Mundtrockenheit – Wenn die Spucke ­wegbleibt

Mundtrockenheit ist ein verbreitetes Phänomen und mehr als eine Bagatelle. Sie verursacht ­Beschwerden beim Kauen, Sprechen und Schlucken, erhöht das Risiko für Karies und Erosionen und führt zudem zu Mundgeruch. Diese und weitere Folgen von dauerhaftem Speichelmangel können die Lebensqualität deutlich mindern. Da eine kausale Therapie oft schwierig ist, liegt der Fokus auf einer effektiven Prophylaxe. Wie sich Risikopatienten identifizieren, aufklären und optimal betreuen lassen, diskutieren zwei Expertinnen und ein Experte aus Wissenschaft, Praxis und Industrie und erläutern Fakten, Hintergründe und Optionen.


Mit der Zahl der eingenommenen Medikamente steigt das Risiko für Mundtrockenheit.


Ein trockener Mund kann für Patienten durchaus ein unterschätztes Problem mit weiteren Folgen für die allgemeine Mundgesundheit darstellen. Viele Patienten, die darunter leiden, fragen daher zuerst das zahnärztliche Praxisteam um Rat.

Herr Dr. Kanzow, was genau versteht man unter Xerostomie?
Dr. Philipp Kanzow: Der Begriff Xero­stomie beschreibt das subjektive Gefühl der Mundtrockenheit. Es ist keine Erkrankung, sondern ein Symptom. Davon abzugrenzen ist die Hyposalivation, bei der die Speichelfließrate objektiv messbar reduziert ist. Beides geht Hand in Hand, d. h. bei Xerostomie liegt meist auch eine Hyposalivation vor. In der Regel empfinden Menschen eine Xerostomie, wenn die Speichelproduktion auf weniger als die Hälfte der physiologisch sezernierten Menge von 0,3 bis 0,4 ml pro Minute abfällt.

Frau Martens, Sie sind mit bei der Vermittlung der Kursinhalte von Dentalhygienikern am Philipp-Pfaff-Institut in Berlin tätig. Bei Prophylaxesitzungen beispielsweise geht es hauptsächlich um Karies und Parodontitis. Ist Xero­stomie auch ein Thema?
Veronika Martens: Auf jeden Fall. Gerade Patienten mit Xerostomie haben ein hohes Kariesrisiko, der Zusammenhang ist jedoch nur wenigen bekannt. Viele empfinden Mundtrockenheit als lästig, nehmen damit verbundene Einschränkungen aber hin und sprechen das Thema in der Praxis nicht an. Es ist ihnen oft nicht klar, dass man dagegen etwas unternehmen kann und sollte. Hier ist viel Aufklärung nötig.

Herr Dr. Kanzow, warum ist Speichel so wichtig für die Mundgesundheit und ­warum erhöht Speichelmangel das ­­Kariesrisiko?
Kanzow: Speichel ist ein essenzielles Schutzsystem für die Zähne: Erstens spült er zuckerhaltige und andere Nahrungsreste sowie schädliche Keime aus der Mundhöhle. Zweitens neutralisiert er mit seinem Gehalt an Bicarbonat, Phosphat und Proteinen zahnschädliche Säuren, und drittens enthält Speichel Fluorid, Calcium und Phosphat, die zur Remineralisierung der Zahnhartsubstanz beitragen. Je mehr Speichel fließt, desto schneller greifen diese drei Schutzfunktionen. Bei Mundtrockenheit mangelt es aber an Speichel – und folglich wird die Zahnhartsubstanz schneller de- und schlechter remineralisiert. Das macht die Zähne nicht nur anfälliger für Karies, sondern auch für erosiven Zahnhartsubstanzverlust. Verbliebene Nahrungsreste können zudem zur Entstehung und Progression einer Gingivitis beitragen.

Frau Werner, die Gesundheitsinitiative Wrigley Oral Healthcare Program (WOHP) klärt seit Jahrzehnten über die Bedeutung von Speichel für die ­Mundgesundheit auf. Welche ­Angebote gibt es für Zahnärzte und das Praxisteam?
Janina Werner: Für die Aus- und Weiterbildung bietet das WOHP die beiden Lehr- und Lernprogramme SalivaDent und StuDent an und entwickelt diese stetig weiter.
SalivaDent richtet sich an das zahnärztliche Praxisteam. Es vermittelt den Fachkräften aktuelles und fundiertes Wissen über die Zusammenhänge zwischen Speichel und Mundgesundheit, macht sie fachlich fit und erhöht die Beratungskompetenz. SalivaDent wurde von renommierten Experten aus Wissenschaft und Praxis entwickelt, ist produktneutral und wird von der Bundeszahnärztekammer mit herausgegeben. Ein eigenes Kapitel befasst sich auch mit Speichelmangel und geht auf die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten der Xerostomie ein. Mittlerweile setzen mehrere große Fortbildungsinstitute, die für die Aufstiegsfortbildung der Zahnärztlichen Fachangestellten (ZFA) an den Landeszahnärztekammern zuständig sind, das Unterrichtsprogramm in ihren Kursen ein, u. a. das Philipp-Pfaff-Institut in Berlin und die Haranni Academie für Heilberufe in Herne.

Ist StuDent das Pendant für ­Zahnmediziner?
Werner: Ja genau. StuDent ist das Unterrichtsprogramm für Studierende der Zahnmedizin. Das Lehrkonzept wurde von Universitätsdozenten für Zahnerhaltungskunde entwickelt und erklärt alle wesentlichen Aspekte zu Speichel und Mundgesundheit. Unser Ziel ist es, die Antennen für eine präventionsorientierte Zahnmedizin frühzeitig zu sensibilisieren. StuDent ist so relevant, dass es mittlerweile von 28 der 30 zahnmedizinischen Fakultäten in Deutschland genutzt wird.

Herr Dr. Kanzow, wie verbreitet ist ­Xerostomie bzw. Hyposalivation?
Kanzow: Die Prävalenz ist nicht genau bekannt; die Angaben schwanken zwischen fünf und 46 %. Man weiß jedoch, dass die Häufigkeit der Xerostomie mit dem Alter steigt. Das liegt daran, dass Mundtrockenheit eine Nebenwirkung von vielen Medikamenten ist – und ältere Menschen stehen oft unter Polymedikation. Eine Studie [1] ergab, dass 43 % der über 60-Jährigen täglich mehrere Medikamente einnehmen, im Schnitt vier. Als Faustregel kann man sagen: Mit der Zahl der eingenommenen Medikamente steigt das Risiko für Mundtrockenheit.

Welche Medikamente sind das?
Kanzow: Xerogen, also hemmend auf die Speichelproduktion, wirken mehr als 400 Medikamente, darunter viele häufig verschriebene. Dazu gehören unter anderem Wirkstoffe aus den Gruppen der Antidepressiva, Neuroleptika, Analgetika, Antihypertensiva, Antihistaminika, Antiepileptika, Protonen­pum­pen­inhibitoren, Triptane, Anti-Parkinson-Mittel, Antiemetika sowie spezielle Präparate zur Behandlung einer überaktiven Blase.


 

Was sind weitere Auslöser für ­Mundtrockenheit?
Kanzow: Es gibt viele potenzielle Ursachen. Die Spanne reicht von vorübergehender Dehydrierung, Lampenfieber, Stress, Nikotin- und Drogenkonsum über eine vermehrte Mundatmung infolge von Schnarchen oder Schlafapnoe bis zu systemischen Erkrankungen wie Diabetes, Tumore der Speicheldrüsen oder Bestrahlung im Kopf- oder Halsbereich.

Frau Martens, welche Tipps geben Sie Betroffenen, um die Beschwerden zu lindern?
Martens: Ein einfacher Tipp ist zum Beispiel, ausreichend viel und das Richtige zu trinken, um eine Dehydrierung zu vermeiden. Gerade wenn jemand viel Stress hat und von Termin zu Termin hetzt, kann das Trinken leicht zu kurz kommen. Es sollten mindestens anderthalb bis zwei Liter über den Tag verteilt sein, am besten Leitungs- oder Mineralwasser, ungesüßte Kräuter- und Früchtetees. Von zucker- und säurereichen Getränken wie Limos, Eistee, Kola oder unverdünnten Fruchtsäften rate ich ab, diese steigern das ohnehin erhöhte Risiko für Karies und Erosionen zusätzlich.

Wie wirkt sich chronische Mundtrockenheit im Alltag aus?
Kanzow: Chronische Mundtrockenheit kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Viele Patienten klagen über Probleme beim Kauen, Schlucken, Sprechen und Essen und berichten zudem über ein reduziertes Geschmacksempfinden. Auch Schwierigkeiten mit dem Halt der Prothese können auftreten. Darüber hinaus ist eine ausgetrocknete Mundschleimhaut anfälliger für mechanische Verletzungen und Infektionen. Typisch sind Pilzinfektionen etwa mit Candida albicans.

Wann sollte man Mundtrockenheit ­ärztlich abklären lassen?
Kanzow: Das kommt darauf an: Tritt sie gelegentlich vorübergehend auf, wie zum Beispiel in einer akuten Stresssituation oder wenn man mal zu wenig getrunken hat, besteht kein Anlass zur Beunruhigung.
Ist die Speichelproduktion aber regelmäßig oder dauerhaft vermindert, etwa aufgrund von Polymedikation oder Dauerstress, ist das nicht nur belastend, sondern kann gravierende Folgen für die Gesundheit haben. Bei Verdacht auf einen Tumor oder eine andere Erkrankung der Speicheldrüsen oder auf Diabetes ist in jedem Fall eine weitergehende medizinische Abklärung und Behandlung indiziert.
Einen Sonderstatus nehmen Patienten nach einer Bestrahlung im Kopf- beziehungsweise Halsbereich ein. Sie haben ein sehr hohes Kariesrisiko und brauchen eine engmaschige Kontrolle und Unterstützung, etwa mit hoch konzentrierter fluoridhaltiger Zahnpasta. Idealerweise findet bereits vor der Bestrahlung eine umfassende zahnmedizinische Kontrolle, Aufklärung und gegebenenfalls Therapie statt, bei der Bestrahlungs- und/oder Fluoridierungsschienen angefertigt werden.
Grundsätzlich gilt: Für Personen, die wiederholt an Xerostomie leiden, ist eine zahnmedizinische Konsultation mit individueller Beratung empfehlenswert.

Es gibt auch spezifische Fragebögen, die helfen, Patienten mit Xerostomie herauszufiltern. Am bekanntesten ist die Kurzversion des „Xerostomia Inventory“. Wird er bereits in Zahnarztpraxen eingesetzt? 
Martens: Das ist mir nicht bekannt. Soviel ich weiß, wird der Xerostomia Inventory [2] hauptsächlich in wissenschaftlichen Studien genutzt und ist nur auf Englisch verfügbar, zurzeit ist aber eine validierte deutsche Fassung in Vorbereitung. Wenn sie vorliegt, könnten Zahnarztpraxen den Fragebogen bei der Anamnese integrieren. Das wäre sicher empfehlenswert.

Wenn die Diagnose steht: Wie werden Personen mit Xerostomie in der Praxis betreut?
Martens: Aufgrund des hohen Kariesrisikos empfiehlt sich die Einbindung in ein engmaschiges Recall-Programm, das alle drei bis vier Monate Termine in der Praxis vorsieht. Zum Präventionspaket gehören je nach Situation eine professionelle mechanische Biofilmentfernung (PMPR), die Anwendung fluoridhaltiger Präparate in Form von Zahnpasten, fluoridhaltigen Lacken, Spüllösungen oder Gelen sowie ein individuelles Mundhygienecoaching. Dabei instruiert das Praxisteam die Patienten für eine optimale Mundhygiene und erklärt die Hintergründe der Xerostomie: Warum Speichel so wichtig für die Mundgesundheit ist, die Ursachen und Folgen von reduziertem Speichelfluss und wie dieser wieder angeregt werden kann.
Kanzow: Im Rahmen des Recalls ist es außerdem sinnvoll, gemeinsam mit den Patienten mögliche Ursachen und Therapieoptionen zu erörtern. Ziel ist es, kariösen und erosiven Zahnschäden vorzubeugen, die z. B. bei einer Selbsttherapie mit Zitrusfrüchten auftreten. Zum anderen gilt es, individuell passende Maßnahmen zu besprechen. Verhaltensabhängige Auslöser wie Dehydrierung oder Mundatmung lassen sich in den Griff bekommen. Schwieriger sieht es bei einer medikamenteninduzierten Mundtrockenheit aus, da die gedrosselte Funktion der Speicheldrüsen meist untrennbar mit der gewünschten Wirkung des Arzneimittels einhergeht.

Prophylaxe spielt bei Xerostomie eine große Rolle. Die wissenschaftliche Leitlinie „Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen“ empfiehlt drei Basismaßnahmen, die täglich in Eigenregie durchzuführen sind. Welche sind das?
Martens: Um das Kariesrisiko zu minimieren, sollten die Zähne zweimal täglich mit fluoridhaltiger Zahnpasta geputzt werden, die Ernährung soll möglichst zuckerfrei sein und nach den Mahlzeiten soll regelmäßig zuckerfreier Kaugummi gekaut werden. Sowohl der Akt des Kauens als auch die Geschmacksstoffe sorgen dafür, dass mehr Speichel fließt, der die Zähne schützt. Sollten keine anderen Beschwerden vorliegen, etwa Kiefergelenksbeschwerden, sind zehn bis 20 Minuten Kauen ideal. Gerade bei Xerostomie ist es wichtig, dass man diese drei Maßnahmen täglich in Eigenregie durchführt.


Was empfehlen Sie Ihren Kollegen in der Praxis? Wie motiviert man Patienten, in puncto Prophylaxe am Ball zu bleiben?
Martens: Meiner Erfahrung nach ist es eine gute Strategie, den persönlichen Nutzen der Prophylaxe zu betonen und mit positiven Emotionen zu verknüpfen: Dass man sich wohler fühlt, wenn der Mund weniger trocken ist oder dass gesunde Zähne zu einer sympathischeren Ausstrahlung beitragen. Ein gutes Argument ist auch die Aussicht auf frischen Atem. Gerade Xerostomie-Patienten haben oft unangenehmen Mundgeruch, der sie belastet. Dagegen hilft vor allem das regelmäßige Zähneputzen und das Kauen von Zahnpflegekaugummis. Unsere Patienten freuen sich auch, wenn sie ein Probeexemplar von uns erhalten – sozusagen als Prävention „to go“ für unterwegs oder für den Arbeitsplatz.

Apropos Mundgeruch: Auch das ist eine Folge von Xerostomie. Wie entsteht er?
Kanzow: Wie Xerostomie ist auch Mundgeruch oder Halitosis keine Erkrankung, sondern ein Symptom. Ausgelöst wird er durch schwefelhaltige Aminosäuren wie Cystein und Cystin, die von Bakterien produziert werden. Bei ihrem weiteren enzymatischen Abbau entstehen flüchtige Schwefelverbindungen, die unangenehm riechen, wie Schwefelwasserstoff, Methylmercaptan und Dimethylsulfid.
Mundgeruch ist weit verbreitet; die Prävalenz liegt bei etwa 30 %. Er entsteht zu etwa 90 % im Bereich der Mundhöhle. Als Auslöser kommen neben Zungenbelag, Parodontitis und unzureichender Mundhygiene auch schlecht gepflegter, herausnehmbarer Zahnersatz infrage. Ein reduzierter Speichelfluss fördert Halitosis durch herabgesetzte Spülwirkung, die fehlende antimikrobielle Aktivität und eine Austrocknung der Mundhöhle.

Ihre Arbeitsgruppe hat untersucht, ob das Tragen von Mund-Nasenschutz-Masken in der Pandemie Xerostomie und Mundgeruch gefördert hat. Was war das Ergebnis?
Kanzow: Beim Maskentragen atmet man vermehrt durch den Mund. In der Folge trocknen die oberen Atemwege aus und es fehlt Speichel, der die Bakterien und ihre übel riechenden Stoffwechselprodukte wegspült. Tatsächlich ergaben Fragebogenerhebungen, dass Menschen das Gefühl hatten, durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vermehrt Mundtrockenheit und Mundgeruch zu haben. Objektive Messungen bestätigen das aber nicht: In unserer Studie [3] konnten wir erstmals zeigen, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes keinen statistisch signifikanten Effekt auf die Speichelfließrate und andere Speichelparameter hatte. Die Konzentration flüchtiger Schwefelverbindungen in der Atemluft stieg zwar an, der Effekt war statistisch jedoch nicht signifikant.

Frau Werner, gibt es Untersuchungen, wie häufig zuckerfreie Kaugummis zur Zahnpflege verwendet werden?
Werner: Diese einfache und effektive Prophylaxemöglichkeit wird leider noch viel zu wenig empfohlen, obwohl sie fester Bestandteil der medizinischen Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Kariesprophylaxe ist. Einer Umfrage zufolge kauten 2021 gerade mal rund 2 % der Bevölkerung über 14 Jahre einmal täglich zuckerfreien Kaugummi zur Zahnpflege [4]. Wir möchten mehr Menschen erreichen. Um die Empfehlung für Kaugummi in Zahnarztpraxen mehr zu etablieren, bieten wir dem Praxisteam ein exklusives Bestellprogramm für Extra Kaugummis an. Sie eignen sich wunderbar als kleines Give-away, z. B. im Anschluss an die Prophylaxesitzung – darüber freuen sich alle, und es festigt die Praxisbindung.

Hilft Kauen von zuckerfreiem Kaugummi auch, wenn bereits eine Xerostomie ­besteht?
Kanzow: Ja, wenn die Speicheldrüsen noch funktionsfähiges Gewebe haben, lässt sich die lokale Speichelproduktion durch Kaugummikauen aktivieren. Das ist im Gegensatz zu einer pharmakologischen Stimulation des Speichelflusses eine praktikable und effektive Basismaßnahme.
Ist der Speichelfluss aber komplett versiegt, ist keine Stimulation der Speicheldrüsen mehr möglich. Diese Situation gibt es zum Beispiel bei Tumorpatienten nach einer Bestrahlung im Kopf- oder Halsbereich. Dann hilft auch kein Kaugummikauen mehr. Hier bietet sich die regelmäßige Benetzung mit Wasser an, konkret regelmäßiges, schluckweises Trinken. Alternativ können auch pH-neutrale fluoridhaltige Speichelersatzprodukte hilfreich sein, sogenannter künstlicher Speichel. Diese Produkte enthalten neben Geschmacksstoffen und Mineralien meist Mucine, Cellulose, Öle, Carrageen oder Sorbit und sind in verschiedenen Darreichungsformen verfügbar, etwa als Gele oder Sprays.

Frau Werner, gibt es aktuell Initiativen, bei denen sich das WOHP engagiert?
Werner: Ein spannendes Projekt ist die Pilotstudie zur betrieblichen zahnmedizinischen Prävention der Universität Witten/Herdecke. Sie hat gezeigt, dass die Zahngesundheit am Arbeitsplatz mit einfachen, niedrigschwelligen Maßnahmen deutlich verbessert werden kann. 144 Probanden sollten ein Jahr lang zweimal täglich zuckerfreien Kaugummi kauen und eine Mundspüllösung verwenden. Diese Maßnahmen führten zu reduzierten Zahnbelägen, Zahnfleischbluten und Sondierungstiefen. Das ist ermutigend und zeigt, dass auch kleine Veränderungen viel bewirken können. Insbesondere das Kaugummikauen wurde gut akzeptiert, vermutlich weil man es immer zur Hand hat und es den meisten gut schmeckt. Die Erkenntnisse aus dieser Pilotstudie sind eine gute Basis, um betriebliche Vorsorgeprogramme zu etablieren. Das war ein erster Schritt, da gibt es in den nächsten Jahren noch viel zu tun.

Welche Pläne hat das WOHP für die ­Zukunft?
Werner: Wir haben viele Ideen in der Pipeline, um die Prävention auch über die Speichelstimulation durch Kaugummikauen hinaus zu fördern. Relativ weit sind Überlegungen, die Entwicklung einer Zahnputz-App für Kinder zu unterstützen. Sie soll motivieren, die in der Leitlinie empfohlene zweiminütige Putzdauer einzuhalten. Dabei hilft es, spielerische Zahnpflegeroutinen in den Vordergrund zu rücken und ein attraktives Belohnungssystem einzubauen.
Herzlichen Dank Ihnen allen für das spannende Gespräch.

Philipp Kanzow Privatdozent Dr. med. dent. Dr. rer.medic.

Philipp Kanzow ist seit 2014 zahnärztlicher Mitarbeiter und seit seiner Habilitation 2021 Oberarzt in der Poliklinik für Präventive Zahnmedizin, Parodontologie und Kariologie der Universitätsmedizin Göttingen. Ein Forschungsschwerpunkt liegt in der Versorgungsforschung. Im Rahmen der Corona-Pandemie befasste er sich mit den Auswirkungen von Mund-Nasenschutzmasken auf die Mundgesundheit.

Veronika Martens B.Sc., ist ursprünglich zahnmedizinische Fachangestellte und hat ein duales Studium in Dentalhygiene und Präventionsmanagement (B.Sc.) absolviert. Sie ist seit 2022 mit federführend in der ZMP- und DH-Kursbetreuung am Philipp-Pfaff-Institut, Berlin, aktiv. Neben ihrer Dozenten­tätigkeit ist sie in einer zahnärztlichen Praxis in der ­Prophylaxe tätig.

Janina Werner, Leiterin des Wrigley Oral Healthcare Program in Deutschland

Sie ist seit 2001 bei Mars Wrigley in verschiedenen Bereichen der Unternehmenskommunikation sowie des Marketings tätig. 2021 hat sie die Leitung des Programms übernommen.

Literatur
  1. Quelle: 10.1016/j.bjoms.2022.04.007
  2. Kurzversion des „Xerostomia Inventory“: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3154566/
  3. Studie: https://doi.org/10.1111/jop.13390
  4. Umfrage: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/181214/umfrage/haeufigkeit-verwendung-von-zahnpflegekaugummis/