BDIZ EDI: Update zu kurzen Implantaten
Mehr als 250 Teilnehmer waren am Karnevalswochenende bei den Veranstaltungen des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI) in Köln dabei, um sich ein Update über kurze, angulierte und durchmesserreduzierte Implantate zu verschaffen und sich zum Antikorruptionsgesetz zu informieren.
Dabei wurde viel diskutiert: während des 11. Experten Symposiums, in den Workshops und insbesondere in der Europäischen Konsensuskonferenz (EuCC). Die Ergebnisse der EuCC fließen in den neuen, inzwischen 11. Praxisleitfaden, den der BDIZ EDI in Kürze vorstellen wird.
Experten Symposium und Konsensuskonferenz wurden auch in diesem Jahr mit Unterstützung der Universität Köln vorbereitet. Spiritus rector ist der Direktor der Interdisziplinären Poliklinik für Orale Chirurgie und Implantologie, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer und Plastische Gesichtschirurgie an der Universität Köln, Univ.-Prof. Dr. Dr. Joachim E. Zöller, Vizepräsident des BDIZ EDI. Fakultätsmitglied sowie Vorstandsmitglied des BDIZ EDI, Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer aus Landsberg, leitete sowohl das Experten Symposium als auch die Konsensuskonferenz.
Die Empfehlung der 11. Europäischen Konsensuskonferenz, die die Teilnehmer des 11. Experten Symposiums mit nach Hause nehmen konnten: „Die Anwendung von kurzen, angulierten oder durchmesserreduzierten Implantaten bei reduziertem Knochenangebot stellt heute bei Beachtung der spezifischen Behandlungsparameter eine verlässliche Therapieoption im Vergleich zu den Risiken bei der Anwendung von Implantaten mit Standarddurchmesser in Kombination mit augmentativen Verfahren dar.“ Insofern haben sich die hoffnungsvollen Prognosen der 6. Europäischen Konsensuskonferenz aus dem Jahr 2011 bestätigt. Vor fünf Jahren hatte sich der BDIZ EDI mit der Praxisreife dieser Implantate beschäftigt, jetzt standen ihre Vorteile und Grenzen im Fokus. Geändert hat sich auch die Definition. Während die Konsensuskonferenz 2011 kurze Implantate mit <9mm angab, werden kurze Implantate laut der 11. Europäischen Konsensuskonferenz ≤8mm und der Durchmesser ≥3,75mm definiert. Ultra-kurze Implantate haben eine Implantatlänge von <6mm.
Die „Kurzen“ auf Erfolgskurs?
Zum Auftakt des eintägigen Symposiums spannte Prof. Dr. Dr. Rolf Ewers, Wien, mit seiner 45-jährigen Erfahrung ein „alter Hase“ in der Augmentationschirurgie, den zeitlichen Bogen: „Früher Beckenkamm – heute kurze Implantate“. Nach wie vor gilt für Ewers: Es gibt kein Material, das dem autologen Knochen äquivalent sei. In der Erkenntnis, dass die Form des Knochens der Funktion auch bei kurzen Implantaten folgt, sieht er die Bestätigung für die guten Ergebnisse in den von ihm mitbetreuten prospektiven Studien. Während des Vortrags stellte er fünfjährige Erfahrungswerte mit kurzen und ultrakurzen Implantaten den bisher gängigen Augmentationsverfahren gegenüber. „Inzwischen können wir feststellen, dass wir vergleichbare Ergebnisse erhalten bei wesentlich geringerem operativen Aufwand, weniger Morbidität und geringeren Kosten“.
Eng mit dem Thema von Professor Ewers verknüpft war der Vortrag von Prof. Dr. Mauro Marincola, Rom: Er stellte seine klinischen Erfahrungen besonders unter Berücksichtigung der prothetischen Versorgung vor. Sein Fazit: Kurze Implantate zeigen nicht nur eine stabile periimplantäre Knochensituation bei großem Kronen-/Implantat-Längenverhältnis, sondern lassen sich durch die Einzelzahnversorgung auch leicht und effektiv prothetisch versorgen.
Dr. Thomas Fortin, Lyon, erläuterte seine Erfahrungen mit kurzen Implantaten als Alternative zu risikoreichen und aufwendigen vertikalen Augmentationen. Als Ergebnis seiner fünfjährigen prospektiven multizentrischen Studie mit 54 Patienten, die mit zwei unterschiedlichen Verbindungselementen im vorderen Unterkieferbereich versorgt worden waren (Platform-switching-Abutment und Platform-matching Abutment) zeigte er auf, dass sich keine signifikanten Unterschiede gezeigt hätten.
Aus prothetischer Sicht: besser eins als keins?
Prof. Dr. Matthias Kern von der Universität Kiel beleuchtete die Versorgungsproblematik von Patienten mit atrophiertem, zahnlosem Unterkiefer aus prothetischer Sicht. Dabei zeigte er die Vor- und Nachteile bei der Versorgung mit zwei oder vier Implantaten, die Option der Insertion von nur einem Implantat als geriatrische, sozialorientierte Versorgung zur Stabilisierung der in der Regel vorhandenen, erweiterten Prothese. Der Verfechter des mittigen Einzelimplantats im zahnlosen Unterkiefer illustrierte anhand ausgewählter Patientenfälle die Ergebnisse nach über sechs Jahren. Sein Ergebnis: Während der ersten fünf bis sechs Jahre weisen alle klinischen Studien bezüglich des mittigen Unterkiefer-Einzelimplantates eine Verbesserung des OHIP (Oral Health Impact Profile) auf.
Der Kanadier Prof. Dr. Douglas Deporter berichtete aus seiner über 20-jährigen Erfahrung mit kurzen Implantaten (≤7mm) und mit gesinterten Implantatoberflächen und legte die wissenschaftlichen Grundlagen und die Konzeption eines Implantatsystems basierend auf kurzen Implantaten dar. Die Versorgung der sog. SPS-Implantate (sintered porous surface) erfolgt zementfrei mittels mechanischer Verriegelung und böte exzellenten Widerstand bei Zugbelastung, Druckspannung und Torsionskräften. Diese Versorgungsmöglichkeit („osseoconsolidation“) eröffne minimalinvasive Möglichkeiten im zahnlosen Bereich bei fortgeschrittenem Rückgang des Kieferkamms.
Blick auf die angulierten Implantate
Dr. Wolfgang Bolz, München, stellte die Sofortversorgung des zahnlosen bzw. bald zahnlosen Patienten mit angulierten Implantaten bzw. Zygoma-Implantaten und insbesondere die Patientenführung vor. Anschaulich zeigte er aus seinem Datenschatz von nahezu 500 behandelten Patienten die Behandlung und Versorgung extremer Einzelfälle. Besonders aufschlussreich war die Diskussion zum Vortrag im Anschluss. Befragt, was zu tun sei, wenn ein Zygoma-Implantat verloren geht, antwortete Bolz, dass dies noch nicht passiert sei. Die Stabilität der Zygoma-Implantate erreicht Bolz durch die Insertion ausschließlich im Jochbein. Aufbauend darauf zeigte Prof. Dr. Norbert Schmedtmann, Hamburg, die indikationsorientierte prothetische Versorgung auf angulierten Implantaten und wog Vor- und Nachteile der unterschiedlichen prothetischen Behandlungskonzepte gegeneinander ab.
Chirurgische Aspekte
Last but not least gab Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer, Landsberg, praktische Hinweise aus chirurgischer Perspektive zur Aufbereitung des Implantatlagers, der Implantatinsertion und regionaler Knochenaufbaumaßnahmen für anguliert gesetzte oder kurze Implantate. Zu berücksichtigen sei dabei die Knochenqualität und der Zeitpunkt des Zahnverlustes. Er erläuterte des Weiteren, wann eine 3D-Bohrschablone notwendig und wo eine Freihandimplantation aus seiner Sicht möglich sei.
Fazit
Laut Empfehlung der 11. Europäischen Konsensuskonferenz stellen kurze, angulierte und durchmesserreduzierte Implantate eine Therapieoption dar. Allerdings gibt es auch Grenzen: wenn kurze Implantate gleichzeitig durchmesserreduziert sind, ist mit einer erhöhten Verlustrate von bis zu 10 Prozent nach drei bis fünf Jahren zu rechnen. Dies untermauern einschlägige Literaturhinweise. Außerdem weist die Konsensuskonferenz darauf hin, „dass der implantierende ZahnArzt und der prothetische Behandler eine angemessene Ausbildung erhalten haben müssen, um für den jeweiligen Patienten die bestmögliche Therapieform zu wählen.“