Expertenzirkel

Ganzheitliche Alignertherapie

Laut Align Technology leiden nahezu 75 % der Weltbevölkerung unter Malokklusion, und die Prävalenz steigt rapide. Langfristig können Malokklusionen nicht nur zu ästhetischen und funktionellen Problemen führen, sondern die Allgemeingesundheit des Patienten beeinträchtigen. Immer mehr Zahnärzte nehmen die Alignertherapie als Behandlungsansatz auf, auch um eine gute Mundgesundheit des Patienten zu sichern. Welche Indikationen sich anbieten, welche Vorteile und welchen ganzheitlichen Ansatz eine Alignertherapie bietet, diskutieren unsere vier Profis im Expertenzirkel.


Zahnfehlstellungen sind weit verbreitet und viele Patienten profitieren von der Alignertherapie.


Was ist das Erfolgskonzept der Alignertherapie?
KURTZ-HOFFMANN: Zahnfehlstellungen sind weit verbreitet unter unseren Patienten. Viele sind jedoch nicht so ausgeprägt, dass sich Patienten zu einer umfangreichen kieferorthopädischen Behandlung, zum Beispiel mit Brackets, entscheiden. Patienten stören oft die sichtbaren Behandlungsmittel, oder es gibt Bedenken wegen der schwierigeren Reinigung ihrer Zähne. Da haben transparente Aligner, wie bei einer Invisalign-Behandlung, deutliche Vorteile. Fast unsichtbar im Mund, und zur Zahn‧pflege können sie leicht entfernt werden. Das kommt bei unseren Patienten gut an.
BAUMGARTEN: Allein die große Zahl der potenziellen Patienten, die von einer Alignertherapie profitieren können, ist bereits ein Teil des Erfolgskonzepts; die fairere Art zu behandeln ein anderer. Auch ist der Wunsch nach Alignern bei den Patienten in den letzten Jahren erheblich gewachsen.
LERNER: Der Erfolg der Alignertherapie beruht auf der Tatsache, dass es sich dabei um eine präventive, voraussagbare, digitale, wissenschaftlich fundierte und minimalinvasive Therapie handelt. Die Prävention betrifft Parodontitis, Funktionsstörungen und Hygiene. Die Invisalign-Therapie hat immense Vorteile gegenüber fixen Brackets hinsichtlich Hygienefähigkeit und Erhaltung einer gesunden Mundflora während der Behandlung [1, 10–14]. Die mithilfe von KI digital gesteuerte Korrektur der Zahnfehlstellung dient als präprothetische und präimplantologische Behandlung. Dadurch kann die optimale Implantatposition erzielt werden, und die Zahnpräparation wird zu einer minimalinvasiven Behandlung [2, 3].
SADER: Mit der Alignertherapie steht ein neues, relativ einfaches und vor allem den Patienten sehr wenig belastendes Behandlungsverfahren zur Verfügung, um Zahnfehlstellungen zahnärztlich-kieferorthopädisch zu korrigieren. Daher ist die Patientenakzeptanz ganz hervorragend.

Welche Fehlstellungen lassen sich mit Alignern behandeln?
BAUMGARTEN: Generell lassen sich alle Fehlstellungen im Rahmen des Könnens des Behandlers behandeln. Die Kombination der verschiedenen Fachrichtungen, zum Beispiel der Chirurgie, ist bei komplexen Fällen notwendig.

Wie lässt sich die Alignertherapie in einen ganzheitlichen Behandlungsplan integrieren?
KURTZ-HOFFMANN: Eine präprothetische kieferorthopädische Vorbehandlung ist bei uns seit vielen Jahren sehr gut etabliert. Jedoch ist es oft schwierig, Patienten von festsitzenden, sichtbaren Behandlungsmitteln wie Brackets vor umfangreichen prothetischen Versorgungen zu überzeugen. Mit transparenten Alignern gelingt es aus unserer Sicht deutlich besser; die ‧Akzeptanz ist höher, und damit kommen wir zu besseren Behandlungsergebnissen.
Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die Möglichkeit der präprothetischen digitalen Behandlungsplanung. Nach digitaler Abformung mit dem iTero-Scanner ist es z.B. in derselben Sitzung möglich, über eine Outcome-Simulation ein mögliches Behandlungsergebnis darzustellen. Patienten bekommen so sofort einen ersten Eindruck, und das kann ziemlich überzeugend sein.
Durch das Übereinanderlegen des erarbeiteten Digital-Smile-Designs und der Invisalign-Behandlungsplanung ergeben sich ganz neue Möglichkeiten hinsichtlich eines vorhersagbareren, präziseren und reproduzierbareren Behandlungsergebnisses. Patienten können so auch von Beginn an in die Behandlungsplanung einbezogen werden, was zu einem besseren Endergebnis und mehr Patientenzufriedenheit führt.

Bevorzugen Sie die analoge oder die ‧digitale Abformung?
KURTZ-HOFFMANN: Die digitale intra‧orale Abformung ist die Zukunft in der Zahnmedizin. In den letzten Jahren sind die Scanner immer präziser geworden und in vielen Behandlungssituationen der analogen Abformung überlegen. Besonders bei umfangreichen Zahnsanierungen, zum Beispiel der Abformung eines ganzen Kiefers, kann durch das Scannen von Einzelzähnen mit anschließendem Ganzkieferscan eine sehr gute Kontrolle der Präparation, des Platzbedarfs und des gescannten Zahnbogens erfolgen.
Jedoch bevorzugen wir die analoge Abformung bei besonders feinen Präparationen für Behandlungen wie sogenannte Prepless Veneers, da diese auf feuerfesten Stümpfen geschichtet werden und die Präzision der 3D-gedruckten Modelle noch nicht an die des analogen Gipsmodells heranreicht.
BAUMGARTEN: Ich selbst habe schon seit Jahren keine analoge Abformung mehr gemacht. Die digitalen Abformungen haben viele Vorteile. Der Patientenkomfort steht dabei im Vordergrund, aber auch technisch gibt es für mich viele Vorteile. So lassen sich digitale Abformungen sofort beurteilen und Fehler, zum Beispiel in der Präparation, sofort beheben. Das lässt einen kritischer mit seiner eigenen Arbeit werden und hat mich zu einer „besseren“ Zahnärztin ‧gemacht. Das Labor weiß diesen kritischen Umgang mit der eigenen Arbeit sehr zu schätzen. Auch in der Datenaufbewahrung ist der digitale Abdruck klar im Vorteil. Die Daten sind immer abrufbar, man muss aber nicht nach mehr Stauraum für die zahllosen Modelle suchen.
LERNER: Digitale Abformung ist für mich die Methode der Wahl. Die digitale Abdrucknahme muss mit einem Scanner durchgeführt werden, der eine hohe Präzision aufweist, auch in Ganzkiefer-Situationen [4]. Die Präzision der digitalen Abformung mit einem sehr guten Scanner, zum Beispiel dem iTero, ist aus meiner Erfahrung bei Weitem größer, die Integration in den digitalen Workflow von Smile Architect bis zu der endgültigen Herstellung der Aligner verläuft reibungslos und präzise [4].
SADER: Das kann heutzutage gar keine Frage an einen Behandler mehr sein, denn unsere Patienten werden zunehmend die digitale Abformung fordern. Als Behandler muss man meiner Meinung nach heutzutage die Technik der digitalen Abformung lernen und ausüben. Die analoge Abformung wird bald der Vergangenheit angehören.

Überweisen Sie einige Indikationen doch zum Kieferorthopäden?
BAUMGARTEN: Ich überweise generell alle Patienten unter 18 Jahren. Die Kinder- und Jugendbehandlung ist für mich ein eigenständiges Gebiet, das nicht zu meiner Kompetenz gehört. Bei skelettalen Fehlstellungen, die einer Mitbehandlung vom Chirurgen bedürfen, überweise ich ebenfalls.
LERNER: Komplizierte Fehlstellungen der Zähne und der Kiefer werden an den Kieferorthopäden überwiesen [5]. Dennoch, nach jahrelanger Erfahrung mit dem System können komplexere Fälle wie Extraktionsbehandlungen, offene Bisse und Klasse II behandelt werden.
SADER: Natürlich kann man nicht jede Zahnfehlstellung mit der Alignertherapie behandeln. Wichtig ist es, die Grenzen des eigenen Wissens und Könnens zu kennen und, wie sonst auch immer, all diejenigen Patienten, deren Problematik man selbst nicht lösen kann, an einen Behandler mit höherer Kompetenzstufe zu überweisen.


Aligner vom Zahnarzt oder Do it yourself: Wo ist der Unterschied?
BAUMGARTEN: Ich sehe die Entwicklung der letzten Jahre mit den Do-it-yourself-Start-ups sehr kritisch. Vor jeder Alignertherapie ist eine genaue Anamnese notwendig, und die Planung sollte von zertifizierten Kollegen durchgeführt werden. Die Folgeschäden einer unkontrollierten Alignerbehandlung tauchen leider immer öfter in meiner Praxis auf.
LERNER: Eine Zahnfehlstellung ist meistens mit einer komplexeren Problematik und Diagnostik in den Bereichen konservative Zahnmedizin, Funktion, Parodontologie verbunden. Eine ganzheit‧liche Diagnose muss von einem Zahnarzt gestellt, ganzheitlich behandelt und regelmäßig kontrolliert werden.
Andererseits: Während Do-it-yourself-Behandlungen sich ausschließlich auf kosmetische beziehungsweise leichte Zahnkorrekturen beschränken, ist das Invisalign-System zur Behandlung der meisten Zahn- und Kieferfehlstellungen, z. B. Tiefbiss, Überbiss, offener Biss, Kreuzbiss, Engstand geeignet.
SADER: Für mich geht Do-it-yourself gar nicht. Dafür sind die Komplikationsmöglichkeiten viel zu groß, denn jede Zahnbewegung ist ein invasiver Prozess mit Auswirkungen in Bereichen, die man nicht sehen kann. Zahnmedizinische (Funktions-)Analyse, Indikationsstellung und Durchführung und Überwachung einer Behandlung müssen immer durch einen erfahrenen Zahnarzt erfolgen.


Können Aligner auch bei Fällen, die sonst nur operativ behandelbar wären, eingesetzt werden?
KURTZ-HOFFMANN: Sie meinen bestimmt Patienten beispielsweise mit einer Dysgnathie. Es ist heute möglich, auch mit transparenten Alignern in der prä- und postoperativen Behandlungsphase sehr gute Behandlungsergebnisse zu erzielen. Diese Behandlungen müssen von erfahrenen Behandlern oder in kieferorthopädischen Fachpraxen mit entsprechender Expertise durchgeführt werden. In Grenzfällen oder wenn Patienten nicht in eine chirurgische Behandlung, z.B. Dysgnathie-OP, einwilligen, kann mit Alignern eine Verbesserung der Ausgangssituation erreicht werden. Aber auch diese Behandlungen gehören in die Hände von Spezialisten.
BAUMGARTEN: Die Patientenkommunikation ist hier wieder mal das Schlüsselwort. Der Patientenwunsch sollte immer an erster Stelle stehen. So kann ein Patient mit einem skelettal offenen Biss und verschachtelter Front gerade Frontzähne bekommen, auch wenn er keine OP haben möchte, um den offenen Biss zu lösen. Die Kombination aus Chirurgie und Alignertherapie ist ebenfalls gut möglich.
SADER: Sicher ist es nicht möglich, die medizinische Notwendigkeit einer Operation durch eine Alignerbehandlung zu ersetzen. Aber bei kieferorthopädischen Maßnahmen, die eine Operation vorbereiten, z.B. der Ausformung der Zahnkränze vor einer Dysgnathie-OP oder Lückenöffnung vor einer dentalen Implantation, gehört die Alignertherapie selbstverständlich zum modernen Therapiespektrum dazu.

Setzen Sie Aligner auch für die Funk‧tionstherapie ein, um beispielweise Kiefergelenkerkrankungen oder CMD zu behandeln?
KURTZ-HOFFMANN: Zahnfehlstellungen schränken in einigen Fällen die funktionelle Freiheit des Kiefergelenks ein, was oft durch eine Zwangsbisslage verursacht wird und häufig Beschwerden im Kiefergelenk oder der Kaumuskulatur zur Folge hat. Mit transparenten Alignern lassen sich diese Zwangsbisslagen öffnen, und ein größerer funktioneller Freiraum kann entstehen. In diesen Fällen verbessern wir mit dem Einsatz von Alignern die Funktion.
LERNER: Wenn die Funktionsdiagnose eine Okklusionsstörung als Ursache für CMD anzeigt, ist die Zahnbegradigung ein Teil der Therapie [6]. Sehr lange wurde im Rahmen der Kieferorthopädie rein statische Okklusion thematisiert. Heute wird auch die „dynamische Okklusion“ betrachtet, bei der die Okklusion in die umgebenden funktionalen Strukturen integriert ist.
SADER: Wie bereits erwähnt, sollte die Alignertherapie meiner Meinung nach heutzutage zum Standardrepertoire einer kieferorthopädischen Behandlung dazugehören. Wenn eine Funktionsstörung durch eine Zahnfehlstellung bedingt ist, die durch eine Alignertherapie behandelt werden kann, dann gehört dies selbstverständlich auch dazu.

Schafft die Alignerbehandlung eine optimale Grundlage für eine restaurative Versorgung?
BAUMGARTEN: Für mich ist die Alignerbehandlung ein fester Bestandteil in jeder Therapieplanung. Viele Fälle lassen sich erst richtig und vor allem minimal‧invasiv lösen, wenn die Aligner im Vorfeld die Zähne an die richtige Stelle bewegt haben. Das ist auch ein viel fairerer Weg, um eine restaurative Behandlung durchzuführen.
LERNER: Definitiv ist die Alignertherapie der erste Schritt vor einer komplexen implantologischen und prothetischen Behandlung und sollte als solche in die Therapieplanung integriert werden [7,8].
SADER: Wenn eine Veränderung der Zahnstellung das ästhetische und funktionelle Endergebnis einer Restauration verbessert, dann natürlich.

Wie wird das Behandlungsergebnis langfristig gesichert?
KURTZ-HOFFMANN: Eine langfristige Stabilisierung ist sowohl nach Alignertherapie als auch nach umfangreichen prothetischen Versorgungen notwendig. Eine Schiene zur Nacht (Nightguard) ist lange etabliert. Wir setzen nach solchen Behandlungen im Unterkiefer oft einen Lingualretainer und für beide Kiefer sogenannte Vivera Retainer. Das stabilisiert die Zahnstellung und schützt auch die eingesetzten, z.B. keramischen Versorgungen. Beides wird nach unseren Erfahrungen von unseren Patienten sehr gut akzeptiert.
BAUMGARTEN: Meiner Meinung nach sind 50 % des Behandlungserfolgs den Alignern, die die Zähne in die richtige Position bewegen, zuzuschreiben und 50 % den Retainern, die die Zähne in dieser Position halten und lebenslang getragen werden sollten. Aus diesem Grund ist die Aufklärung über die Retentionsphase ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation mit dem ‧Patienten.

Sprechen wir über den minimalinvasiven Ansatz der Alignertherapie …
BAUMGARTEN: Der Wunsch nach einem schönen Lächeln ist in den letzten Jahren größer geworden. Die sozialen Medien bestärken das nur. Leider ist es aber noch sehr verbreitet, dass da nur zum Beispiel Veneers helfen können. Die minimalinvasive Therapie mit Align‧ern ist da für mich die bessere Wahl. Sollte aber ein restaurativer Ansatz notwendig sein, kann die richtige Positionierung der Zähne viel Substanz schonen bei der Präparation. Deswegen ist es so wichtig, ein Alignerkonzept in der Praxis anzubieten.
Alignertherapie in Kombination mit anderen restaurativen oder ästhetischen Verfahren, z. B. Implantaten, festsitzendem Zahnersatz oder Veneers: Sehen Sie da Potenzial?
KURTZ-HOFFMANN: Wie schon erwähnt, ist eine präprothetische Vorbehandlung, also Platz zu schaffen für ein Implantat oder eine Lücke zu schließen, um ein Implantat zu vermeiden, besonders bei den angesprochenen Behandlungen von großem Vorteil. Statt die Zähne für Veneers zu präparieren und unnötig Zahnsubstanz zu opfern, werden die Zähne einfach mit dem Invisalign-System ausgerichet, und die verloren gegangene Zahnsubstanz wird mit etwas Komposit ergänzt (ABC-Konzept). Besonders bei jungen Patienten ist diese minimalinvasive Methode zu bevorzugen. Und wenn schon Veneers, dann so wenig präparieren wie möglich. Prep‧less- oder Non-prep-Veneers sind heute moderne Behandlungskonzepte zur Schonung von Zahnsubstanz und nach vorangegangener Begradigung bei Schiefständen oft sehr gut einsetzbar.
BAUMGARTEN: Ich empfehle, bei jedem Patienten durch die „Alignerbrille“ zu schauen und dann damit die Behandlungsplanung anzugehen. Seitdem wir bei den Patienten schauen, ob und wie sie durch Aligner profitieren könnten, ist die Planung und Durchführung der Therapie auf einem anderen Level.
LERNER: Das Alignerkonzept ist ein „sine qua non“-Teil einer minimalinvasiven multidisziplinären Therapie. Die langfristige Zahnerhaltung und eine prophylaktische Philosophie stehen als Ziel im Vordergrund.
Zahnbegradigung ist in der modernen Zahnmedizin der erste Schritt in der therapeutischen Planung und muss als solcher in die neue, ganzheitliche und multidisziplinäre Therapieplanung integriert und gelehrt werden.
Die ursprünglich korrigierte Zahnstellung trägt dazu bei, die orale Gesundheit zu rehabilitieren, und verwandelt die ursprünglich invasiven prothetischen Behandlungen in minimalinvasive Präparationen. Daraus ergibt sich der Langzeit‧erhalt von Zahnsubstanz und Zähnen.
Mithilfe von Zahnbegradigungen durch das Invisalign-System werden optimierte Verhältnisse mit minimalen parodontalen Verlusten geschaffen. Präimplantologisch können ideale Abstände, physiologische Interdentalräume für die zukünftigen implantatgestützten Kronen und optimale gingivale Verhältnisse geschaffen werden, all das in einem gut kontrollierten und angepassten, dynamisch-funktionellen System.
SADER: Unbedingt. Die scheinbare Einfachheit und geringe Invasivität der Behandlung senkt sicher die Hemmschwelle für diese Therapieform bei den Patienten und erweitert damit das Behandlungsspektrum, gerade in Bezug auf die Ästhetik in positiver Sicht.
Es gibt auch eine positive Korrelation zwischen kieferorthopädischer Versorgung und verbesserter Mundhygiene …
KURTZ-HOFFMANN: Ohne Frage sind Zähne wesentlich schlechter zu reinigen, wenn eine Zahnfehlstellung vorliegt. Somit verbessert jede erfolgreich abgeschlossene kieferorthopädische Korrektur, unabhängig vom Behandlungsmittel, die Mundhygiene.
BAUMGARTEN: Gerade Zähne sind besser putzbar! Jede Prophylaxekraft klärt darüber bei der professionellen Zahnreinigung auf. Oft haben Patienten schon jahrelang Probleme mit Regionen, die sich aufgrund einer ungünstigen Zahnstellung ständig entzünden. Diese Patienten sind dankbar, endlich eine Lösung zur Behebung dieses Problems gezeigt zu bekommen.
LERNER: Durch die Alignertherapie werden unter sich gehende Nischen und Retentionsstellen eliminiert und die physiologischen Interdentalräume für die Reinigung und Selbstreinigung wiederhergestellt. Demnach ist die Alignertherapie für mich ein wichtiger Baustein in der Rehabilitierung der oralen pH-Werte, des biologischen Gleichgewichts und der oralen Gesundheit.
SADER: Generell kann man doch immer sagen, dass, je mehr ein Patient sich um seine Zähne kümmert, und sei es auch nur aus ästhetischem Ansporn, desto mehr gewinnt für ihn seine Mundgesundheit an Bedeutung und desto mehr pflegt er dann auch.

Und zum Schluss: Welche Ausbildung ist für die Alignerbehandlung notwendig?
SADER: Wie für jede kieferorthopädische Therapie ist eine gegenüber der normalen zahnärztlichen Ausbildung und Tätigkeit erweiterte Aus- und Fortbildung unbedingt notwendig. Dies betrifft nicht nur das Wissen um die wechselseitigen Wirkungen zwischen den Zähnen und ihrer skelettalen Kieferbasis, sondern vor allem auch ein profundes Wissen über die stomatognathe Funktion, insbesondere die statische und die dynamische Okklusion. Nur auf der Basis einer profunden Funktionsanalyse kann entschieden werden, ob die Alignertherapie zur Behandlung des individuellen Problems geeignet ist.

Dr. Medic. Henriette Lerner, PhD
Expertin in Implantologie (DGOI) und digitaler ‧Zahnmedizin (DDS),
Leiterin der HL Dentclinic und Academy, Akademische Forschungs- und
Lehreinrichtung der Johann Wolfgang Goethe-‧Universität, Frankfurt am Main,
Past Präsidentin der Digital Dentistry Society International (DDS)

Jan Kurtz-Hoffmann
Niedergelassener Zahnarzt in Leipzig,
Mitinhaber mehrerer Zahnarztpraxen mit
unterschiedlichen ‧Spezialisierungen sowie eines Fortbildungs- und
Veranstaltungszentrums, ‧Mitbegründer und ‧Vorstandsmitglied
der European Academy of Digital ‧Dentistry (EADD) und Co-Autor des
„Best practice statement: The diagnosis and treatment of ‧malocclusion.“

Dr. Kristina Baumgarten
Niedergelassene Zahnärztin in eigener
Praxis in Siegen mit Tätigkeitsschwerpunkt
Parodontologie, arbeitet im digitalen Workflow,
und ist Spezialistin, Trainerin & Referentin für das
Invisalign Go System & den Digitalen Workflow
sowie Advisory Board Member & Key Opinion
Leader für neue Produktlaunches.

Univ.-Prof.  h.c. mult. Dr. mult. Robert Sader
Facharzt für Mund-, Kiefer- und Plastische ‧Gesichtschirurgie.
Hauptarbeitsgebiete Chirurgie der Gesichtsfehlbildungen und
neue Verfahren in der dentalen Implantologie, insbesondere
Biomaterialien, Präsident der Deutschen
Gesellschaft für Ästhetische Zahnmedizin e.V. (DGÄZ)

Literatur
  1. Levrini, L., Abbate, G. M., Migliori, F., Germano, O. R. R. U., Sauro, S., & Caprioglio, A. (2013). Assessment of the periodontal health status in patients undergoing orthodontic treatment with fixed or removable appliances. A microbiological and preliminary clinical study. Cumhuriyet Dental Journal, 16(4), 296-307.
  2. Xu, L., Mei, L., Lu, R., Li, Y., Li, H., & Li, Y. (2022). Predicting patient experience of Invisalign treatment: An analysis using artificial neural network. Korean journal of orthodontics, 52(4), 268–277. https://doi.org/10.4041/kjod21.255
  3. Lee, Sanghee. Assessment of malalignment factors related to the Invisalign treatment time using artificial intelligence . 2022. Ohio State University, Master’s thesis. OhioLINK Electronic Theses and Dissertations Center, http://rave.ohiolink.edu/etdc/view?acc_num=osu1647437347808257.
  4. Mangano, F. G., Admakin, O., Bonacina, M., Lerner, H., Rutkunas, V., & Mangano, C.(2020). Trueness of 12 intraoral scanners in the full-arch implant impression: a comparative in vitro study. BMC Oral Health, 20(1), 1–8. https://doi.org/10.1186/s12903-020-01254-9.
  5. Tamer İ, Öztaş E, Marşan G. Orthodontic Treatment with Clear Aligners and The Scientific Reality Behind Their Marketing: A Literature Review. Turk J Orthod 2019; 32(4): 241-6.
  6. Schupp, W., Haubrich, J., & Neumann, I. (2010). INVISALIGN® treatment of patients with Craniomandibular Disorders. International Orthodontics, 8(3), 253–267. https://doi.org/10.1016/j.ortho.2010.07.010
  7. Ferraz da Silva Joao, M., Lisboa Juliana, da C., Rodrigo, B. M., & Pierre Fernanda, Z. (2018). Multidisciplinary dentistry – ceramic laminate veneers for orthodontic finalization – clinical case report. Journal of Dentistry And Oral Implants, 1(1), 1–4. https://doi.org/10.14302/issn.2473-1005.jdoi-18-1968
  8. Marco Veneziani, Ceramic laminate Veneers:Clinical procedure wuth amultidisciplinary approach, The international journal of Esthetic dentistry,Volume12, number 4,2017
  9. Murphy, S. J. (2022). Comparison of maxillary tooth movement between Invisalign® and fixed appliances by artificial intelligence technique [Master’s thesis, Ohio State University]. OhioLINK Electronic Theses and Dissertations Center. http://rave.ohiolink.edu/etdc/view?acc_num=osu1646995842608526
  10. Azaripour, A., Weusmann, J., Mahmoodi, B. et al. Braces versus Invisalign®: gingival parameters and patients’ satisfaction during treatment: a cross-sectional study. BMC Oral Health 15, 69 (2015). https://doi.org/10.1186/s12903-015-0060-4
  11. Levrini, L., Mangano, A., Montanari, P., Margherini, S., Caprioglio, A., & Abbate, G. M. (2015). Periodontal health status in patients treated with the Invisalign(®) system and fixed orthodontic appliances: A 3 months clinical and microbiological evaluation. European journal of dentistry, 9(3), 404–410.