Expertenzirkel

Update Füllungstherapie

Adhäsivtechniken und Komposite haben sich in den letzten Jahren in puncto Abrasionsbeständigkeit, Ästhetik und hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften erheblich verbessert. Sie erlauben defektorientierte Restaurationen kariöser Läsionen, sind einfach reparierbar und oft wirtschaftlicher als indirekte Alternativen. Doch die Anforderungen an Komposite steigen weiter. Wo die Reise hingeht, diskutieren Fachleute aus Praxis, Hochschule und Industrie im aktuellen Expertenzirkel.



Obwohl Amalgam in Deutschland „out“ ist, beeindrucken das einfache Handling und die guten Überlebensraten. Halten Amalgamfüllungen noch immer länger als Kompositrestaurationen?

Ilie: Im Grunde ja. Eine rund zwölf Jahre alte, aber immer noch wertvolle klinische Studie aus den USA vergleicht 200.000 Amalgam- mit 100.000 Kompositfüllungen. Nach sieben Jahren wiesen die Amalgamversorgungen eine Überlebensrate von 94 Prozent auf, die Kompositfüllungen eine von 93 Prozent. Diese Unterschiede scheinen auf den ersten Blick zwar gering zu sein, doch aufgrund der immensen Anzahl von Proben erlauben die Daten in der Tat die statistisch gesicherte Aussage, dass Amalgamfüllungen höhere Überlebensraten aufweisen. Basierend auf Bewertungen von Daten weiterer kontrollierter klinischer Studien, berichteten spätere Publikationen sogar von einer fast doppelt so hohen Versagensrate der Komposite im Vergleich zu Amalgam [1].

Überlebensraten gelten als entscheidende Faktoren für die Bewertung eines Dentalprodukts und damit auch für die zahnärztliche Anwendung.

Wie kommt es zu solchen Unterschieden in der Bewertung?

Adyani-Fard: Die Überlebensrate ist ein wesentlicher, aber auch ausgesprochen techniksensibler Parameter. Beim direkten Vergleich der Überlebensrate von Amalgam- und Kompositfüllungen schnitten Komposite etwas schlechter ab. Die Unterschiede sind innerhalb der Literatur auf die Sekundärkaries und Frakturraten zurückzuführen. Hier ist eine differenzierte Betrachtung der klinischen Prüfung erforderlich [2].

Sekundärkaries und Frakturen treten bei Amalgamfüllungen also signifikant seltener auf?

Ilie: So pauschal möchte ich das nicht sagen. Publikationen aus dem Jahre 2010 zeigen zum Beispiel gleichwertige oder höhere Erfolgsquoten für Komposite im Seitenzahnbereich im Vergleich zu Amalgam. Allerdings: Patienten mit hohem Kariesrisiko wurden in die Studien nicht mit einbezogen. Die Unterschiede zwischen älteren und neueren Studien sind meines Erachtens auch auf die Verbesserung der Lichtpolymerisationsgeräte und auf die Sensibilisierung der Zahnärzte für die Bedeutung einer ausreichenden Polymerisation der Komposite zurückzuführen.

Adyani-Fard: Entscheidend ist das Studiendesign für die klinische Relevanz solcher Ergebnisse. Handelt es sich dabei um eine longitudinale oder eine Cross-sectional-Untersuchung [3]?

Baumgartner: Richtig, und Longitudinalstudien über 15 Jahre ergaben für Füllungen beider Werkstoffe die gleiche Lebensdauer, richtige Indikationsstellung und Verarbeitungstechnik vorausgesetzt [4].

Manche Studien dieses Designs sprechen sogar von einer Überlegenheit der Komposite gegenüber Amalgam. Für mich ist damit die Aussage, Amalgamfüllungen seien haltbarer als Kompositfüllungen, widerlegt [5].

Gilt das für alle Kavitätengrößen?

 Ilie: Nein, eher für kleine bis mittlere Kavitäten. Klinische Langzeitstudien haben hier in der Tat schon vor mehr als zehn Jahren nachgewiesen, dass Komposite exzellente Restaura‧tionsmaterialien für kleine bis mittelgroße Defekte sind. Es wurden sogar 17- bzw. 22-Jahres-Studien publiziert, die von 75 Prozent bzw. 64 Prozent Erfolgsraten berichten. In größeren Kavitäten liegen die Überlebensraten dagegen zwischen 70 und 73 Prozent nach elf Jahren. Allerdings scheint die Leistung der Komposite in Prämolaren besser als in Molaren zu sein.

Aus welchem Grund?

Ilie: Für Restaurationen von Molaren gelten Frakturen als Hauptgrund für das Versagen. Daraus lässt sich schließen, dass die mechanischen Eigenschaften von Kompositen in großen Kavitäten, besonders im Seitenzahnbereich, unabdingbar für den Langzeiterfolg einer Restauration sind. Mit den zunehmenden ästhetischen Anforderungen wurde jedoch die Partikelgröße in Kompositen minimiert. Und das wirkte sich meist negativ auf die mechanischen Eigenschaften aus.

Also je ästhetischer, desto instabiler?

Ilie: So könnte man es formulieren. Moderne Komposite sind im Vergleich zu Materialien, die in den 1970er und 1980er Jahren benutzt wurden, deutlich schwächer und weniger frakturresistent. Die mikromechanischen Eigenschaften, Oberflächenhärte und Indentierungsmodul der meisten Kompositmaterialien, sind zwar „vergleichbar mit dem menschlichen Dentin, doch deutlich geringer als die des menschlichen Schmelzes“.

Was ist die Lösung, indirekte Restaurationen?

Baumgartner: Nein, dass muss nicht der Umkehrschluss sein.

Ich habe zum Beispiel mit dem Verstärkerkomposit everX Posterior gute Erfahrungen gemacht. Damit lassen sich selbst größere Kavitäten, also tiefe Kavitäten der Klasse I und II, sowie Hohlräume mit drei oder mehr Flächen versorgen, ohne dass man auf eine indirekte Methode zurückgreifen muss. Das einzige Problem, das in seiner Verarbeitung auftreten kann, ist, dass es bei der Applikation am Instrument klebt. Das umgehe ich, indem ich mit gekühlten Instrumenten arbeite. Ansonsten ist das Handling gut und die Füllung nach Polymerisation sehr hart.

Wann stößt die direkte Füllung dennoch an ihre Grenzen?

Baumgartner: Klasse-II-Kavitäten versorge ich grundsätzlich direkt. Schließlich gibt es heute hochgefüllte Komposite, die trotzdem gut polierbar sind, eine hohe Haltbarkeit und Haftung aufweisen und nur gering abradieren. Selbst für Klasse-III-Kavitäten empfehle ich Komposite. Über die Versorgung von Klasse-IV-Läsionen entscheidet die Größe des Defekts. Bei einem großen Schneidekantenaufbau plädiere ich schon einmal eher für ein indirektes Verfahren. Allerdings variieren diese Empfehlungen von Fall zu Fall. Denn Restaurationsentscheidungen lassen sich am grünen Tisch nicht treffen.

Adyani-Fard: In den freigegebenen Indikationen ist EQUIA eine gute Alternative. Die Vorteile sind Eigenschaften wie gute Ästhetik, Schnelligkeit und Fluoridabgabe.

Wie füllen Sie Klasse-V-Kavitäten?

Baumgartner: Mit plastischen Füllungsmaterialien. Dazu eignen sich Kompomere bestens. Gute Ergebnisse erzielen wir auch mit einem Flowable-Komposit mit einem hohen Füllergehalt. Das Material fließt, ist dennoch standfest und schafft einen guten Verbund zum Zahn.

Gibt es eine Art Verdrängungswettbewerb direkt versus indirekt?

Baumgartner: Das kann man so direkt nicht sagen, denn neben der Indikationsfrage spielt auch eine Rolle, wie eine Praxis in Bezug auf die verschiedenen Restaurationsmöglichkeiten aufgestellt ist. Wer ein Cerec-Gerät besitzt wie wir, wird auch mehr indirekte Chairside-Versorgungen anbieten. Denn mit Kompositen lassen sich heute Versorgungen realisieren, die früher so nicht möglich waren.

Bulk-Fill-Komposite gelten als zeit- und kostensparend und sollen ähnlich ästhetische Ergebnisse wie Schichtkomposite liefern. Kann das sein?

Ilie: Ich gehe in puncto Zeit- und Kostenersparnis davon aus, bezüglich der Ästhetik müssen Abstriche hingenommen werden. Es gibt zurzeit zwar nur wenig klinische Daten zu Bulk-Fill-Kompositen. Aber diese Materialien wurden gründlich im Labor untersucht.

Darf man bei Kompositen nun überhaupt von einer echten Bulk-Fill-Technik sprechen?

Ilie: Ja! Für alle Bulk-Fill-Komposite, die bereits auf dem Markt sind, wurde bewiesen, dass bei einer adäquaten Polymerisa‧tion von 20 Sekunden mit moderner LED-Lampe eine Inkrementstärke von 4 mm durchaus erreicht werden kann und dass entlang dieser Schicht die mechanischen Eigenschaften und auch der Vernetzungsgrad konstant bleiben. Somit erlaubt diese Kompositkategorie durchaus eine „echte“ Bulk-Fill-Technik.

Was sagen Sie als Praktiker, Herr Dr. Baumgartner?

Baumgartner: Die klinische Akzeptanz für Bulk-Fill-Materialien ist eindeutig vorhanden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Behandler immer wieder bemüht sind, das Material zu nehmen, das ihnen die alltägliche Arbeit erleichtert und schneller macht.

Setzen Sie in Ihrer Praxis auf die Bulk-Fill-Technik?

Baumgartner: Ich verwende das Verstärkerkomposit everX Posterior. Das Prozedere ist mehr oder weniger identisch: Bei niedrigviskosen Bulk-Fill-Materialien muss man eine deckende Kompositschicht auftragen, damit die Füllungsoberfläche adäquat ausgearbeitet und poliert werden kann. Das everX Posterior wird mit einer Schicht Universalkomposit gedeckt.

Was ist das Besondere an solchen Verstärkerkompositen?

Baumgartner: Die mechanischen Eigenschaften. Und wenn man so oder so mit einem Komposit abdecken muss, ziehe ich everX Posterior einer Versorgung mit anderen Bulk-Fill-Materialien aufgrund der Festigkeit vor.

Adyani-Fard: Das Material ist mit kurzen Glasfasern ausgestattet, die für eine höhere Bruchfestigkeit der Restauration sorgen und gleichzeitig die Polymerisationsschrumpfung minimieren. Verschiedene Studien zeigten, dass die Polymerisationsschrumpfung geringer als bei konventionellen Kompositen ist und everX Posterior eine gute Adaptation an die Kavitätenwände aufweist [6].

Auch GC setzt auf Bulk-Filling. Wie sieht die aktuelle Studienlage zu dieser Technik aus?

Ilie: Studien über Bulk-Fill-Komposite berichten bislang von einer verbesserten Selbstnivellierung, geringeren Entwicklungen von Schrumpfungsstress während der Aushärtung, reduzierter Höckerdurchbiegung in standardisierten Klasse-II-Kavitäten sowie einer guten Verbindung zur Zahnhartsubstanz, unabhängig von der Füllungstechnik, der Kavitätenkonfigura‧tion oder – wie wir in einer aktuellen Studie beweisen konnten – dem Zahntyp, also permanent oder Milchzahn. Bulk-Fill-Komposite werden auch als Materialen vermarktet, die besonders gut geeignet sind für Patienten mit eingeschränkter Compliance, da Füllungen schneller und in wenigen Schritten appliziert werden können. Ähnliche marginale Integrität an Schmelz und Dentin im Seitenzahnbereich wurde für Kompositfüllungen berichtet, die entweder mit oder ohne eine 4 mm fließfähige Basis eingesetzt wurden, sowohl vor als auch nach thermomechanischer Belastung.

Spielen weitere Aspekte eine Rolle?

Ilie: Es muss deutlich zwischen niedrig- und hochviskose Materialien differenziert werden. Die niedrigviskosen Bulk-Fill-Komposite sind zwar zuverlässiger wegen hoher Weibull-Parameter als hochviskose Bulk-Fill-Komposite, jedoch zeigen sie auch deutlich geringere mechanische Eigenschaften und erfordern eine zusätzliche Deckschicht mit herkömmlichen Kompositen. Im Vergleich zu anderen Materialkategorien zeigen niedrigviskose Bulk-Fill-Komposite deutlich geringere mechanische Eigenschaften als herkömmliche Nano- und Mikrohybridkomposite, während die hochviskosen Bulk-Fill-Komposite diesbezüglich mit diesen Kompositkategorien statistisch gleich einzustufen sind und somit ein ähnliches klinisches Verhalten vermuten lassen.

Kommen wir noch einmal zurück auf die Polymerisationstiefe: Wie stellt man sicher, dass das Material auch wirklich ausgehärtet wird?

Ilie: In fast allen Bulk-Fill-Kompositen wurde die verbesserte Polymerisationstiefe durch die Steigerung der Transluzenz eingestellt, die überwiegend durch die Variationen von Füllkörpergröße und -gehalt erreicht wurde. Dies zeigt sich besonders bei niedrigviskosen Bulk-Fill-Kompositen, die einen geringeren Anteil an Füllkörpern enthalten als die herkömmlichen Nano- oder Mikrohybridkomposite. Zudem sind in vielen Bulk-Fill-Kompositen die Füllkörper selbst deutlich größer als in herkömmlichen Kompositen (> 20 µm). Der Grund: Die Reduktion der Grenzschicht zwischen Füller und Matrix und somit der Lichtstreuung entlang dieser Grenze. Durch die geringeren Lichtverluste werden tiefere Kompositschichten besser ausgehärtet. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass durch die sehr großen Füllstoffpartikel auch die Oberflächenrauigkeiten und der Verschleiß signifikant erhöht werden können. Das kann sich negativ auf die mechanische Stabilität, aber auch auf die Ästhetik der Restauration auswirken.

Sekundärkaries infolge insuffizienter Füllungen gilt als das Problem bei Kompositrestaurationen. Das scheinen ja die eingangs zitierten Studien zu belegen. Lassen sich die Restaurationen problemlos reparieren?

Ilie: Ja, das belegen etliche Untersuchungen. Allgemein wird derzeit eine Reparatur als eine wertvolle Methode angesehen, um die Qualität einer Restauration zu verbessern, und steht in Übereinstimmung mit dem Konzept der minimal‧invasiven Zahnheilkunde, das akzeptiert, praktiziert und in vielen Universitäten auch gelehrt wird. Außerdem ist die Reparatur einer Füllung kostengünstiger, zeitsparender und mit einem geringeren Verlust von Zahnhartsubstanz verbunden im Vergleich zur Herstellung einer neuen Restaura‧tion. Diese Aussagen werden durch Studien bestärkt, die zudem gezeigt haben, dass reparierte Restaurationen sogar höhere Überlebensraten aufweisen als Füllungen, die ersetzt wurden.

Müssen Kompositfüllung und das Reparaturmaterial identisch sein?

Ilie: Nein, das ist nicht zwingend notwendig, wenngleich die Reparaturmittel und die Oberflächenvorbehandlung eine wichtige Rolle spielen. Zwar wurde in einigen Studien gezeigt, dass die Verbundfestigkeit einer Reparatur der kohäsiven Festigkeit des Füllungsmaterials unterlegen ist, was der erhöhten Wasseraufnahme und Sättigung der gealterten Füllung zugeschrieben wird, jedoch beweisen aktuelle Studien, dass eine adäquate Reparatur durchaus vergleichbare Verbundfestigkeitswerte hervorbringen kann.

Worin liegen die Hauptprobleme beim „Reparieren“?

Baumgartner: Es muss ein stabiler Verbund von Komposit zu Komposit geschaffen werden. Gleichzeitig ist die Sauerstoffinhibitionsschicht, wie sie bei einer normalen Schichtung besteht, aber nicht mehr gegeben.

Wie gehen Sie konkret vor?

Baumgartner: Wenn ich sehe, dass eine Füllung prinzipiell noch intakt , aber eine Sekundärkaries am Rand aufgetreten ist, ziehe ich den Rand mit einem Diamanten auf und spule dann das ganze Programm – Anätzen, Bonden etc. – ab, um anschließend mit Universal Flo die Füllung zu reparieren. Ist die Indikation wirklich eng gestellt und die Füllung ansonsten in Ordnung, gibt es meiner Erfahrung nach auch für die Langzeitprognose keine Probleme.

Wann tauschen Sie doch aus?

Baumgartner: Bei approximalen Abscherungen und relativ großen Approximalüberhängen. In diesen Fällen funktioniert eine Füllungsreparatur meistens nicht. Erfolgsentscheidend ist das Anrauen. Ich gehe noch weiter: Meiner Meinung nach müsste man für den neuen Verbund einen Unterschnitt schaffen. Aber das ist eigentlich nicht der Hauptgedanke eines Komposits, sondern das ist die Voraussetzung für den Halt einer Amalgamfüllung.

Was ist der Stand der Wissenschaft? Welches Reparatur‧prozedere hat sich in der Klinik bewährt, Frau Prof. Ilie?

Ilie: Eine Oberflächenvorbehandlung der Füllung zur Erzeugung einer mechanischen Retention durch Aufrauen der Oberfläche mit einem Diamantbohrer oder durch Partikelstrahlen (SiO2, Al2O3), gefolgt von der Reinigung der Oberfläche mit Phosphorsäure und Wasser und die Applikation eines Silans, eines Adhäsivs und eines Reparaturkomposits.

Im Allgemeinen lassen sich höhere Verbundfestigkeiten erreichen, wenn die Oberfläche durch Partikelstrahlen angeraut wird. Eine Reinigung mit Phosphorsäure kann indiziert sein, da bei der Reparatur auch Zahnhartsubstanz exponiert wird, was eine Konditionierung mit Phosphorsäure erfordert.

Wie beurteilen Sie das als Repräsentantin der Industrie, Frau Dr. Adyani-Fard?

Adyani-Fard: Grundsätzlich sollte man vor einer Revision prüfen, ob es überhaupt möglich ist, die Füllung zu reparieren. Dies ist auch eine Frage der Füllungsgröße; bei kleineren Frakturen können durchaus suffiziente Reparaturen umgesetzt werden. Ein Problem ist, wie Frau Prof. Ilie und Dr. Baumgartner schon ausgeführt haben, einen optimalen Haftverbund von Komposit zu Komposit zu erreichen.

Was empfehlen Sie?

Adyani-Fard: Die Wahl der richtigen Adhäsivtechnik ist ein Erfolgskriterium. GC bietet hierfür den „Composite Primer“ an. Liegt eine Sekundärkaries vor, ist die Frage ihrer Ausdehnung entscheidend. Möglicherweise ist in extremen Fällen eine vollständige Füllungsrevision sinnvoller. Nicht jedes Komposit ist röntgenopak – damit wird auch die Beurteilung der Kariesausdehnung bei bereits zu erkennender Sekundärkaries schwieriger.

Seit der IDS drängen Universaladhäsive auf den Markt, die sich für direkte und indirekte Restaurationen und für chemische, lichthärtende und dualhärtende Füllungsmaterialien ohne Einschränkungen eignen sollen.

Welche Vorteile bringen die „Alleskönner“?

Ilie: Universaladhäsive versprechen eine Verringerung der Behandlungsschritte und der potenziellen Applikationsfehler sowie eine Verkürzung der Behandlungszeit. Das Indikationsspektrum umfasst nicht nur den Verbund zur Zahnhartsubstanz, sondern auch zu Materialien verschiedener Art, wie Komposit, Metall und Keramiken, bedingt durch deren komplexe chemische Zusammensetzung, die neben Methacrylmonomeren auch Silane und Phosphatmonomere umfasst.

Gibt es aktuelle Studien?

Ilie: Unsere neuesten Untersuchungen weisen Universaladhäsive als hervorragende Mittel für die Reparatur moderner CAD/CAM-Polymerwerkstoffe oder gealterter Kompositfüllungen aus, die eine geringe Menge an ungesättigten C-C-Bindungen enthalten. Die verbesserte Wirkung verglichen mit Adhäsiven, die auf reiner Methacrylatbasis formuliert sind, ist auf die unterschiedlichen funktionellen Monomere zurückzuführen, die nicht nur die organische Matrix in den Verbund einbeziehen, sondern auch die anorganischen Füllkörper. Aber, und das gilt grundsätzlich für alle Materialkategorien, ein Produkt darf nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Materialklasse eingestuft werden. Vielmehr müssen Produkte einzeln untersucht und bewertet werden. Viele Universaladhäsive basieren auf HEMA, also auf einem hydrophilen OH-haltigen Monomer. Das kann sich in hohen Mengen, bedingt durch höhere Wasseraufnahme, negativ auf die Verbundfestigkeit auswirken. Die Wirkung verschiedener Universaladhäsive kann somit unterschiedlich ausfallen.

Sind Mehrflaschensysteme angesichts des Trends zur Vereinfachung in der Adhäsivtechnik bald Schnee von gestern?

Baumgartner: Auf keinen Fall. Ich selbst benutze zum Beispiel grundsätzlich kein Universaladhäsiv. Die Industrie und die Behandler versuchen zwar immer, mit neuen Produkten die Arbeitsschritte zu optimieren, aber ob Universaladhäsive das leisten können, bleibt abzuwarten.

Inwiefern?

Baumgartner: Schauen wir erst einmal, wie die Zähne nach der Anwendung von Universaladhäsiven hinsichtlich ihrer Sensibilität reagieren, wie stark der Haftverbund tatsächlich ist und ob diese Adhäsive das halten, was sie in der Werbung versprechen.

Frau Dr. Adyani-Fard, teilen Sie diese Skepsis?

Adyani-Fard: Nein, Universaladhäsive bieten breit gefächerte Anwendungsmöglichkeiten. Da neben einer vereinfachten Anwendungsweise derzeit eine Reduzierung der Behandlungszeit sicher ein angestrebtes Ziel der Entwicklungen durch die Industrie ist, stand auch bei der Einführung der Universaladhäsive der Zeitgewinn im Vordergrund. Im Vergleich zu Mehrschrittadhäsiven werden zudem auch mögliche Anwendungsfehler bei einem einfacheren System reduziert.

Zurück zur Viskosität von Kompositen – welche Vor- und Nachteile sehen Sie bei einer höheren bzw. niedrigeren Viskosität mit Blick auf das Behandlungsergebnis?

Ilie: Die Viskosität einer unpolymerisierten Kompositpaste ist für die Formgebung und Verarbeitung von größter Bedeutung und wird zum einen von der Temperatur beeinflusst, zum anderen von stofflichen Größen wie Konzentration, Form, Größe und Größenverteilung der Füllkörper, organische Matrix, Wechselwirkungen zwischen den Partikeln und Wechselwirkungen zwischen den Partikeln und der organischen Matrix. Die Viskosität wird meist durch die Reduktion der Füllkörper verringert, was eine Verbesserung der Fließeigenschaften hervorbringt, sich aber auch negativ auf die mechanischen Eigenschaften, vor allem den Elastizitätsmodul, auswirkt. Die Biegefestigkeit hingegen kann sich dadurch sogar verbessern, da die Materialien meist auch flexibler werden. Niedrigviskose Komposite erleichtern sicherlich die Herstellung guter Kavitätenränder im approximalen Bereich oder schwer zugänglicher Bereiche. Somit sind sie als Liner unter normalviskosen Kompositen gut geeignet. Auch für die Restauration kleiner Defekte, die Versorgung kleiner Klasse-V-Kavitäten, als erweiterte Fissurenversiegelungen oder für Reparaturen alter Restaurationen sind Materialien mit geringer Viskosität indiziert. Jedoch muss, wenn die mechanische Stabilität im Vordergrund steht, auf einen höheren Füllkörpergehalt geachtet werden.

Adyani-Fard: Ich schließe mich an. Materialien mit niedriger Viskosität bieten zweifelsfrei Vorteile bei tiefen und schmalen oder auch unter sich gehenden Bereichen. Sie beugen in diesen Bereichen der Entstehung von Hohlräumen oder Randspalten vor. Ihre Materialeigenschaften wirken sich andererseits aber nachteilig auf die Modellierbarkeit und ihre physikalischen Eigenschaften aus. Deshalb wurde bei der Entwicklung von G-ænial Universal Flo besonderes Augenmerk auf die Viskosität gelegt. Sie ist hier sorgfältig ausgewogen, um ein Material bereitzustellen, das zwecks einer problemlosen Platzierung in der Kavität gleichmäßig fließt. Gleichzeitig ist das Material auch stark thixotrop, d. h., es verläuft nicht, bleibt fest und sicher an seinem Platz und behält seine Form. So werden ein einfaches Applizieren ebenso wie eine schnelle und einfache Polierbarkeit ermöglicht. Damit können zahlreiche Indikationen versorgt werden und G-ænial Universal Flo eignet sich über seine Funktion als direktes Füllungsmaterial für Kavitäten der Klasse I bis V hinaus bspw. für Kavitäten mit kleinstem Eingriff oder zum Splinten, also der Fixierung beweglicher Zähne. Mit 15 angebotenen Farben und drei verschiedenen Opazitätsstufen wird es auch den ästhetischen Ansprüchen der Patienten gerecht.

Größere Polymerisationschrumpfung versus kleinere, gute und weniger gute Transluzenz, bessere und schlechtere Polierbarkeit usw. – wie vermeiden Sie solche Probleme bei der fertigen Füllung aufgrund der Viskosität?

Baumgartner: Ich kleide zum Beispiel bei Klasse-II-Kavitäten die Ränder des Kastens mit dem Universal Flo aus, bevor ich dann ein Universalkomposit darüber schichte. Bei großem Verlust an Dentinsubstanz ziehe ich zusätzlich noch everX Posterior ein und schichte anschließend außen herum das G-ænial beidseits bis oben. Bei dieser Vorgehensweise habe ich aus meiner Erfahrung heraus die wenigsten Probleme.

Einfacher, leichter, unkomplizierter – dieser Trend bewegt derzeit das Fach. Welche Optimierungen wünschen sich die Zahnärzte von der Industrie im Bereich der Füllungstherapie?

Adyani-Fard: Bulk-Fill-Materialien müssen in puncto Ästhetik weiter verbessert werden. Wie hinlänglich bekannt, wird eine größere Durchhärtetiefe durch eine erhöhte Transluzenz erreicht. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass trotz verbesserter Farbanpassung dank entsprechender Füllstoffverteilung durchscheinende Schatten von angrenzenden Amalgamfüllungen oder Goldrestaurationen möglich sind. In diesem Punkt besteht sicherlich noch Forschungsbedarf.

Zusammenfassung

  • Beim direkten Vergleich der Überlebensraten von Amalgam und Kompositfüllungen schnitten Komposite in der Vergangenheit etwas schlechter ab. Entscheidend für die Relevanz solcher Ergebnisse ist allerdings das jeweilige Studiendesign. So sind in Longitudinalstudien Komposite dem Amalgam gleichwertig oder überlegen.
  • Grundsätzlich scheint die Leistung von Kompositen in Prämolaren besser zu sein als in Molaren.
  • Insuffiziente Kompositfüllungen lassen sich unkompliziert reparieren. Wichtig ist der optimale Haftverbund von Komposit zu Komposit. Dabei kommt es u. a. auf die Wahl der richtigen Adhäsivtechnik an.
  • Bei Reparaturen müssen Kompositfüllungen und Reparaturmaterialien nicht zwingend notwendig identisch sein, wenngleich Reparaturmittel wie Oberflächenvorbehandlung eine wichtige Erfolgsrolle spielen.
  • Steht die mechanische Stabilität einer Restauration im Vordergrund, ist ein Komposit mit höherem Füllkörpergehalt angezeigt.
  • Bulk-Fill-Komposite liegen im Trend. Sie verkürzen die Behandlungszeit und sind für den Patienten kostengünstiger. In puncto Ästhetik gilt es aber nachzubessern.

Die Autoren

 Dr. Dana Adyani-Fard
ist Zahnärztin und geht neben ihrer zahnärzt‧lichen Tätigkeit seit 2008 einer Beschäftigung im Bereich Clinical Research in der Industrie nach. Seit 2011 bei der GC Germany GmbH tätig, leitet sie dort aktuell den Professional Service und verantwortet alle wissenschaft‧lichen GC-Kooperationen in Deutschland.
Kontakt: d.adyani-fard@gcgermany.de

 Prof. Dr. Nicoleta Ilie
ist seit 1999 an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universität München tätig. 2014 wurde sie zur apl. Professorin an der Medizinischen Fakultät ernannt. Ihre Ausbildungsstationen umfassen ein Studium der Technischen Chemie in Rumänien sowie der Werkstoffwissenschaften in Erlangen-Nürnberg.
Kontakt: nilie@dent.med.uni-muenchen.de

Dr. Sven Baumgartner
studierte Zahnmedizin in Köln und ist dort seit 2001 als niedergelassener Zahnarzt tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Implantologie und der Ästhetischen Zahnheilkunde. Er ist Mitglied in der DGZMK, der DGI sowie der Akademie Praxis und Wissenschaft (APW).
Kontakt: info@drbaumgartner.de