Künstliche Intelligenz: Zahnarztpraxis und zahntechnisches Labor profitieren schon jetzt

Realistische Zukunft mit Künstlicher Intelligenz



Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit in aller Munde, doch gerade in der Zahnheilkunde vermag sie bereits viel. Die Internationale Dental-Schau (IDS) wird es vom 25. bis zum 29. März 2025 in Köln zeigen. In unserem Interview blickt Dr. Markus Heibach, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Dental-Industrie (VDDI), voraus auf die Weltleitmesse der Branche.

Herr Dr. Heibach, wie verändert Künstliche Intelligenz in den kommenden zehn Jahren die Zahnheilkunde?
Dr. Markus Heibach: Stärker, als die meisten es sich vorstellen können. Denn obwohl wir zurzeit noch ganz am Anfang stehen, sehen wir schon einige praxisrelevante Anwendungen.

Welche Art von KI haben Sie ­dabei im Sinn?
Dr. Heibach: Das ist eine gute Frage, weil der Begriff inzwischen inflationär verwendet wird. Aber ist ein Kühlschrank intelligent, weil er mit einem Sensor spürt, dass keine Milch mehr drin ist – jedenfalls nicht da, wo sie normalerweise steht?

Künstliche Intelligenz, wie wir sie im Moment verwenden, besteht aus Programmen, die nicht von vorneherein speziell für eine bestimmte Aufgabe geschrieben sind. Stattdessen werden sie mit großen Datensätzen darauf trainiert. Diese Programme sind also keine Experten, sondern angelernte Hilfskräfte. Verblüffenderweise können sie in ihrer Leistungsfähigkeit dennoch in ihrem Aufgabenbereich auf Augenhöhe mit den Experten kommen, zum Beispiel in der Analyse von Röntgenaufnahmen.

Was kann KI damit heute schon in der Zahnarztpraxis und im zahntechnischen Labor leisten?
Dr. Heibach: KI-Programme können Röntgenbilder analysieren und daraus einen Zahnstatus ableiten – inklusive der Lage von Kronen und Brücken, von gesundem und kariös erkranktem Zahnhartgewebe. In der Kieferorthopädie kann KI nach einem Training anhand von Röntgenbildern und anderen prognoserelevanten Daten die Wachstumsanalyse bei Kindern unterstützen und dazu eine Einschätzung abgeben. Das ist heute Realität.

In der Endodontie könnte KI in Zukunft dabei helfen, Wurzelkanäle intraoperativ in den Zahn einzublenden. Dies könnte mit Hilfe einer Virtual-reality-Brille sichtbar gemacht werden. Vielleicht würden in der Implantologie KI-gestützte Assistenzsysteme sogar dem Chirurgen den Bohrer führen oder zumindest mitführen. Das ist realistische Zukunft. Bis sich das flächendeckend in den Praxen verbreitet, wird jedoch noch einige Zeit vergehen.

Eine starke Kombination: Miteinander von Künstlicher Intelligenz und VR-Brille.

Wo liegen die Grenzen? Was kann KI auf absehbare Zeit nicht?
Dr. Heibach: Auf eine sogenannte starke KI müssen wir noch einige Jahrzehnte warten. Zu ihren Charakteristika zählen die Fähigkeit zum abstrakten Denken, zum selbstständigen Entwerfen von Ideen und zum Lösen komplexer Probleme.

Um es konkret zu machen: In der Prophylaxe hilft KI dem Patienten schon heute, seine Zahnputzgewohnheiten individuell zu optimieren. Für die professionelle Parodontalprophylaxe und -therapie lässt sie sich auf das Erkennen von parodontalem Knochenabbau trainieren. Unüberwindliche Schwierigkeiten hätte aktuelle Künstliche Intelligenz aber wohl damit, auf die Eingabe vieler Patientendaten, betriebswirtschaftlicher Daten und der aktuellen S3-Leitlinie eine unternehmerische Strategie für den Bereich Parodontologie einer bestimmten Praxis zu entwickeln.

Wenn ich als Praxis- oder Laborteam abschätzen möchte, an welchen Stellen mir KI heute schon helfen kann: Wie gehe ich das an?
Dr. Heibach: Das ist mit der täglichen Erfahrung und dem gesunden Menschenverstand sehr einfach abschätzbar.
Wer beispielsweise den Eindruck hat, in der Verwaltung zu viele Routineaufgaben ständig zu wiederholen, kann nach einer KI-Unterstützung suchen. Sprachverarbeitungsprogramme können bei der Terminvergabe helfen oder Patientenfragen beantworten helfen.

Das Erstellen eines Zahnstatus aufgrund einer Panoramaröntgenaufnahme kann einem Zeit rauben. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz geht es einfach schneller, zum Beispiel statt in einer Viertelstunde in wenigen Sekunden – und die digitale Dokumentation ist automatisch auch schon dabei.

Im zahntechnischen Labor werden digitale Workflows intelligent: KI macht Vorschläge für Kronen- oder Brückendesigns, optimiert den 3D-Druck von Restaurationen, stärkt dadurch auch eine nachhaltige Fertigung fast ohne Materialausschuss und unterstützt in Bilderkennungsalgorithmen die abschließende Qualitätskontrolle von Form, Farbe und Funktion.

Kurz: Was in Praxis und Labor ungeliebte Routine ist oder intuitiv die Unterstützung eines mitdenkenden Systems gebrauchen könnte, dafür gibt es schon KI-Lösungsansätze.

Herr Dr. Heibach, wird uns KI demnächst überlegen sein?
Dr. Heibach: In begrenzten Teilbereichen ja. Sehr real sind KI-gestützte Hilfen für das automatische Zurechtrücken von Röntgenbildern auf dem Monitor. Das spart täglich Zeit und lässt erahnen, welch steile dentale Karriere Künstliche Intelligenz in der Zahnheilkunde noch vor sich hat. Was schon heute den Praxis- und Laboralltag erleichtern kann, lässt sich auf der Internationalen Dental-Schau (IDS) vom 25. bis zum 29. März 2025 in Köln begutachten und erproben.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Dr. Markus Heibach, Geschäftsführer des VDDI

Das Gespräch führte Christian Ehrensberger, Bad Homburg.