei zwei „Quellen“ für die autologe Zahnsubstanz: zum einen überzählige oder retinierte Zähne, zum anderen nichterhaltungswürdige Zähne – in der Regel parodontal vorgeschädigt. Dann wird die Krone wird entfernt, die Zahnwurzel wird separiert. Vorteil dieses Verfahrens ist die gute Anpassungsmöglichkeit an das Implantatbett. Das Wurzelmaterial wird mit einer Osteosynthese-Schraube befestigt, dann erfolgt die Abdeckung. Im bisherigen Verlauf der Studie sei es noch zu keiner einzigen Komplikation bei der Weichgewebsheilung gekommen, vermeldete Schwarz. Allerdings sei die Frage nach der Langzeitstabilität derzeit noch gar nicht zu beantworten. Wird lateral augmentiert, wird das „natürliche“ Augmentat leicht nach außen transpositioniert zur Überbrückung des Konturdefektes.
Vertikale Augmentationen
Die Frage nach der „Reinigung“ der infizierten Zähne – etwa nach einer Endobehandlung – beantwortete Schwarz mit dem Hinweis, dass sämtliches Fremdmaterial entfernt werde. Er sei zuversichtlich, dass dies entsprechend gelingt. Der derzeitige Goldstandard, also ein autogener Block, habe den Nachteil, dass dieses Verfahren nicht jeder Zahnarzt im Praxisalltag durchführen könne.
Mit vertikaler Augmentation befasst sich Prof. Dr. Dr. Robert Sader in seinem Vortrag. Er betonte dabei, dass etwa eine Auffüllung von Knochenhöhlen nach Zystektomie nicht notwendig sei: „Das heilt von alleine.“ Voraussetzungen für eine erfolgreiche Knochenheilung seien Stabilität, physiologische Belastung und Ernährung. Sader ergänzte, dass eine seiner Arbeitsgruppen in drei untersuchten Knochenersatzmaterialien (KEM) organisches Material gefunden hätten. Sader: „Deshalb sind wir weg gegangen von Blöcken und wieder zu den Granulaten zurückgekehrt.“
Daher resultieren seine Empfehlungen für die vertikale Knochenaugmentation: Vertikales Volumen durch granuläres KEM gewinnen, Form und Stabilisierung gewährleisten durch CAD/CAM-Mesh, Vaskularisierung sicherstellen durch i-PRF und Belastung ermöglichen durch Implantate. Saders Resümee: „Das ist die ,next generation of implantation‘“.
Anschließend stellten Prof. Dr. Jürgen Becker, Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang und Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz die Ergebnisse der 2. DGI-Leitlinienkonferenz vor.