Implantatprothetik fixieren: Mit Friktion statt Zement und Schrauben?
Gab es bislang mit Zementieren und Verschrauben zwei Möglichkeiten, um Implantatprothetik zu fixieren, scheint sich nun ein dritter Weg zu etablieren: Friktion statt Zement und Schraube lautet die Lösung. Lassen sich die Zahnärzte darauf ein? Ist ein Paradigmenwechsel eingeläutet?
Ein Retentionskonzept für Implantatprothetik – ohne Verschraubung durch die Krone, ohne Zementierung im Mund, das klingt verlockend und simpel. Ist die Diskussion „Zementieren versus Verschrauben“ mit einer neuen Möglichkeit wie dem Fixieren von Implantatprothetik mittels Friktion nun beendet?
Kistler: Zweiteilige Implantatsysteme benötigen immer eine Verbindung zur Fixierung der Abutments. Daher ist bei 99 Prozent der Implantate immer eine Verschraubung notwendig. Bei der Fixierung der Suprastruktur stellt sich natürlich die Frage, ob es besser ist zu zementieren oder zu verschrauben.
Schwan: Und da wird Acuris tatsächlich einen Stein ins Rollen bringen, der die „ewig junge“ Diskussion um einen weiteren Punkt erweitert. Das Konuskonzept selbst ist Ankylos-Anwendern schon mehr als 30 Jahre bekannt. Die Implementierung des Konuskonzepts in die Prothetik hat schon mit den SynCone-Abutments begonnen. Dies bezog sich allerdings auf abnehmbare Totalprothetik (siehe Infobox). Noch wird es also keinen Paradigmenwechsel geben. Aber es tut sich etwas. Ankylos ist damals mit dem Innenkonus von nahezu allen anderen Herstellern belächelt worden. Heute ist die Innenkonusverbindung allgegenwärtig. Solange sogenannte Topreferenten mit alten Dogmen auf den Bühnen dieser Welt auftreten, wird es allerdings noch etwas dauern, bis ein Umdenken stattfindet …
Trotz der gefürchteten zementinduzierten Periimplantitis zählt das Zementieren von Suprakonstruktionen in der Praxis also noch zum Standard?
Kistler: Im anterioren Bereich zeigen zementierte Kronen auch durchaus Vorteile, da die Gestaltung im koronalen Bereich keine Rücksicht auf den Verlauf des Schraubkanals nehmen muss. Um das Einpressen von Zement in den periimplantären Sulkus zu vermeiden, arbeiten wir in solchen Situationen mit individuellen Abutments.
Ist das ein Muss?
Neugebauer: Unbedingt! Ohne den Einsatz individueller Abutments rate ich definitiv davon ab.
Gibt es weitere Argumente „pro Zementieren“?
Falk: Ein Schraubenzugangsloch wird vermieden, was eine intakte Oberfläche der Restauration ermöglicht und eine gute Ästhetik und Festigkeit verleiht.
Schwan: Zudem lässt sich systemunabhängig arbeiten, jeder Zahnarzt kann problemlos Kronen oder Brücke rezementieren.
Sprich, er ist auf keinerlei Equipment angewiesen?
Schwan: Korrekt. Dennoch birgt der Zement selbst Nachteile. Mir ist eine Studie, die die Klebefuge von verschraubten Arbeiten in verschiedenen Zeitabständen mit einem REM-Mikroskop untersucht hat, ganz deutlich in Erinnerung geblieben. Nach einigen Jahren sahen die Klebefugen nicht mehr so ideal aus. Wie soll das denn im Mund perfekt funktionieren, wenn es selbst im Labor nicht immer perfekt funktioniert? Die Entfernung des Zementüberschusses kann ebenso – wie wir alle wissen – zu Problemen führen. Zementierte Lösungen sind für mich deshalb immer nur Notlösungen.
Somit leiden auch verschraubte Lösungen an den „Zementnachteilen“, obwohl Klebeabutments eigentlich als Goldstandard gelten.
Neugebauer: Wir favorisieren im Seitenzahnbereich deshalb die axiale Verschraubung von Abutmentkronen. Da lediglich ein Abutment mit integrierter Krone eingeschraubt wird, liegt nur ein Spalt zwischen Implantat und Abutment vor. Das reduziert das Periimplantitisrisiko. Zudem lässt sich eine solche Abutmentkrone schnell und einfach einsetzen. Leider zeigen solche Kronen immer einen Schraubkanal, der einen Verschluss mit Kunststoff erfordert.
Falk: Immerhin ist die Krone abnehmbar. Sollte sich tatsächlich ein Problem ergeben, lässt sich die Restauration problemlos und unbeschädigt herausschrauben. Dieser Weg ist bei zementierten Lösungen nicht sicher gegeben.
Schwan: Allerdings ist der Zeitaufwand für verschraubte Lösungen nicht ohne. Und bei geringer Mundöffnung ist die Molarenversorgungen zusätzlich schwierig und langwierig. Die saubere Abdichtung und der okklusale Verschluss kosten Zeit. In ästhetisch relevanten Bereichen kann es zudem zu Beeinträchtigungen kommen.
Bewährt haben sich verschraubte Lösungen bei Multiunit-Arbeiten …
Schwan: Das ist auch nach wie vor Standard. Aber: Kommt es zu Lockerungen, braucht man die passenden prothetischen Instrumente. Ich hatte schon häufiger Probleme, Arbeiten mit mir fremden Implantatsystemen wieder zu befestigen.
Liegen Schraubkanäle nicht palatinal, sind sie zudem unschön und stören, selbst wenn man die Schraubenzugangsöffnung so weit wie möglich verjüngt …
Lindén: … korrekt, auch das Chippingrisiko kann sich bei verblendeten Arbeiten erhöhen. Ein weiterer Nachteil ist das Risiko von Füllungsverlusten in den Zugangslöchern.
Kommt das denn vor?
Schwan: Es ist selten, kommt aber vor – und dann wird es natürlich ärgerlich.
Neugebauer: Bei einem nicht zentral liegenden Schraubkanal kann sogar ein Ausbrechen aus dem Gerüstmaterial erfolgen. Daher ist eine genaue Positionierung des Implantats notwendig. Neben dem Verlust des Kunststoffverschlusses zeigt sich auch häufig eine Verfärbung des Übergangs, je nachdem, welcher Kunststoff verwendet wird. Vor allem im Prämolarenbereich bemängeln Patienten dies im Recall-Termin.
Das SynCone-Konzept
- SynCone C/5°-Aufbauten ermöglichen die schnelle und wirtschaftliche Versorgung des zahnlosen Unterkiefers mit einer sofortbelasteten Prothese auf vier präfabrizierten Konusaufbauten interforaminal. Die minimalinvasive Behandlung erlaubt die Eingliederung der Prothese noch während der Anästhesiephase.
- Im Rahmen der Spätversorgung dient Ankylos SynCone C/5° als präfabriziertes Halteelement für Prothesen im Unter- und Oberkiefer. Verschiedene Angulationen der Aufbauten erlauben dabei eine bessere Parallelisierung. Die intraorale Verklebung sorgt für einen spannungsfreien (passiven) Sitz der Prothese.
- Ankylos SynCone überträgt die Stabilität der konischen Implantat-Aufbau-Verbindung auf die Verbindung zwischen Aufbau und Prothese.
- Diese zweite Konusverbindung der SynCone-Konuskronen sichert im Vergleich zu Stegversorgungen oder anderen bekannten präfabrizierten Verbindungselementen eine spielfreie Verbindung.
Das WeldOne-Konzept
- Das von Dr. Marco Degidi entwickelte WeldOne-Konzept ermöglicht eine Sofortversorgung mit einer stabilen spannungsfrei sitzenden Titan-Gerüstkonstruktion, die intraoral an spezielle Aufbauten geschweißt wird.
Abhilfe dürfte die konometrische Acuris-Lösung schaffen: Dr. Marco Degidi, Bologna, gilt als Ideengeber und Erfinder dieses Konzepts. Er arbeitet bereits seit 2006 mit dem konischen Syncone-Konzept für den zahnlosen Kiefer. Fixieren von Implantatprothetik mittels Friktion statt Zementieren oder Verschrauben lautet das Zauberwort. Warum hat es so lange gedauert, bis es sich auch für festsitzende Versorgungen etabliert hat?
Neugebauer: Für ein Fixieren der Implantatprothetik mittels Friktion ist eine genaue Abstimmung der Toleranzen der Bauteile erforderlich, neben der technischen Umsetzung der präfabrizierten Bauteile sind aber auch die weiteren Komponenten für den gesamten Behandlungsablauf notwendig.
Schwan: Wir sollten Dr. Dittmar May, Lünen, nicht vergessen. Er hat das SynCone-Konzept entwickelt und für mich maßgeblich die Idee der Konusverbindung in die Prothetik gebracht. Dr. Marco Degidi hat die Idee zunächst auf sein WeldOne-Konzept übertragen und weiterentwickelt. Aus dieser Idee ging dann das konometrische Konzept hervor. Um so ein Konzept mit neuen, standardisierten Produkten zur Marktreife zu führen, benötigt man natürlich Zeit. Degidi leitet eine Praxis und seine Fortbildungsakademie. Ich finde es beeindruckend, was er geschafft hat.
Als Dr. Karsten Wagner, damals verantwortlich für Xive und Ankylos, Acuris 2018 auf dem Ankylos-Kongress in Berlin vorstellte, sprach er von einer Revolution durch Acuris. „Sie sind dabei gewesen“, formulierte er beinahe pathetisch …
Lindén: … und er hatte damit recht! Acuris bietet in der Tat eine völlig neue und bahnbrechende Methode, um Implantatprothetik auf Abutments mittels Friktion dauerhaft zu fixieren. Es gibt nichts Vergleichbares. Die Entwicklung war technisch natürlich sehr anspruchsvoll. Wir haben bereits 2015 mit den Arbeiten begonnen und mussten uns in die Technologie „hineinversetzen“.
Ideengeber Dr. Marco Degidi hat zwar viele klinische Fälle durchgeführt, doch sie basierten alle auf Ankylos SynCone sowie auf Ankylos Standard-Abutments in Kombination mit der WeldOne-Kappe (siehe Infobox).
Neugebauer: Entsprechend erfolgte die Entwicklung für eine kleine Gruppe von Experten. Aber für eine breite Markteinführung ist eine serienmäßige Produktion in hohen Stückzahlen notwendig, die etwas schwieriger im Herstellungsprozess etabliert werden kann.
Was war die größte Herausforderung beim Fixieren von Implantatprothetik mittels Friktion?
Falk: Das genaue Gleichgewicht zwischen Retention und dem Entfernungsprozedere der Krone zu finden. Für einen Kliniker muss es leicht sein, die Krone bei Bedarf herauszulösen. Gleichzeitig muss sich der Patient sicher sein, dass er die Krone nicht verlieren kann. Wir haben das exakte Gleichgewicht zwischen allen Parametern gefunden, um dieses Ziel zu erreichen. Das klingt simpel in der Theorie, brauchte in der Praxis aber viele Ansätze und viele, viele Tests, um das sicher zu gewährleisten. An dem Projekt war eine große Zahl von Ingenieuren beteiligt.
Schwan: Die Frage, wie stark die Friktion für das Fixieren der Implantatprothetik sein darf, war sicher einer der größten Knackpunkte. Wir wissen heute zum Beispiel, dass die Oberflächen aller Komponenten mit einer alkoholischen Lösung fettfrei gereinigt werden müssen, um die Friktion zu verbessern.
Die Vorteile der Friktion gegenüber Zement und Verschraubung
Für welche Indikationen empfehlen Sie das konometrische Konzept?
Falk: Bislang ist Acuris für alle Einzelzahnversorgungen in jeder Position im Mund indiziert.
Neugebauer: Ich favorisiere Acuris allerdings vor allem für die Einzelzahnversorgung im Seitenzahnbereich. Im Frontzahnbereich ist die Anwendung mit Xive aufgrund der Dimensionierung in oro-vestibulärer Ausrichtung nur bei relativ großen Zähnen möglich.
Falk: Ja, bei Xive gibt es nur Abutments mit 4,5 mm Durchmesser. Beim Astra Tech Implant System und bei Ankylos haben wir dagegen auch Abutments mit 3,3 mm Durchmesser, die auch bei kleineren Zähnen im Frontzahnbereich genutzt werden können.
Gibt es auch Kontraindikationen??
Lindén: Es gelten die gleichen Kontraindikationen wie für alle anderen Implantatinsertionen auch.
Dazu dürften dann Gerinnungsstörungen, Immunsuppression, schwere Stoffwechselerkrankungen, schlecht eingestellter, nicht kontrollierter Diabetes mellitus und zum Teil die Bisphosphonatgabe zählen.
Schwan: Richtig, ich habe bisher 45 Fälle, die bewusst sehr unterschiedlich sind, gesammelt und dokumentiert. Mir sind zum jetzigen Zeitpunkt keine darüber hinausgehenden Kontraindikationen bekannt.
Neugebauer: Wir als Xive-Anwender halten Acuris derzeit auch bei starker Angulation für nicht indiziert.
Falk: Mit den 15 Grad angulierten Abutments kann man durchaus Angulationen ausgleichen. Bei extremen Angulationen im Bereich von 30 Grad und mehr funktioniert Acuris tatsächlich nur eingeschränkt. In solchen Fällen kann man auf patientenindividuelle Abutments zurückgreifen.
Lässt sich mit Acuris auch die transgingivale Einheilung umsetzen, zum Beispiel im One-Abutment-one-Time-Konzept?
Kistler: Das funktionierte bei uns problemlos; wir haben bislang nicht viele solche Fälle durchgeführt.
Schwan: Das One-Abutment-one-Time-Konzept verlangt allerdings etwas Übung, was die intraoperative Auswahl des idealen Abutments anbelangt. Ist das Abutment inseriert, wird es einfach mit einer „Healing Cap“ aus PEEK abgedeckt. Sie wird nur aufgedrückt; das funktioniert sehr schnell und einfach. Die Weichgewebsheilung ist wunderbar.
Falk: Mit einer „Healing Cap“ funktioniert Acuris in der Tat gut. Für das einteilige Xive TG ist es aber nicht entwickelt, nur für die Dentsply Sirona-Implantatmarken Astra Tech Implant System EV, Ankylos und Xive S.
Acuris heißt die in enger Zusammenarbeit mit Dr. Marco Degidi aus Bologna entwickelte Lösung, bei der die Friktion die Grundlage für das Fixieren der Implantatprothetik bildet.
Sie besteht aus einem verschraubten Abutment und einer Kappe, auf die im Labor die fertige Krone geklebt wird. Diese Kronenkappe wird dann im Mund auf das Abutment gesetzt und mithilfe eines speziellen Instruments über einen Impuls konometrisch eingegliedert. Für den Patienten ergibt sich daraus eine festsitzende Prothetik, die der Zahnarzt, falls nötig, problemlos jederzeit herausnehmen kann.
Der Behandler kann die Krone mit eigens entwickelten ConoGrip-Zangen vom Abutment sicher abziehen und erneut festsetzen. Das Einsetzen der Krone ist laut Hersteller nur noch eine Sache von Sekunden anstelle von mehreren Minuten.
Vorgestellt wurde Acuris erstmals 2018 auf dem Ankylos-Kongress in Berlin. Noch gibt es das System nur für Einzelkronen. Es soll aber für Brücken und andere prothetische Lösungen erweitert werden, wie Dr. Karsten Wagner von Dentsply Sirona, damals global verantwortlich für die Implantatsysteme Ankylos und Xive, in Berlin ankündigte.
Beide entscheidenden Komponenten – das Abutment und die Kappe – werden industriell präzisionsgefertigt. Die exakte Winkelvorgabe sichert auch unter dynamischen lateralen Belastungen, wie sie im Frontzahnbereich auftreten, eine optimale Haftkraft und eine hohe klinische Stabilität. Damit eignet sich das Verfahren sowohl für den Seitenzahnbereich als auch für die Versorgung im ästhetisch anspruchsvollen Frontzahnbereich. Bukkal austretende, sichtbare Schraubkanäle aufgrund ungünstig liegender Implantatachsen lassen sich mit dem Konzept ebenso vermeiden wie Schraubkanäle in funktionellen Okklusalflächen.
Dentsply Sirona führt 2020 die Scanbodys für die digitale Abdrucknahme ein. Welche Chancen ergeben sich darauf für den digitalen Workflow mit Acuris?
Kistler: Wir arbeiten jetzt seit einem halben Jahr mit dem Intraoralscanner Primescan und sehen, wie positiv sich unsere Abläufe verändern. Durch den digitalen Workflow lassen sich die klassischen Fehler der konventionellen Zahntechnik – etwa Dimensionsveränderungen bei der Modellherstellung oder das Reponieren der Übertragungsaufbauten – vermeiden. Es sind aber schon ein paar Anpassungen bei den jeweiligen Einstellungen in den Konstruktionsprogrammen oder Fräsmaschinen notwendig, damit Nacharbeiten am Patienten gering ausfallen.
Schwan: Ich habe tatsächlich sehnsüchtig auf die ScanCaps gewartet. Für Patienten und Behandler verkürzt sich die reine Behandlungsdauer deutlich. Mit der Option der konometrischen provisorischen Sofortversorgung nach erfolgtem Scan kann die definitive Krone bereits chairside oder im Labor hergestellt werden. Mehr Effizienz und Komfort kann ich mir nicht vorstellen.
Falk: Es lässt sich nach dem optischen Abdruck je nach Wunsch mit gedrucktem Modell oder ganz ohne Modell arbeiten. Wie viel Zeit der Behandler durch Scannen spart, kann ich nicht sagen. Studien belegen aber, dass das Scannen im Vergleich zum herkömmlichen Abformen deutlich weniger zeitintensiv ist.
Neugebauer: Hat der Patient zum Beispiel Brückenkonstruktionen, lässt sich die Abformmasse nur mühsam lösen. Das kostet Zeit und ist für den Patienten unangenehm. Stimmen die Parameter in der Konstruktion und der Fräsmaschine, lässt sich die im digitalen Workflow gefertigte Krone ohne weitere Anpassungen ruckzuck einsetzen.
Wie genau funktioniert das Handling?
Schwan: Bei der Chairside-Technik erhält der Patient im ersten Termin die provisorische Versorgung. Nach der Implantatinsertion wird ein in Höhe und Angulation passender konometrischer Acuris-Aufbau ausgewählt. Der konometrische Aufbau wird eingesetzt und mit dem korrekten Drehmoment festgezogen. Die provisorische Kappe wird an der Indexierung des Aufbaus ausgerichtet und bis zum Einrasten festgedrückt. Auf der Kappe wird eine provisorische Krone hergestellt. Nach extraoraler Korrektur und Politur wird die provisorische Krone wieder eingesetzt. Wenn keine provisorische Krone erforderlich ist, kann alternativ eine konometrische Einheilkappe verwendet werden, die auf den Aufbau geklickt wird.
Welche Rolle spielt die Primärstabilität dabei? Oder wird die provisorische Versorgung außer Okklusion gestellt?
Schwan: Die Primärstabilität sollte mindestens 25 Ncm betragen. Um mögliche Überbelastungen zu vermeiden, arbeite ich mit Provisorien, die Nonokklusion aufweisen, Kontakte sind nicht erwünscht.
Welche Studien belegen den Acuris-Erfolg?
Kistler: Da das System noch nicht so lange auf dem Markt ist, gibt es noch keine Langzeitstudien. Aber alle Arbeiten, die sich mit der Problematik der Zementitis beschäftigen, treffen letztlich den Kern der Acuris-Konzeption.
Schwan: Es existieren einige Studien, die generell auf das Konuskonzept anspielen. Die Studien zu Acuris werden noch kommen. Acuris ist erst seit einigen Monaten auf dem Markt und in einigen Ländern immer noch nicht verfügbar. Ich selbst bereite gerade eine Studie zu Acuris vor und hoffe, in den kommenden Monaten zu beginnen. Vorfreude!
Falk: Bisher gibt es keine Langzeit-Follow-up-Studien zu den speziellen konometrischen Komponenten in Acuris, aber Degidi hat mehrere Studien veröffentlicht, die die Funktion der konometrischen Retention über die Zeit zeigen.
Welche Acuris-Verbesserungen wünschen Sie für die Zukunft?
Neugebauer: Da nicht immer alle Implantate axial stehen, wären für Xive-Anwender Bauteile mit einer Angulation und einer höheren Gingivahöhe interessant.
Sie meinen brückenfähige Multiunit-Abutments?
Neugebauer: Richtig! Zudem fehlen Bauteile für eine individuelle Ausformung des Weichgewebes, besonders bei tiefer Implantatposition.
Schwan: Multiunit-Abutments werden kommen, da bin ich mir sicher, die Frage ist nur, wann. Ich komme übrigens mit den Acuris-Bauteilen mit Angulation klar: Es gibt zurzeit 15-Grad-Angulation, in den Höhen 1,5, 3,0 und 4,5. Mir reicht das; ich habe bisher nicht einen Fall gehabt, den ich nicht mit diesem Abutmentspektrum lösen konnte.
Herr Falk, wie wichtig sind Multiunit-Abutements für das Acuris-Konzept?
Falk: Komponenten für die Restauration mehrerer Einheiten sind für Behandler und Patienten in der Tat von großem Nutzen. Wir arbeiten daran. Das gilt auch für das Vorantreiben von Studien an Hochschulen und in den Praxen …
Schwan: … was vor allem mit Blick auf die Friktion zu begrüßen ist. Ich wünsche mir viele multizentrische Studien mit großen Fallzahlen.
- Noch wird es zwar keinen Paradigmenwechsel geben, doch Acuris hat die Diskussion Verschrauben versus Zementieren mit der Möglichkeit, Implantatprothetik mittels Friktion zu fixieren, auf eine neue Basis gestellt.
- Die größte Herausforderung bei der Entwicklung war es, das genaue Gleichgewicht zwischen Retention und dem Entfernungsprozedere der Krone zu finden. Denn für einen Kliniker muss es leicht sein, die Krone bei Bedarf herauszulösen. Gleichzeitig muss sich der Patient sicher sein, dass er die Krone nicht verlieren kann.
- Auch bei verschraubten Lösungen lässt sich die Prothetik bei Bedarf herausnehmen. Doch der Zeitaufwand kann erheblich sein. Die saubere Abdichtung und der okklusale Verschluss kosten Zeit. In ästhetisch relevanten Bereichen kann es zudem zu Beeinträchtigungen kommen.
- Acuris ist derzeit für Einzelzahnversorgungen im Seitenzahn- und Frontzahnbereich indiziert.
- Bei Ankylos, Astra Tech Implant System und Xive stehen implantatspezifisch unterschiedliche Abutments für Acuris zur Verfügung.
- Noch gibt es Acuris nur für die Einzelzahnversorgung; Multiunit-Abutments sollen kommen. Ebenso wird es künftig auch die Möglichkeit geben, Acuris im digitalen Workflow zu nutzen.
- Es existieren F&E-Studien zur Stabilität der konometrischen Verbindungen unter dynamischer Belastung.
Die Experten
Bengt Lindén
Senior Clinical Advisor bei Dentsply Sirona
bengt.linden@dentsplysirona.com
Dr. Marco Schwan
studierte Zahnmedizin in Hamburg und ist seit 2012 niedergelassen in eigener Praxis in Rümlang, Schweiz.
info@dr-schwan.ch
Dr. Steffen Kistler
studierte Zahnmedizin in Berlin, seit 2001 niedergelassen in der Gemeinschaftspraxis Landsberg am Lech.
steffen.kistler@implantate-landsberg.de
Johan Falk
Senior Project Manager Research & Development bei Dentsply Sirona
johan.falk@dentsplysirona.com
PD Dr. Jörg Neugebauer
studierte Zahnmedizin in Heidelberg, seit 2010 in der Gemeinschaftspraxis Dr. Bayer & Kollegen in Landsberg tätig, seit 2015 Partner.
neugebauer@implantate-landsberg.de