Erosionen verhindern
Säurebedingte Läsionen kennen keine Altersgrenzen. Das Problem schreitet langsam und vielfach unbemerkt voran. Gezielte Präventionsmaßnahmen und die richtige häusliche Mundpflege helfen, die Zahnhartsubstanz auch langfristig zu erhalten.
Der Verlust von an sich gesundem Zahnschmelz und Zahnbein durch Einflüsse von Säuren, die nicht durch Bakterien produziert worden sind, gerät mehr und mehr in das Blickfeld der klinisch orientierten, präventiven Zahnerhaltung. Epidemiologische Untersuchungen zeigen eine deutliche Zunahme der Prävalenz dentaler Erosionen.
Eine der aktuellsten Untersuchungen stammt aus dem Jahr 2013 und wurde in sieben europäischen Ländern durchgeführt. Ergebnis: Mehr als die Hälfte (57,1 %) der 3187 untersuchten Patienten im Alter von 18 bis 35 Jahren wiesen an mindestens einem Zahn einen BEWE-Grad (Basic Erosive Wear Examina‧tion) von 1 oder höher auf. Bei 30 Prozent wurde an mindestens einem Zahn ein BEWE-Score von 2 festgestellt. Die Studie zeigt, dass das Krankheitsbild dentale Erosion bereits im Kindes- und Jugendalter zur irreversiblen Entwicklung von Zahnhartsubstanzschäden führen kann. Denn anfangs lassen sich Erosionen selbst mit geschultem Auge klinisch kaum ausmachen. Patienten stellen Erosionen häufig erst fest, wenn der Zahnhartsubstanzverlust Schmerzen verursacht. Dentale Erosionen und damit unter individuellen Umständen zusätzlich vergesellschaftete Abnutzungsprozesse durch Attrition, Abrasion und Abfraktion stellen eine lebenslang zu beachtende Problematik dar. In Abhängigkeit von einer sich von Individuum zu Individuum sehr unterschiedlich auswirkenden Verknüpfung dieser Faktoren, bedingt durch die persönlichen Lebensumstände und Lebensführung, kann jedoch ein an sich natürliches und langfristig unbedenkliches Phänomen sehr früh und schnell zu einem manifesten pathologischen Zustand werden. Die Diagnostik der Symptomatik dentaler Erosionen ist schwierig, vor allem im Anfangsstadium. Um auch versteckte Erosionen im Frühstadium nicht zu übersehen, empfiehlt sich das Tragen der Lupenbrille.
Fünf typische Erkennungsmerkmale für die Diagnose früher Erosionen
- Veränderte Oberflächenbeschaffenheit: Der natürliche Glanz der Zahnoberfläche verringert sich zu seidenmatt oder verliert sich ganz.
- Gelblichere Zahnfarbe: Betroffene Zähne wirken durch den dünner werdenden Zahnschmelz und das dadurch bedingte Durchscheinen des Dentins farbintensiver gelblich.
- Transluzenterer Zahnschmelz: Aufgrund des Abbaus des Zahnschmelzes werden auch die inzisalen Schneidekanten dünner, wodurch in diesen Bereichen eine deutlich erhöhte Lichtdurchlässigkeit auffällt.
- Beeinträchtigte Zahnstruktur: Durch die entmineralisierende Schwächung der Zahnhartsubstanz kommt es zu kleineren oder größeren Rissen bis hin zu Mikrofrakturen.
- Kompromittierte Zahnform: Die Morphologie der natürlichen Zahnform verändert sich. Füllungen sind höher als die benachbarte Zahnhartsubstanz. Schmelzleisten am Gingivarand treten hervor. Höcker der Seitenzähne flachen sich ab oder es entstehen Dellen an deren Spitzen. Komplette Zahnflächen können breitflächig abgetragen sein. Die klassischen anatomischen Zahnformmerkmale wirken unklarer oder gehen gänzlich verloren.
Eine klinisch sehr praktische Möglichkeit der Beurteilung der Schweregrade der Säureschäden im gesamten natürlichen Gebiss stellt die BEWE nach Bartlett, Ganß und Lussi dar. Anhand dieser Klassifikation wird insbesondere auch ein richtungweisendes Management für die Aufklärung, Überwachung, Prävention und Therapie der dentalen Erosionen aufgezeigt, und zwar auf der Basis folgender Graduierung:
- 0: Kein erosiver Zahnhartsubstanzdefekt,
- 1: Verlust der Oberflächenstruktur beginnt,
- 2: Klarer Verlust von Zahnhartsubstanz, 50 Prozent der Oberfläche betroffen),
- 3: ausgeprägter Verlust von Zahnhartsubstanz (mehr als 50 Prozent der Oberfläche betroffen)
wird jeweils dem am stärksten betroffenen Zahn eines Sextanten ein seiner erosiven Beeinträchtigung entsprechender Erosionsgrad zugeordnet. Gemäß der Summe des jeweils höchsten Erosionsgrads pro Sextant wird so ein Gesamt-Schweregrad für alle sechs Sextanten ermittelt, der auf folgender Einteilung beruht:
- nihil (Summe ≤ 2)
- gering (Summe 3 – 8)
- mittel (Summe 9 – 13)
- hoch (Summe ≥ 14)
Liegt ein BEWE-Wert von „nihil“ vor, also kleiner gleich 2, kann die Wiederholung der Untersuchung und Bewertung alle drei Jahre erfolgen, wobei die gezielte und detaillierte Aufklärung über die auslösenden Ursachen dentaler Erosionen und die kontinuierliche vorsorgliche Überwachung sich einstellender Erosionsanzeichen im Rahmen der zahnmedizinischen Routineuntersuchungen aufrechtzuerhalten sind. Bei bestehender klinischer Situation „gering“ ist die BEWE alle zwei Jahre durchzuführen. Für die Schweregrade „mittel“ und „hoch“ ist die BEWE dann schon alle sechs bis zwölf Monate vorzunehmen.
Werden Zahnhartsubstanzverluste diagnostiziert, folgt die Ursachenanalyse. Chronisches Sodbrennen, Bulimie und Anorexia nervosa, häufiges Erbrechen in der Schwangerschaft, direkte und indirekte Medikamenteneinflüsse auf Speichelfluss und –qualität, der häufige Genuss von sauren Fruchtsäften, isotonischen oder energieliefernden Softdrinks, Weinen, aber auch der übermäßige Verzehr saurer Obstsorten, sauer zubereiteter Speisen oder säurehaltiger Bonbons und Süßigkeiten können erosive Zahnschäden begünstigen.
Auch das Vorliegen von erosive Schäden verstärkenden Co-Faktoren wie chronisch dysfunktional traumatischer Zahnabrieb, zu starkes und „sägendes“ Zähneputzen und damit verbundene Zahnhartsubstanzabplatzungen müssen – es darf an dieser Stelle bewusst noch einmal wiederholt werden – abgeklärt werden.
Liegen noch keine Anzeichen erosiver Zahnhartsubstanzverluste vor, dann sollte im Rahmen der primären Prävention die halbjährliche regelmäßige zahnärztliche Untersuchung mit vorsorglicher „erosionspräventiver“ Aufklärung und Inspektion beibehalten werden. Ein vorsorglicher Erosionsschutz durch Erhöhung des Säurewiderstands und Verbesserung der Mikrohärte des Zahnschmelzes und des Zahnbeins durch die topische, also direkt auf die Zahnhartsubstanz aufgetragene Zufuhr von Fluorid ist mindestens einmal pro Woche sinnvoll. Bei der sekundären Prävention sollte anhand der BEWE-Quantifizierung des Vorhandenseins erosiver Zahnhartsubstanzverluste zunächst die Ursachenanalyse vorgenommen und folglich für die Beseitigung dieser schädlichen Faktoren, soweit zahnärztlicherseits möglich, Sorge getragen werden.
Fazit
Je nach Schweregrad der erosiven Schädigungen sind dann vor jeglicher konservierender oder prothetischer Maßnahme die generelle Verwendung von Zahncremes für die Förderung der Mikrohärte der Zahnhartsubstanz und die gezielte Intensivfluoridierung zur Erhöhung der Säurewiderstandsfähigkeit der Zähne angezeigt.
Als Präventionsmaßnahme raten wir unseren Patienten mit Spezialzahncreme wie bespielsweise Sensodyne ProSchmelz zu putzen und Fluorid-Gelee (Sensodyne ProSchmelz Fluorid Gelee) zu verwenden. Aufgrund der speziellen Zusammensetzung härtet die Zahnpasta den Zahnschmelz nachhaltig. Hinsichtlich des Einsatzes von mineralisierenden Zahncremes und hoch dosierten Fluorid-Gelen ist im Rahmen präventiv-zahnheilkundlicher Überlegungen in den letzten Jahren ein deutliches Hervorheben des regelmäßigen und, auch mit Blick auf das Alter der Patienten, frühen Gebrauchs zu erkennen.
Dr. Markus Th. Firla
ist seit mehr als 25 Jahren niedergelassen in eigener Praxis in Hasenbergen. Er studierte Zahnmedizin in Münster und ist als Berater, Autor und Referent aktiv. Er verfasst u. a. Beiträge im Auftrag von GlaxoSmithKline Consumer Healthcare.
Kontakt: Dr.Firla@t-online.de