Der Patient immer im Mittelpunkt
Bereits zum 20. Mal fand nun das beliebte Prothetik Symposium in Berlin statt. Wiederholt wurde die eigene Begeisterung für herausnehmbaren Prothetik zweier innovativ denkender Partner (Merz Dental und Quintessenz Verlag) an ein höchst interessiertes Fachpublikum vermittelt.
Die Anfangsidee, ein Symposium zu veranstalten, bei dem das Fachliche mit exzellenten Vorträgen im Vordergrund steht und gleichzeitig die Möglichkeit bietet, persönliche Kontakte zu knüpfen, hat sich als erfolgreiches Fortbildungskonzept in der Dentalwelt erwiesen. Bereits zum 20. Mal fand nun das beliebte Prothetik Symposium in Berlin statt. Wiederholt wurde die Begeisterung für herausnehmbare Prothetik an ein höchst interessiertes Fachpublikum vermittelt. „In 20 Jahren begrüßten wir insgesamt 7460 Teilnehmer und 164 Referenten, zunehmend auch aus europäischen Ländern, das erfüllt uns mit großem Stolz.“ verkündete Friedhelm Klingenburg (Merz Dental, Geschäftsführer) in seiner Begrüßungsrede und lud 550 Teilnehmer zu einem inspirierenden ausverkauften Symposium zum Thema „Prothetik im Wandel“ ein.
Gewohnt redegewandt und exzellent vorbereitet führte das Moderatorentrio Prof. Dr. Jan-Frederik Güth, DDr. Patricia Steinmaßl und ZT Josef Schweiger durch die Fortbildung mit Vorträgen, die sich dem „Patienten im Mittelpunkt“ widmeten. Dabei standen der Wandel, die Entwicklung und Veränderung hin zur digitalen Prothetik ebenso im Fokus wie die Präsentation bewährter, wissenschaftlich erprobter Methoden.
Analog gestartet – digital beendet
„Nur die Kombination aus analogem Know-how und digitalen Herstellverfahren ermöglicht es, die ästhetischen Wünsche der Patienten zu erfüllen“, betonte ZTM Björn Maier. Insbesondere bei implantatbasierten Versorgungen stehen die Langlebigkeit, Funktionalität und vor allem der Tragekomfort im Vordergrund. Eine Patientin – zwei Lösungen: Björn Maier zeigte anhand eines Patientenfalls mit einer bedingt abnehmbaren sowie einer abnehmbaren Versorgung zwei mögliche implantologische Versorgungskonzepte mit deren Vor- und Nachteilen. Eine Vorgehensweise, die nur durch digitale Technologien möglich ist, jedoch ein hohes Maß an analogem Know-how erfordert. Als Take-Home-Message gab Björn Maier den Zahntechnikern im Publikum mit: „Digital gestützte Planungen sollten mit analogen Gestaltungstechniken sinnvoll kombiniert werden. Und Zahnärzte erwarten eine hohe Servicebereitschaft der Zahntechniker im digitalen Bereich“. Im Laboralltag agiert Björn Maier zunehmend beratend im Trialog Zahnarzt-Patient-Zahntechniker, und wenn nicht direkt vor Ort, dann per Skype.
Ultima ratio Implantate?
„Eins ist besser als keins“ – ZTM Christian Müller und Dr. Johannes Röckl diskutierten in Form einer lockeren Gesprächsrunde den Ansatz konventionelle Versorgung versus Implantologie. Beide sprachen sich eindeutig für die Rehabilitation von Patienten mit atrophierten Kiefern mittels Implantatinsertion aus. Ein Standardkonzept gebe es nicht. Sowohl Pfeilerzahl, Pfeilerwertigkeit, Pfeilerposition und Sattellänge legen die Referenten gemeinsam in einem patientenorientierten Konzept fest. Unterstützt von der heute digital angelehnten prospektiven Planung ist das Implantieren noch einfacher geworden und die Ergebnisse sind vorhersehbar. Laut Dr. Röckl gibt es kein Kochrezept, wie viele Implantate gesetzt werden. Die dargestellten Patientenfälle aus den letzten zwanzig Jahren zeigen jedoch, dass Implantatversorgungen der richtige Lösungsweg sei und nicht nur Ultima ratio.
Totalprothetik – schon immer ein Abenteuer
Die Zahlen der deutschen Mundgesundheitsstudie 2016 belegen die Rückläufigkeit von Zahnlosigkeit in Deutschland. Waren es vor zehn Jahren noch 22 Prozent der 65-74-jährigen so liegt die Quote heute gerade mal bei 12,4 Prozent. Mit diesen Zahlen startete Prof. Dr. Dr. Ingrid Grunert, bereits zum 7. Mal als Vortragende beim Prothetik Symposium dabei, ihren umfassenden Rückblick über 20 Jahre Totalprothetik. „Die Totalprothetik wird schwieriger und anspruchsvoller“, betonte die Referentin, „denn Patienten sind heute aufgrund vermehrter Implantatversorgungen bei der Erstversorgung mit Totalprothesen älter, haben ein geringeres Adaptationsvermögen und ein schlechteres Prothesenlager.“ Auch bei den Zahnmedizinern sieht Prof. Dr. Dr. Grunert ein höheres Misserfolgsrisiko, denn aufgrund der rückläufigen zahnlosen Patienten fehlt es an Erfahrung in der Totalprothetik und Fortbildungsbereitschaft. Positiv sieht Prof. Dr. Dr. Grunert die Entwicklung in der digitalen Fertigung von Totalprothesen, „dadurch ist eine bessere Passform der Prothesenbasen und ein besserer Prothesenhalt sowie eine problemlose Anfertigung von Duplikatprothesen möglich.“ Entscheidend sei bei den zeitgemäßen, einfachen, reproduzierbaren Konzepten auch die Reduzierung der Sitzungen in der Praxis. Ein immenser Vorteil gerade für ältere und demente Patienten und somit weniger ein „Abenteuer“ als noch vor zwanzig Jahren.
Smile & Design
Das Praxiskonzept von Dr. Alexandros Manolakis und Dr. Kleanthis Manolakis beruht auf der digitalen Implantatplanung in Verbindung mit der Digital Smile Design Analyse. „Die digital durchgeführte ästhetische Analyse des Zahnbestandes und der Gesichtssymmetrie liefert beste Planungsgrundlagen für ein strahlendes Lächeln“, betonte Dr. Kleanthis Manolakis. Dabei wird neben ästhetischen und funktionellen Gesichtspunkten auch die Harmonie der periooralen Situation evaluiert. Weiter erläuterte Dr. Alexandros Manolakis: „Die Fertigung der geplanten Rekonstruktion auf Implantatbasis ist durch die digitale Technik deutlich vereinfacht.“ Definitive Versorgungen werden aus PEEK BioSolution gefräst. Er schätzt an dem Material die Metall- und Monomerfreiheit sowie die Verschleißfestigkeit und geringe Materialermüdung. Damit sind aus ihrer Sicht alle prothetischen Möglichkeiten in der Praxis ausgeschöpft.
CAD/CAM macht Totalprothetik wieder spannend
Klinische Studien der Universität Innsbruck belegen eine hohe Prothesenpassung bei allen digital gefrästen Totalprothesen. Studiengrundlage war der digital gestützte Workflow von fünf Dentalherstellern. DDr. Patricia Steinmaßl (Universität Innsbruck) stellte das untersuchte Fertigungsprinzip vor: Digitaler Scan der Abformungen, virtuelles Prothesendesign, vollautomatisches Fräsen der Basis, teilweise Befestigung der Prothesenzähne sowie die manuelle Endbearbeitung der Prothesenaußenflächen. Zusammenfassend hob die Referentin besonders das Baltic Denture System hervor. Hier liegen herausragende Ergebnisse hinsichtlich der Passung, mechanischen Festigkeit und Oberflächenhydrophylie vor. Auch überzeugt das System mit einer geringeren MMA-Monomer Freisetzung, höheren Materialdichte sowie einem geringeren Prothesengewicht. „Und der auf zwei Prozesse minimierte Behandlungsablauf kommt am Ende dem Patienten zugute“, so das Fazit von DDr. Steinmaßl.
Autonomie älterer Patienten erhalten
Fortschritte in der Prävention und minimalinvasiven Zahnmedizin führen dazu, dass immer mehr natürliche Zähne bei älteren Menschen erhalten werden. „Der Pflegeaufwand für ein voll- bzw. teilbezahntes Gebiss ist ein nicht zu unterschätzendes Problem, gerade wenn Patienten immobil werden und gepflegt werden müssen.“ erklärte Prof. Dr. Frauke Müller (Universität Genf). Besonders gefordert, zeitlich als auch organisatorisch, ist das Pflegepersonal in der Übergangsphase zur Pflegebedürftigkeit. Ein Risikofaktor ist der Biofilm, der sich auf allen harten Strukturen in der Mundhöhle, d.h. auf Zähnen, Implantaten und Prothesen bildet und sich zu einer Gesundheitsgefährdung bis hin zur möglichen Aspirationspneumonie entwickeln kann. Für ein biologisches, psychologisches und soziales Altern sind somit altersgerechte Versorgungskonzepte gefragt. Dafür empfiehlt Prof. Dr. Frauke Müller die „Back-off“-Strategie, bei der Prothesen an die manuelle Geschicklichkeit und Prothesenretentionen, die der Patient noch selbständig handhaben kann, angepasst werden. Locatoren, Knopfanker, Magnete und Stege bis hin zu sinnhaften Unterfütterungen sind hier als Hilfsmittel besonders angebracht. Wichtig sei, schloss Frauke Müller, die Autonomie des Patienten so lange wie möglich zu erhalten.
Steg oder Teleskop?
Zwei, vier oder sechs Implantate? Steg, Teleskop oder Locator – Welches Implantatkonzept den größten Behandlungserfolg bringt, dieser Fragestellung widmete sich ZTM Andreas Kunz. Vorteilhaft an Stegversorgungen bezeichnete er die Möglichkeit der dezentralen Positionierung des Steges als auch die Möglichkeit der primären Verblockung ohne Rotationsindexierung. Demgegenüber stehen Versorgungen mit Teleskopen, die ohne starre primäre Verblockung bei Verbundbrücken einsetzbar und auch gut zu reinigen sind. „Gerade bei ungleicher Verteilung der Pfeiler/Implantate, würde ich mich immer für den individuellen Steg entscheiden“, resümierte Andreas Kunz. Gezielte Extensionen bewirken eine Entlastung der Schleimhaut. Weiterhin lassen sich bei unterschiedlichen Implantatdurchmessern die Kräfte gleichmäßig verteilen. Konzeptionell geht Andreas Kunz nach dem Backward-Planning vor, bei dem das Therapieziel den Weg vordefiniert. Denn „am Anfang aller Überlegungen steht das für den Patienten bestmögliche individuelle Resultat“, alle weiteren Behandlungsschritte richtet Andreas Kunz nach diesem Ziel aus.
Schiene – was nun?
Drei Viertel aller Patienten mit craniomandibulärer Dysfunktion werden in der Praxis von Frank Bias allein durch Aufklärung, adjustierte Okklusionsschienen und Manualtherapie erfolgreich behandelt. Lediglich bei 5 – 10 Prozent der CMD-Patienten ist eine restaurative Folgebehandlung nach der Schienentherapie erforderlich. Zu beachten gilt es dabei, die therapeutische Position auf dem Weg von der Schiene in die definitive Versorgung zu behalten. Erfolgen kann das nach einer ausreichend langen Beschwerdefreiheit des Patienten. Der Zahnarzt legt dann fest, ob er mit der arbiträren Achse arbeitet oder die Scharnierachse individuell bestimmen muss und welches Okklusionskonzept angewendet wird. Bias nutzt die Achsiographie zur Überprüfung der Scharnierachse. Dabei werden die sagittalen Kondylenbahnen der Protrusions- sowie der Öffnungs- und Schließbewegung z.B. bei der Testbewegung beim Jaw Motion Analyzer (JMA) übereinandergelegt. Durch die Registrierung der Kondylenbahnneigung, des Bennett- und des Shift-Winkels, kann das Einschleifen deutlich reduziert werden. Der Patient erhält Zahnersatz, der wirklich passt!
Hier muss unterfüttert werden
Oft ist es sinnvoll, statt einer Neuanfertigung eine vorhandene Prothese zu unterfüttern. Dazu bedarf es auch einer passenden Abformung, perfekten Modellen sowie der Definition der Basisgestaltung in ihrer Form. ZTM Karl-Heinz Körholz zeigte die häufigsten Fehlerursachen bei der Herstellung von Totalprothesen auf: Die korrekte Bisslage und die Ausformung der Basisgestaltung. Meist werden diese im dorsalen Bereich zu kurz und in den vestibulären Regionen zu lang gestaltet. Karl-Heinz Körholz betonte: „Dabei ist die Vorgehensweise immer gleich, IMMER zuerst die Unterkiefer-Prothese unterfüttern, OHNE die Oberkiefer-Prothese, weil die stärkste Atrophie im Unterkiefer stattfindet.“ Und das gilt sowohl für den konventionellen als auch für den digitalen Herstellprozess. Das Ziel sei, so Körholz, mit beiden Workflows eine Prothese mit bewegungsarmen Halt für den zahnlosen Patienten zu schaffen, der dadurch mehr Sicherheit aber vor allem auch mehr Lebensqualität erhält.
Am Vortragsende bedankte sich Karl-Heinz Körholz bei den Gründern des Symposiums, Dr. Peter Dzuiron und Frank Becker, dass sie den Mut hatten, vor 20 Jahren das Stiefkind der Prothetik – die abnehmbare Prothese – zum Motto des Symposiums zu machen. Und das mit großem Erfolg. Karl-Heinz Körholz war zum 7. Mal als Referent dabei, immer mit inspirierenden, sehr praxisnahen Themen.
Lieber Haftcreme nutzen statt ersticken
Todesfälle durch Ersticken als Folge des Verschluckens der Prothese, wissenschaftlich erwiesen oder Hokuspokus? Dem Thema der Aspirationsgefahr stellte sich Dr. med. Felix Blankenstein (Charité Berlin) in seinem Vortrag. „Tatsächlich gibt es Todesfälle im Zusammenhang mit dem Verschlucken oder Einatmen von Prothesen“, erklärte Dr. Felix Blankenstein, „jedoch bei Einhaltung von Präventionsmaßnahmen minimiert sich das Risiko immens.“ Hierzu navigierte er das Auditorium durch mehrere Kasuistiken und Studien. In 55 Prozent der Fälle lag eine Versorgung der gefährdeten Personen mit einer klammerlosen Teilprothese vor. Eine weitere Ursache liegt in den Mini-Modellgussanfertigungen begründet. „Also verbieten“, plädierte Dr. Felix Blankenstein. Auch offene Klammern und Prothesenklammerspitzen gelte es dringend zu vermeiden „und im Zweifel Haftcreme benutzen. Dann bleibt die Prothese wenigstens sitzen und birgt nicht die Gefahr der Aspiration“.
„Wir freuen uns, dass unser Symposium in diesem und in den letzten Jahren zahlreich von unseren Freunden unter den Zahnärzten und Zahntechnikern frequentiert wurde“, betonte Friedhelm Klingenburg zum Ende. Und dankte den Begründern und Initiatoren Dr. Peter Dzuiron, Dr. Wolfgang Haase und Frank Becker für deren großes Engagement „ohne das das Symposium nicht zu dem geworden wäre, was es heute ist – eine Plattform für Zahnmediziner aus Wissenschaft und Praxis und Zahntechnikern, die zum intensiven Austausch genutzt wird.“ Intensiv tauschten sich Kollegen und Referenten beim anschließenden Get-Together im Hotel Pullman Schweizer Hof, Berlin und den Feierlichkeiten zum 20. Jubiläum Symposium aus. Und nächstes Jahr heißt es wieder: Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin. Save the date: das 21. Prothetik Symposium findet am 25.11.2017 statt, diesmal ein Wochenende vor dem 1. Advent.