Digitale Zahnheilkunde

DVT: Wann macht der Einstieg wirklich Sinn?

Ungefähr die Hälfte der Zahnärzte in Deutschland röntgt nach wie vor analog. Doch immer mehr Praxen rüsten auf digitale Röntgentechnik um. Das ermöglicht zusätzlich den Sprung von zwei- zu dreidimensionalen bildgebenden Verfahren. Wird sich die Digitale Volumentomografie (DVT) auf breiter Basis etablieren können? „Ja“, meint Assoc. Prof. Dr. Elmar Frank, ein Experte in Sachen DVT-Diagnostik. 



Bei welcher Indikation plädieren Sie für den Einsatz der DVT?

Frank: Bei allen diagnostischen Fragestellungen und Therapieformen, bei denen es auf die dritte Dimension ankommt und die zu diagnostizierenden Gewebestrukturen röntgenologisch gut darstellbar sind. Dies sind vor allem implantologische Indikationen, bei denen die räumlichen Verhältnisse am geplanten Implantationsort entscheidend sind. Die Ausdehnung und Beschaffenheit beteiligter Gewebestrukturen wie Knochen oder Schleimhaut, relative Position und Verlauf gefährdeter Strukturen wie Nerven oder Blutgefäße spielen in der Implantologie eine entscheidende Rolle. Aber auch bei der Planung und Überprüfung endodontologischer Maßnahmen, der Entfernung von Weisheitszähnen und weiteren oral- und kieferchirurgischen Eingriffen profitieren die Anwender von der DVT. Implantatschablonen beispielsweise, die eine präzise, sicherere und minimalinvasive Vorgehensweise überhaupt erst ermöglichen, sind ohne vorherige 3D-Bildgebung gar nicht möglich. Zudem werden sie zunehmend von Patienten und auch Gerichten gefordert.

Bitte erläutern Sie konkret den Ablauf: Die DVT-Aufnahme wird am Bildschirm ausgewertet. Wie lässt sich diese virtuelle Planung in die klinische Situation während der Implantation übertragen?

Frank: Über Bohrschablonen; der Implantologe kann die Lage des Implantats am Computer schon im Vorfeld des chirurgischen Eingriffs präzise planen. Es gibt inzwischen viele Systeme und Konzepte, die die navigierte Implantologie ermöglichen. Wir wenden in unserer Praxis viele dieser Techniken an. Nehmen wir als Beispiel den vollständig digitalen Workflow von der digitalen Abformung bis zur fertigen Suprakonstruktion. So funktioniert es:

  • Nach der digitalen Abformung (Abb. 1) werden die Daten über die Implantatplanungssoftware GALILEOS Implant mit dem DVT-Datensatz des Patienten zusammengeführt.
  • Der Behandler sieht die geplante Krone dann quasi in der DVT-Aufnahme eingeblendet und plant das Implantat exakt so, dass es optimal zur künftigen Krone passt (Abb. 2).
  • Diese Planungsdaten werden zusammen mit den Oberflächendaten aus dem optischen Scan an die CAD/CAM-Software (CEREC SW 4.4) exportiert und gefräst (CNC-Fräse: Sirona MCXL, Sirona MCX5).
  • Die Bohrschablone wird in der Implantationssitzung auf die benachbarten Zähne gesetzt. An den geplanten Implantationsorten befinden sich Öffnungen beziehungsweise Führungshülsen, über die der oder die Implantatbohrer präzise geführt werden (Abb. 3, 4).

Das war’s. Das nicht betroffene Gewebe bleibt unverletzt, so dass wenige bis keine postoperativen Schwellungen oder Schmerzen auftreten und der Heilungsprozess beschleunigt wird. Das Implantat wird präzise im Knochen verankert. Und: Die Übertragung ist so genau, dass bei Erfüllung der Kriterien für die Sofortbelastung eine passende provisorische Versorgung mit Kronen oder Brücken bereits im Vorfeld der Implantation im Labor angefertigt werden kann, so dass eine direkte provisorische Versorgung ermöglicht wird.

Wie hoch ist die Strahlenbelastung?

Frank: Da gilt das bekannte „ALARA“-Prinzip (as low as reasonably achievable), man sollte also alles tun, um die Dosis so gering wie möglich bei maximalem diagnostischem Gewinn zu halten.

Welche Indikationen rechtfertigen den Einsatz welcher Dosis?

Frank: Die Indikationen nennt detailliert die Leitlinie DVT der Arbeitsgemeinschaft Röntgenologie der DGZMK. Zur Dosis: Absolute Werte und deren potenzielle biologische Wirkung sind kaum nachzuvollziehen. Folgende allgemeinen Vergleichswerte helfen: Eine DVT-Aufnahme entspricht in etwa

  • vier bis fünf herkömmlichen 2D-Panoramaschichtaufnahmen,
  • zehn Prozent einer konventionellen Computertomografie, je nach Baujahr, Hersteller und gewähltem Programm,
  • oder einem transatlantischen Flug.

Das Verhältnis der Dosis zum eminenten diagnostischen Zugewinn ist in meinen Augen absolut in Ordnung.

Ist die präimplantologische Planung das Haupteinsatzgebiet der DVT in der Zahnmedizin?

Frank: Ich gehe davon aus, entsprechende Zählungen und Studien belegen das.

In welchen Fällen würden Sie auch ohne DVT implantieren?

Frank: In keinen, das widerspricht unseren Qualitätsrichtlinien. Unsere Patienten schätzen vorhersagbare Ergebnisse, schnelle und minimalinvasive Eingriffe, geringe oder gar keine „Nachwehen“. Dies alles ist ohne 3D-Bildgebung nicht möglich. Salopp gesagt: Man weiß immer erst hinterher, wann man eine 3D-Bildgebung gebraucht hätte, nämlich dann, wenn der Eingriff misslungen ist. Diesem Risiko wollen wir weder unsere Patienten noch uns selbst aussetzen. Wie es so schön heißt: Jeder ist der Schmied seiner eigenen Erfolgsquote.

DVT-Aufnahmen können auch zu Fehlinterpretationen führen. Wie lässt sich das verhindern?

Frank: Nicht die Methode ist das Problem.

Sondern?

Frank: Eine DVT-Aufnahme ist streng genommen eine Ansammlung von räumlich verteilten Bildpunkten mit unterschiedlichen Grauwerten. Es obliegt dem Behandler, die Kriterien der Interpretation gründlich zu erlernen und anzuwenden. Das gilt auch, wenn nicht sogar noch mehr, für die 2D-Röntgentechnik.

Inwiefern?

Frank: Einerseits muss sich der Diagnostiker bei 2D-Bildern die dritte Dimension quasi hinzudenken oder sich vorstellen, in der 3D-Welt wird sie hingegen direkt angezeigt. Die 3D-Diagnostik ist insofern einfacher. Andererseits liefert eine 3D-Bildgebung wesentlich mehr Informationen als eine 2D-Projektion und erfordert daher mehr Zeit und Aufwand, um vollständig analysiert zu werden. Insofern ist die 3D-Technik komplizierter.

Es gibt auch Geräte, die 2D und 3D kombinieren, was sind die Vorteile? Hilft es, Fehlinterpretationen zu vermeiden?

Frank: Ein 2D-Gerät benötigt man auf jeden Fall. Man wird es jedoch nicht nach einer erfolgten 3D-Bildgebung einsetzen, um einen 3D-basierten Befund zu verifizieren, zumindest wenn man das richtige Gerät, das auch im 3D-Modus eine exzellente Auflösung bietet, gewählt hat (Abb. 5, 6).
Moderne 3D-Geräte bilden alle Befunde innerhalb des erfassten Bereichs ähnlich gut ab wie im 2D-Modus, verfügen jedoch zusätzlich zur 2D-Variante noch über die Tiefen- und Gewebedichteinformation (Abb. 6).

Routinemäßig ist immer noch die 2D-Technik das Mittel der Wahl für Übersichtsaufnahmen, räumlich unkritischen Aufnahmen oder wenn maximaler Detailreichtum in 2D gefordert ist. Nicht nur die 3D-Technik hat in den letzten Jahren massive Fortschritte gemacht, sondern auch in der 2D-Welt ist heutzutage eine Bildqualität verfügbar, die noch vor Kurzem undenkbar erschien, zum Beispiel bei der DCS-Technik (Abb. 7).

Stichwort Forensik: Die 3D-Diagnostik kann auch zu viele Informationen liefern. Wie kann man sich davor schützen?

Frank: Die Argumentation, eine 3D-Bildgebung liefere „zu viele“ Informationen, die man eigentlich gar nicht befunden könne, halte ich für unsinnig. Das bekommt man mit Ausbildung und Wachsamkeit in den Griff. Das Sichtfeld auf die aktuell interessante Region einzublenden halte ich dennoch für richtig – allerdings aus strahlenhygienischen Gründen, nicht aus forensischen.

Wann sollte ein Zahnarzt besser an den Radiologen überweisen?

Frank: Wenn er bestimmte Sachverhalte abklären will, die außerhalb seines Fachgebiets, der Reichweite oder des physikalischen Prinzips seines Geräts liegen.

Zum Beispiel?

Frank: Zum Beispiel, wenn er Weichteile wie Bänder und Knorpel im Kiefergelenk räumlich diagnostizieren will, die von Kernspintomografen wesentlich besser abgebildet werden als von röntgenbasierten bildgebenden Verfahren.

Zur Investition: Wann rechnet sich ein DVT-Röntgengerät?

Frank: Das ist eine kombinierte betriebswirtschaftlich-zahnärztliche Frage. Überspitzt könnte man formulieren: Es lohnt sich ab dem ersten Patienten, den man ohne 3D-Bildgebung falsch behandelt hätte. Fakt ist: Bei einer solchen Investition müssen sehr viele Parameter berücksichtigt werden. Die Gerätepreise regelt der Markt, die abrechenbaren Leistungen der Gesetzgeber. Bei entsprechender Begründung bzw. Verweis auf die DVT-Leitlinie der DGZMK und die darin enthaltenen rechtfertigenden Indikationen wird die Leistung von privaten Versicherungen erstattet.

Welches Gerät favorisieren Sie?

Frank: Ein Kombigerät. Das spart Platz und ist praktisch, denn Verwaltung und Darstellung der Aufnahmen laufen über eine gemeinsame Software. Setzt man unterschiedliche Geräte womöglich von unterschiedlichen Herstellern ein, könnten Komplikationen im Handling entstehen, da die Bilder von Gerät A in Software A und die Bilder von Gerät B in Software B verwaltet werden, die nicht zwangsläufig zueinander kompatibel sind und mit Sicherheit ein unterschiedliches „Look and Feel“ haben. Auch die Integration der Röntgenanlage in die sonstigen Workflows der Praxis sollte vor einem Kauf gründlich durchdacht werden.

Worauf kommt es da an?

Frank: Folgende Punkte gilt es zu berücksichtigen:

  • Wie genau werden die Bilder verwaltet und mit der Praxisverwaltungssoftware verknüpft?
  • Wie genau lassen sich die 3D-Daten eines vorhandenen oder noch anzuschaffenden Intraoral- oder Laborscanners mit den Röntgendaten zwecks Schablonenherstellung zusammenführen?
  • Wie genau unterstützt der Hersteller mich? Da ist es von Vorteil, wenn alle Geräte und Systeme vom gleichen Hersteller kommen und sich auf Anhieb „verstehen“.

Kommen wir zur Patientenaufklärung. Welchen Tipp haben Sie für den Praktiker?

Frank: Ich empfehle, durch gründliche Aufklärung dem unterschwelligen Vorwurf vorzubeugen, das DVT-Gerät zur Umsatzmaximierung statt zur besseren Diagnostik und Therapieplanung einzusetzen. Daher kann ich den DVT betreibenden Kollegen nur wärmstens ans Herz legen: Tut Gutes und sprecht davon! Klärt die Patienten ausführlich und gründlich über die Vorteile dieser Methode auf. Das spricht sich herum, und aufgeklärte, zufriedene Patienten sind unser größtes Kapital.

Der klinische Fall ist vollständig in videografischer Form dokumentiert im dentalen e-learning-Portal unter www.dental-users.com kostenlos für den User abrufbar. Dort finden sich auch viele andere Falldokumentationen, Vorträge, Tipps und Tricks rund um DVT, 3D-Planung, Schablonentechniken, CAD/CAM und anderen Bereichen moderner Zahnheilkunde.