Expertenzirkel

Praxistauglichkeit von Früherkennungstests

Revolutionieren aMMP-8-Tests den Kampf gegen die Parodontitis oder sind sie im Praxisalltag letztlich überflüssig? Diese und andere Fragen diskutieren Marcus van Dijk, Hager & Werken, Dr. Ralf Rößler und Prof. Dr. Anton Sculean im aktuellen Expertenzirkel.



Geläufige Mittel der Parodontitis-Diagnostik sind die PA-Sonde und das Röntgen. Außerdem gibt es unterschiedliche Tests, die entweder die bakterielle Zusammensetzung des Biofilms analysieren oder die genetische Disposition des Patienten (ILA 1–8). Darüber hinaus werden auch aMMP-8-Tests angeboten. Damit kann der Sulkusfluid auf die aktive Form der Matrix-Metalloproteinase-8 (aMMP-8) hin untersucht werden, die die Hauptursache für die parodontale Zerstörung ist. Schon nach wenigen Minuten lässt sich parodontaler Gewebe- und Knochenabbau diagnostizieren, und das, bevor die klinischen Anzeichen durch Röntgen oder Sondieren überhaupt sichtbar werden. Revolutionieren aMMP-8-Tests den Kampf gegen die Parodontitis oder sind sie im Praxisalltag letztlich überflüssig? Diese Frage diskutieren Fachleute aus Praxis, Hochschule und Industrie im aktuellen Expertenzirkel.

Herr Prof. Sculean, die Erhebung des parodontalen Screenings-Indexes (PSI) und die Röntgenaufnahme sind ganz zentrale diagnostische Verfahren in der parodontalen Praxis. Braucht es dennoch Früherkennungstests?

Sculean: Ich zähle da eher zu den Skeptikern. Es gibt etliche Parodontitis-Tests, vom ILA-1 bis zum Chairside-aMMP-8-Test. Die Frage ist nur: Was bringen die Untersuchungen prognostisch überhaupt?

Das Enzym aMMP- 8 erzählt uns doch eigentlich nur eine Geschichte: Ist dieser Marker erhöht, findet eine Entzündung statt. Ich sehe die Indikation im täglichen klinischen Gebrauch nur extrem begrenzt. Dazu kommt: Unsere Therapie wird von dem Ergebnis überhaupt nicht beeinflusst.

Sind solche Tests überflüssig?

Sculean: Das möchte ich nicht sagen. Es ist schon interessant und aufschlussreich zu wissen, wie hoch die Entzündungsparameter sind, etwa im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen zum aMMP-8-Level nach lokaler Antibiotikatherapie. Aber in der täglichen Praxis spielt der Test zumindest in unserem Haus keine Rolle.

Herr Dr. Rößler, folgen Sie Prof. Sculean?

Rößler: Ja und Nein. Definitiv bin ich ein Fan von PA-Früherkennungstests und halte sie bei jedem parodontal gefährdeten Patienten für ein Muss, vorausgesetzt – und das möchte ich unterstreichen – der Test hält, was er verspricht.

Ist das denn nicht der Fall?

Rößler: Nicht wirklich, und da gebe ich Prof. Sculean recht. Die Datenlage spricht noch nicht für den routinemäßigen Einsatz von Parodontitis-Früherkennungstest im Praxisalltag. Noch bewegt sich das Ganze im klinischen Experimentierstadium. Aber das ist ja immerhin schon etwas.

Herr van Dijk, Hager Werken hat im letzten Jahr den Vertrieb des von GlaxoSmithKline (GSK) mit enormen Marketing-Aktivitäten auf den Markt gebrachten PerioMarker übernommen. Dieser Praxisschnelltest zur Früherkennung eines Parodontitis-Progressionsrisikos lässt sich direkt am Behandlungsstuhl binnen kurzer Zeit durchführen.

Was ist der Unterschied zu den schon lang etablierten Bakterientests?

van Dijk: Damit sollte der aMMP-8-Test nicht verwechselt werden, das möchte ich betonen. Beim PerioMarker handelt es sich weder um einen Bakterientest noch um einen reinen Entzündungsmarker. Auch wenn Bakterien und Entzündungen dazu beitragen können, Abbauprozesse sind das Ergebnis unserer eigenen parodontopathogenen Enzyme und Osteoklasten. Der PerioMarker zeigt zuverlässig begonnenen, aktiven Knochenabbau an. Das kann auch der Fall sein, wenn keine sichtbaren Entzündungen vorliegen. Er dient als Frühwarnsystem und kann auch nach Einsetzen einer entsprechenden Therapie als Kontrollmechanismus verwendet werden. Er zeigt, ob bereits eine Verbesserung der Situation eingetreten ist. Wird kein aktives aMMP-8 mehr nachgewiesen, hat die Therapie angeschlagen, aktiver Knochenabbau findet in dem Moment nicht mehr statt.

Bei welchen Patienten setzen Ihre Kunden den Test ein?

van Dijk: Bei Neupatienten für ein erstes Frühscreening, sowohl bei positivem als auch bei negativem PA-Befund. Der Test stellt fest, wie hoch der Anteil an aMMP-8 im Speichel ist und zeigt erhöhte Werte sofort an. aMMP-8 ist ein körpereigenes Enzym, das verantwortlich ist für pathogenen Gewebeabbau in der Mundhöhle. Bleibt bei einem positiven Test die Therapie aus, wird die dauerhafte Präsenz von aMMP-8 mittelfristig zu Knochenrückgang, Verlust des Weichgewebes und Zahnverlust führen.

Herr Prof. Sculean, überzeugen Sie diese Argumente?

Sculean: Nein, im Praxisalltag spielt die aMMP-8-Früherkennung derzeit keine Rolle. Ausschlaggebend sind der Einsatz der PA-Sonde und das Röntgenbild.

Ob ein Patient positiv oder negativ auf aMMP-8 getestet wird, ist auch überhaupt nicht relevant, vor allem aufgrund der unklaren therapeutischen Konsequenzen. Hat ein Patient ein Problem, muss ich das Problem behandeln, auch bei negativem Testergebnis. Wie aber reagiere ich auf ein positives Testergebnis, wenn mein Patient weder eine Tasche noch andere klinischen Symptome aufweist? Soll ich ihn jetzt therapieren, obwohl er nichts hat?

In welchen Fällen macht aus Ihrer Sicht ein Frühscreening per Interleukin-1-Polymorphismus-Test Sinn?

Sculean: Zum Beispiel bei Parodontitis-gefährdeten Menschen. Haben etwa Eltern und Geschwister Parodontitis, ist es durchaus gerechtfertigt, die Kinder zu monitoren.

Bei positivem Testergebnis könnte man diese Patienten alle sechs Monate zu einer Kontrolle einbestellen, bevor die Krankheit ausbricht. Aber: Der Test dient in solchen Fällen einer engmaschigen Kontrolle, nicht mehr und nicht weniger.

Bitte konkretisieren Sie das.

Sculean: Rauchen und schlechte Mundhygiene haben eine weitaus höhere Bedeutung als ein positives Testergebnis. Aber: Es gibt Daten in der Literatur, die belegen, dass die Kombination von Rauchen und einem positiven Interleukin-1-Polymorphismus-Test zu deutlich schlechteren Prognosen führt. Und diese Kombination ist wissenschaftlich nachgewiesen.

Sehen Sie auch Vorteile im aMMP-8-Monitoring?

Sculean: Vielleicht Bestätigung der Diagnostik oder die Gewinnung weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Ich selbst zähle, wie gesagt, allerdings eher zu den Skeptikern. Etliche Kollegen denken aber anders. Aber noch einmal: Wenn man sich die Daten wirklich anschaut, bringen diese Tests für die tägliche Praxis einfach ziemlich wenig.

Herr van Dijk, rechnen Sie mit einer wachsenden Akzeptanz?

van Dijk: Absolut, die Zahlen der Deutschen Mundgesundheitsstudie sprechen für sich. Trotz des enormen Aufwands der Zahnmediziner wie auch der hier aktiven Industrievertreter nehmen Parodontitis und Periimplantitis schneller zu, als uns das lieb ist. Mehr als 15 Millionen Bürger sind derzeit betroffen, wurden jedoch noch nicht erkannt. Hier möchten wir gerne unseren Anteil zu einer besseren Mundgesundheit leisten. Und: Da es viele wechselseitige Beziehungen von Parodontitis zu anderen Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Rheuma, Asthma, aber auch zu Herzinfarkten und Frühgeburten gibt, bietet es sich an, den PerioMarker auch interdisziplinär und zur Neupatientengewinnung mit entsprechender Hintergrundaufklärung zu nutzen.

Wie viele PA-Schnelltests gibt es eigentlich?

van Dijk: Einen Chairside-Schnelltests auf aMMP-8-Basis in der Praxis bieten zurzeit nur wir an.

Wie sieht es mit der Verbreitung aus? Ist der aMMP-8-Test schon in der Praxis angekommen?

Sculean: Die Tests werden von etlichen Kollegen genutzt, etwa um die Patienten zu monitoren, das ist mir bekannt. Viele schätzen auch den psychologischen Effekt. Der Zahnarzt agiert hier mehr als Mediziner, so dass ein positives Testergebnis durchaus motivierend wirken kann. Das kann durchaus einen Aha-Effekt auslösen und den Patienten zur besseren Mitarbeit im PA-Programm bewegen.

Rößler: Ich denke eher, dass viele Zahnärzte den Test noch nicht kennen. Das unterstreicht den momentanen Experimentierstatus in Hochschule und Industrie. Also in die Alltagspraxis im klassischen Sinne hat er noch keinen Einzug gehalten.

van Dijk: Von einer Experimentierphase zu sprechen – dem kann ich nicht folgen. GSK hat den PerioMarker bereits vor drei Jahren sehr erfolgreich platziert. Das Thema aMMP-8 wurde bereits in mehr als 600 veröffentlichten Studien untersucht. Aber vielfach wird unser Test noch mit herkömmlichen Bakterienerkennungstests verwechselt.

Jeder von uns trägt zwischen 900 und 1 100 verschiedene Bakterienstämme in der Mundhöhle mit sich. Solange diese sich in einem guten Gleichgewicht befinden und Gram-negative Bakterien nicht überwiegen, ist dies auch nicht weiter schlimm. Auch ist inzwischen bekannt, dass es zu Knochenabbau und Gewebedegeneration MIT auffälligem Bakterienbefund, ABER auch OHNE kommen kann. Die Aussage eines reinen Bakterientests hilft uns in der Regel also nicht wirklich weiter, wie auch das Konsensuspapier der DGP bestätigt. Die Ursachen für Gewebedegeneration können vielfältig sein und reichen von genetischer Prädisposition über Stress, falsche Ernährung, Nikotin-, Alkohol- oder Drogenabusus bis zur mangelnden Mundhygiene.

Wie hebt sich der PerioMarker denn von diesen herkömmlichen Diagnostika ab?

van Dijk: Herkömmliche Diagnostika zeigen an, welche Bakterienarten in welchem quantitativen Verhältnis im Patienten vorhanden sind. Letztlich hat aber jeder Patient – und das wissen wir bereits vorher – eine Vielzahl von Bakterien in der Mundhöhle.

Art und Anzahl der Bakterien sagen jedoch nicht zwangsläufig etwas darüber aus, ob Entzündungsprozesse bestehen, und schon gar nicht, ob derzeit akuter Knochenabbau im Gange ist. In der Tat existiert zwischen einer aktuellen Entzündung und Knochenabbau nicht immer ein direkter kausaler Zusammenhang. So sind bei Rauchern keine Entzündungen zu erkennen, obwohl aktiver Knochenabbau bereits im Gange ist. Es besteht also ein Risiko mit Entzündungsprozessen, aber auch ohne. Die Marker auf aMMP-8-Basis zeigen hier schnell, preiswert und zuverlässig aktive degenerative Prozesse an – unabhängig von Bakterien und entzündlichen Prozessen. Das kann derzeit kein anderer Test.

Leider übernimmt der Test nur den reinen Part des Frühdiagnostikums und trägt noch nicht zur Therapie für den Patienten bei.

Und was bedeutet das für die Praxis?

Rößler: Momentan gibt es keine therapeutischen Konsequenzen. Es macht ja keinen Sinn, in erhöhten aMMp-8-Werten eine Indikation für eine Kürettage oder irgendetwas anderes Klinisches zu sehen. Man sollte grundsätzlich eine Diagnostik mit den parodontologischen Standardparametern durchführen. Aber: Die Tests könnten die Diagnostik erweitern. Als Konsequenz positiver Befunde könnte zum Beispiel alle drei bis vier Monate eine Intensivdiagnostik anberaumt werden.

Will man das?

Rößler: Nicht ohne wenn und aber, das muss man abwägen. Überdiagnostik hat schließlich auch Nebenwirkungen.

Wird die Bedeutung solcher Test zunehmen?

Sculean: Davon gehe ich aus. Bis auf einen gewissen Motivationseffekt weiß ich momentan allerdings nicht, was die PA-Früheerkennungstests bringen sollen.

Van Dijk: Auch wir gehen von einer steigenden Akzeptanz aus. Schließlich leiden laut der aktuellen Mundgesundheitsstudie IV 52,7 Prozent der über 35-jährigen Deutschen an aktuellen PA-Problemen. Das sind immerhin mehr als 15 Mio. Bundesbürger. Laut Zahlen der DGZMK befinden sich derzeit nur 450.000 Patienten in einer PA-Therapie, kennen also ihren Befund und unternehmen etwas dagegen. Leider sind das nur 3 Prozent der Betroffenen. Hier kann der PerioMarker seinen Beitrag leisten, auf schnelle, einfache und bezahlbare Art diejenigen mit akuten Gebewebeabbauprozessen herauszufiltern, um frühzeitig eine Therapie einzuleiten. So können wir vorzeitigen Gewebeabbau, Zahnverlust, aber auch interdisziplinäre Auswirkungen auf andere Teile des Körpers verhindern. Der PerioMarker kann daher als reines Diagnostikum zwar leider nichts an der Therapie ändern, dafür aber das Frühscreening deutlich vereinfachen und so zu einer besseren Mundgesundheit und Linderung anderer Volkskrankheiten beitragen.

Wie sollen künftige Tests aussehen? Wo geht die Reise hin?

Sculean: In Richtung Speicheltests, das wird sich durchsetzen. Und zwar nicht nur auf der Basis eines Markers, sondern auf der Grundlage einer Kombination unterschiedlicher Endzündungsmarker und bestimmter parodontalpathogener Bakterien. Tests auf der Basis nur eines Markers – das wird sich meines Erachtens auf Dauer nicht etablieren, das ist einfach zu wenig.

Gibt es schon erste Ansätze?

Sculean: In den USA, ja, konkret in Michigan wird in diese Richtung geforscht. Aber auch bei uns in der Klinik für Parodontologie an der Universität Bern, OA Dr. Christoph Ramseier ist hier sehr aktiv.

Herr van Dijk, helfen Sie uns: Hochschule und Praxis vermissen derzeit die therapeutischen Konsequenzen, die dem Test folgen sollen. Bitte bringen SIe es noch einmal auf den Punkt, was bringt der Test und was sind die Konsequenzen?

Van Dijk: Das ist eine sehr spannende Frage. Um diese im Detail zu beantworten, muss ich Ihnen allerdings vier verschiedene Szenarien wie folgt kurz skizzieren:

 1) Der Patient zeigt keinerlei klinische Zeichen, und der Test ist negativ. Diese Situation wünschen wir uns für unsere Patienten. Weder haben PSI noch BOP Auffälligkeiten gezeigt, noch liegen versteckte Entzündungen oder aktuell aktiver Knochenabbau vor. Diesen Patienten können wir entspannt in einem Jahr wiedersehen.

 2) Der Patient zeigt keinerlei klinische Zeichen, und der Test ist positiv: In dieser Situation entfaltet der Test seinen vollen Nutzen. Wir erkennen zu diesem Zeitpunkt weder per Sondierung, Röntgen, PSI noch durch BOP Indizes und dennoch schlägt der Test an. Dies ist ein eindeutiges Zeichen für aktuellen degenerativen Gewebeabbau. Dies kann der Fall sein bei versteckten Entzündungen, die sich derzeit weiter entwickeln. Es ist ratsam, den Patienten in einem engeren Recall zu beobachten. In der ersten, leichteren Therapieform sind hier manuelle Therapie (SRP), Ultraschallbehandlung und die Eingabe von LDDs wie dem mucoadhäsiven ChloSite PerioSchutz Gel oder PerioChip angebracht.

3) Der Patient hat auffällige Anzeichen von PA und der PerioMarker-Test ist positiv: In diesem Fall zeigen bereits die typischen Indizes Zeichen einer PA, und der Test belegt zusätzlich, dass aktuell Knochen abgebaut wird. Diese Vermutung wäre hier bereits ohne Test gegeben. Das positive Testergebnis spricht jedoch zusätzlich für einen progressiveren Verlauf des Krankheitsbilds, so dass in einem solchen Fall weitere Maßnahmen zum Einsatz kommen sollten. Hier könnten eventuell – je nach Befund der vorhandenen Bakterienstämme bei aa oder pg – lokale oder systemische Antibiotika zum Einsatz kommen. Eventuell sind Maßnahmen wie aPDT mittels Lasertherapie oder Ozonbehandlungen, in schlimmeren, fortgeschrittenen Fällen Bone Remodelling und freies Doxycyclin inkl. ResoPac angebracht. Nicht selten finden sich hier auch Fälle, in denen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärzten anderer Fachrichtungen sinnvoll sein kann wie bei der Behandlung von Diabetikern (Blutzucker mittesten), Rheumatikern oder Patienten mit bekannten Herzleiden. Hier können sich die einzelnen Fachrichtungen wunderbar zum Wohle des Patienten gegenseitig unterstützen.

 4) Der Patient hat auffällige Anzeichen von PA und der PerioMarker-Test ist negativ. Auch diese Variante kann in der Tat vorkommen. Wie bereits erläutert, zeigt der Test aktiven Gewebeabbau an. Dieser kann mit aktuellen Entzündungen erfolgen, aber auch ohne. Parodontitis und Periimplantitis sind keine sich linear graduell entwickelnden Krankheitsbilder, sondern zeigen sich progressiv exponentiell mit einzelnen Ruhephasen dazwischen. In diesem Fall zeigt der Test, dass der Patient sich in einer Phase ohne aktuelle Gewebedegenerationen befindet. Dies kann ein Zeichen dafür sein, dass die aktuell begonnene Therapie erste Früchte trägt (für die Visualisierung und Forensik wertvoll), oder/und zeigt, dass sich das Immunsystem des Patienten erholt und die Zellen sich derzeit regenerieren können. Zu diesem Zeitpunkt hilft der Test, den Patienten zu motivieren und zu zeigen, dass der eingeschlagene Weg bereits der richtige ist.

Gibt es bereits klinische Studien?

Van Dijk: Ja! Zwar sind PerioMarker und insbesondere der ImplantMarker als sofort am Behandlungsstuhl durchführbare Schnelltests noch relativ neu. Die Thematik der aMMP-8-Bestimmung und deren Einflüsse auf die Mund- wie Allgemeingesundheit sind jedoch seit Langem evidenz-basiert. aMMP-8 sind heute für die Mundgesundheit das, was CRP und Cholesterin für den Körper sind. Interessierten Medizinern biete ich gerne an, ihnen per Mail eine Übersicht mit mehr als 100 veröffentlichten Studien zum Thema aMMP-8 zukommen zu lassen.

Kommen wir zum Thema Periimplantitis …

van Dijk: Wir haben auf der IDS in Köln mit dem ImplantMarker einen ganz neuen Ansatz vorgestellt. Er zeigt im Rahmen des regelmäßigen Recalls, ob das Implantat sicher platziert ist oder ob bereits aktive, degenerative Abbauprozesse des Gewebes stattfinden. Somit hilft der Test gegebene Garantieversprechen des Behandlers abzusichern, und zeigt Aktions- bzw. Therapiebedarf weit vor anderen Diagnostika.

Funktioniert der Test ähnlich wie der PerioMarker?

van Dijk: Während der PerioMarker als Mundspültest durch einfaches Umspülen aMMP-8 diagnostiziert, verwendet der ImplantMarker einen hauchdünnen Entnahmestreifen zur Probeentnahme direkt in der Sulkusflüssigkeit am Implantatsaum.

Prof. Sculean, führen Sie in Ihrer Klinik Periimplantitis-Früherkennungstest durch?

Sculean: Momentan nur zu wissenschaftlichen Zwecken. Wir setzen bei der Periimplantitisdiagnostik auf Sonde und Röntgenbild. Das funktioniert beim Implantat genauso gut wie beim Zahn. Ein Nachteil ist allenfalls, dass das Gewebe im Implantathalsbereich straffer und das Sondieren schwieriger ist.

Van Dijk: Aber ist das denn nicht zu spät? Wenn ich mit der Periimplantitistherapie so lange warte, bis ich die Probleme durch Sondieren oder Röntgen erkennen kann, habe ich doch deutlich schlechtere Chancen auf einen schnellen Therapieerfolg.

Prof. Sculean, was antworten Sie, halten Sie ein Periimplantitis-Screening per aMMP-8-Analyse für unnötig?

Sculean: Nein, die Entzündung am Implantat schreitet viel schneller voran und erreicht viel höhere Werte. Misst man am Implantat und am Zahn die gleiche Sondierungstiefe, ist der Entzündungsprozess am Implantat deutlich aggressiver und stärker. Mit anderen Worten: Der aMMp-8-Level wäre am Implantat deutlich höher, trotz gleicher Sondierungstiefen. Eventuell könnte man dann mit diesem Test schneller erkennen, dass da ein rasanter Entzündungsprozess vorhanden ist. In diesen Fällen könnte es von Vorteil sein, diese Patienten zusätzlich zu monitoren.

Rechnen Sie auch in diesem Bereich mit neuen Entwicklungen?

Sculean: Ja, auch hier sollte man sich auf die Diagnose von Speichelproben fokussieren. Denn bei jedem Implantat mit Streifen Proben am Sulkus zu entnehmen, das halte ich für sehr umständlich und nicht praktikabel, Weiß man nach Entnahme der Speichelprobe, dass ein Entzündungsherd besteht, geht die Suche klinisch mit Sonde und Röntgenaufnahmen weiter, um die Stelle therapieren zu können.

Van Dijk: Wir haben allerdings festgestellt, dass versteckte Entzündungen am Implantat relativ lange abgeschlossen bleiben und sich sowohl aMMP-8 als auch die wachsende Entzündung sehr lange abgeschirmt vom Rest des Speichelmilieus entwickeln können. Deshalb war für unseren neuen Test die direkte Entnahme am Sulkusfluid am Implantatboden unerlässlich.

Rößler: Meiner Meinung nach macht bei einer Periimplantitis ein sidepezifischer Test Sinn. Ist der Wert erhöht und wird durchdie klinische Diagnostik und das Röntgenbild eine beginnende periimplantäre Entzündung bestätigt, sollte die Therapie so früh wie möglich einsetzen. Auch in diesem Bereich fehlen noch klinische Daten. Das ist alles im experimentellen Stadium.

Screenen Sie in Ihrer Praxis Periimplantitis-gefährdete Patienten regelmäßig?

Rößler: Wir haben im Rahmen einer Praxisstudie bereits mehr als 60 Implantate, die eine periimplantäre Entzündung aufweisen, über 26 Monate untersucht. In einem dreimonatigen Controlling – nach durchgeführter lokalantibiotischer Therapie – haben wir den aMMP-8-Level gemessen. Ergebnis: Nach der lokalantibiotischen Therapie bleibt die Mehrheit 12 bis 15 Monate stabil, dann steigt der Wert langsam und man muss abwägen, ob man noch eine weitere Lokalantibiose durchführt oder anders vorgeht.

Kurz: Sidespezifisches Controlling in der Perimplantitistherapie kann Sinn machen.

Herr van Dijk, wie geht es weiter, wann werden die Früherkennungstest wirklich praxistauglich sein?

van Dijk: Unserer Ansicht nach sind wir mit diesen neuen Tests in der Frühdiagnostik bereits sehr gut aufgestellt. Unsere weiteren Anstrengungen werden der Forschung und Entwicklung wirksamer prophylaktischer Maßnahmen wie entsprechender Therapieansätze im Kampf geben Parodontitis und Periimplantitis gelten.

Die Experten:

Marcus van Dijk studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Berufsakademie in Stuttgart. Seit 1995 ist er in der Dentalbranche tätig, wo er zehn Jahre das europäische Geschäft des Restaurationsspezialisten Kuraray Dental aufbaute. Seit 2010 ist er verantwortlich für Vertrieb und Marketing des Unternehmens Hager Werken in Europa.

Prof. Dr. Anton Sculean studierte Zahnmedizin in Budapest und ist seit 1. Dezember 2008 Direktor der Klinik für Parodontologie, Universität Bern. Von 2004 bis 2008 war er Leiter der Abteilung für Parodontologie an derUniversität Nijmegen, von 1992 bis 2008 Oberarzt an der Universitätsklinik Homburg/Saar, Abt. Parodontologie.

Dr. Ralf Rößler studierte Zahnmedizin in Heidelberg und Hannover und ist seit Juni 2004 in einer Gemeinschaftspraxis (Prof. Dr. Dhom und Partner, Ludwigshafen/Rhein) niedergelassen. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der plastisch-ästhetischen und regenerativen Parodontalchirurgie, Implantologie (DGI) und Prophylaxe.