Empfehlungen zur optimalen Basisprophylaxe
Wie lässt sich ein gesundes Gebiss kariesfrei erhalten oder eine beginnende Karies eindämmen? Die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) liefert Antworten. Unter Leitung von Prof. Dr. Werner Geurtsen, Prof. Dr. Elmar Hellwig und Prof. Dr. Joachim Klimek hat sie wissenschaftlich belegte Empfehlungen für Zahnärzte, das Praxispersonal, Erzieher, Lehrer und Eltern auf den Weg gebracht.
Die Stellungnahme der DGZ wurde als Basis einer späteren Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erarbeitet. Die Autoren stützen sich auf systematische Übersichtsarbeiten, bereits vorhandene internationale Leitlinien sowie klinische Studien. Die Empfehlungen sind bewusst allgemein gehalten und bilden quasi das Fundament für weitere alters- und risikoorientierte Prophylaxemaßnahmen. Nicht behandelt werden spezielle Empfehlungen für Kinder im Vorschulalter und für Gruppen mit einem besonders hohen Kariesrisiko wie z. B. strahlentherapierte Patienten oder Personen mit stark eingeschränkter Bewegungsfähigkeit.
Zu den in der wissenschaftlichen Mitteilung kritisch diskutierten grundlegenden Empfehlungen zählen die individuell richtige, mechanische und/oder chemische Beeinflussung des kariogenen Biofilms (z. B. mit Zahnbürste, der Anwendung antibakteriell wirksamer Lacke, Zahnzwischenraumpflege, PZR), zahngesunde Ernährung, Aktivierung von Speichelschutzfaktoren (z. B. Kaugummikauen), Fluoridierungsmaßnahmen sowie die Versiegelung von kariesgefährdeten Fissuren und Grübchen (Abb. 1).
Damit aus diesen Kernempfehlungen zur Kariesprophylaxe eine bessere Zahngesundheit für alle resultiert, gilt es, Zahnärzte und das Praxispersonal, aber auch Erzieher, Lehrer und Eltern zu informieren und zu motivieren, denn sie stellen den entscheidenden Dreh- und Angelpunkt zur Umsetzung dieser Gesundheitstipps an die Bevölkerung dar.
Co-Faktoren der Kariespathogenese
Karies entsteht durch die metabolische Aktivität eines bakteriellen Biofilms auf den Zähnen, sobald die Demineralisation an der Zahnoberfläche die remineralisierenden Einflüsse übersteigt (Abb. 2). Dabei spielen Co-Faktoren, wie z. B. eine verminderte Speichelfließrate, der fehlende Abtransport kariogener Nahrung aus der Mundhöhle sowie die ungenügende Neutralisierung von Säuren im Biofilm eine zusätzliche Rolle. Der Übergang von gesund zu krank wird also von den individuellen Wirtsfaktoren sowie der Dynamik des Biofilms bestimmt. Deshalb zielt primäre Kariesprophylaxe darauf ab, kariogenen Biofilm regelmäßig zu entfernen, die natürlichen Schutzmechanismen des Speichels zu fördern und zu zahngesunder Ernährung zu motivieren. Zusätzlich können durch Fluoridierungsmaßnahmen Zähne vor Karies geschützt und beginnende Demineralisationserscheinungen remineralisiert werden.
Mechanische Entfernung des Biofilms
Mindestens zweimal tägliches Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta ist effektiver als einmal tägliches Putzen. Auch die Dauer spielt eine wichtige Rolle. Zähne werden durch zweiminütiges Putzen sauberer (Plaquereduktion bis zu 41 %) als durch einminütiges Putzen (Plaquereduktion bis zu 27 %). Zudem ist die Zahnreinigung nach den Mahlzeiten sinnvoll. So werden auch Speisereste entfernt, die sonst möglicherweise als Substrat für kariogene Keime zur Verfügung stehen. Sowohl manuelle als auch elektrische Zahnbürsten sind zur mechanischen Biofilmentfernung geeignet, wobei sich Letztere in einigen Studien als noch effektiver erwiesen haben.
Zahnseide und Zahnzwischenraumbürsten werden zusätzlich empfohlen, da Zahnbürsten nicht vollständig in den Interdentalraum eindringen können. Dafür, dass sie das Risiko für Approximalkaries tatsächlich vermindern, fanden die Wissenschaftler jedoch keine eindeutigen Nachweise. Möglicherweise überdecke die nachgewiesene karieshemmende Wirkung aufgrund der Biofilmentfernung mit Zahnbürste und Fluoridanwendung den Effekt der Zahnseide, schlussfolgerten sie.
Prophylaxeprogramme und PZR
Mit Prophylaxeprogrammen, die verschiedene Maßnahmen, wie Instruktion, Motivation, PZR, Fluoridapplikation etc., kombinieren, kann Karies deutlich in allen Altersgruppen reduziert werden. Dies zeigen sorgfältig durchgeführte klinische Studien. Die meisten Programme, in denen auch Fluoridierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, führten zu einer Kariesreduktion von 30–70 %. Zum karieshemmenden Effekt der alleinigen professionellen Zahnreinigung (PZR) ohne begleitende Fluoridierungsmaßnahmen liegen keine kontrollierten, randomisierten klinischen Studien vor. Es gibt allerdings begrenzte Beweise dafür, dass PZRs speziell in Kombination mit Mundhygieneinstruktionen Parodontalerkrankungen vorbeugen können. Grundsätzlich kann Patienten mit aktiver Karies die Teilnahme an strukturierten Prophylaxeprogrammen empfohlen werden.
Chemische Beeinflussung des Biofilms
Zur chemischen Plaquebeeinflussung werden auch Spüllösungen, Gele und Lacke eingesetzt. Während derartige Präparate die kariogene Keimzahl verringern, ist die Datenlage zur kariesreduzierenden Wirkung schwach oder widersprüchlich. Insbesondere bei Patienten, die eine Kariesprophylaxe mit Fluoridpräparaten betreiben, lässt sich bei Anwendung von chemischen Plaque-Inhibitoren kein zusätzlicher kariesprophylaktischer Effekt feststellen. Bei durchbrechenden bleibenden Zähnen oder im freiliegenden Wurzelbereich zeigten Chlorhexidin-Präparate allerdings einen kariesreduzierenden Effekt und können hierfür empfohlen werden.
Ernährung: Zucker kontra Zahngesundheit
Etwa bis in die 70er Jahre konnte zwischen dem Zuckerverbrauch und der Kariesprävalenz eine stark positive Korrelation gefunden werden. Seit der Verbreitung von Fluoridierungsmaßnahmen ist dieser Zusammenhang in den Hintergrund gerückt. Grundsätzlich sinkt nach einer zuckerhaltigen Mahlzeit der pH-Wert in der Plaque, wodurch das Kariesrisiko steigt (Abb. 3). In Studien konnte ein Zusammenhang zwischen dem häufigen Konsum typischer Süßigkeiten, Backwaren sowie auch von Kartoffelchips und Karies nachgewiesen werden. Um Karies zu verhindern oder einzudämmen, sollten zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten daher maximal viermal täglich aufgenommen werden, empfehlen die Autoren.
Zuckeraustauschstoffe (Polyole) wie z. B. Sorbit und Xylit sowie Süßstoffe wie z. B. Cyclamat und Aspartam können durch orale Mikroorganismen nicht oder kaum zu Säuren verstoffwechselt werden. Sie sind deshalb nicht kariogen. Obwohl nicht hinreichend in Studien nachgewiesen, scheint es biologisch plausibel, dass sich das Kariesrisiko vermindert, wenn Nahrungsmittel vermehrt statt mit Zucker mit Zuckeraustauschstoffen oder Süßstoffen gesüßt werden.
Speichelstimulation durch Kaugummikauen
Die Entstehung und Progression von Karies wird durch protektive Speichelfaktoren vielfältig beeinflusst. Eine Stimulierung des Speichelflusses nach Mahlzeiten trägt durch Verstärkung der Spülfunktion (Clearance) zur Reinigung der Mundhöhle von Nahrungsbestandteilen und zu einer erhöhten Pufferung von Säuren bei. Es erscheint somit biologisch plausibel, dass der Akt des Kauens mit der nachfolgenden Steigerung des Speichelflusses für sich allein die Inzidenz und Progression von Karies verringert. Systematische Reviews sowie eine Metaanalyse des ADA Center for Evidence-Based Dentistry kommen zu dem Schluss, dass regelmäßiges Kauen zuckerfreier polyolhaltiger Kaugummis besonders nach Mahlzeiten einen kariesprophylaktischen Effekt hat und deshalb als basisprophylaktische Maßnahme empfohlen werden kann.
Fluoridierungsmaßnahmen
Unterschiedliche fluoridhaltige Kariostatika gelten inzwischen als einer der anerkanntesten Eckpfeiler der Kariesprophylaxe. Als wichtigste Maßnahme wird die tägliche Anwendung fluoridhaltiger Zahnpasten empfohlen. Dies gilt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen, so die einheitliche Schlussfolgerung unterschiedlicher Fachgesellschaften sowie systematischer Übersichtsarbeiten. Je mehr und öfter mit fluoridhaltiger Paste geputzt wird, desto besser ist die prophylaktische Wirkung. Dies gilt auch für ältere Erwachsene. Auch wenn es wenige wissenschaftliche Nachweise für die kariostatische Wirksamkeit fluoridhaltiger Zahnpasta bei dieser Altersgruppe gibt, deutet nichts darauf hin, dass sich der Effekt wesentlich von dem jüngerer Menschen unterscheidet. Fluoridhaltiges Speisesalz kann ebenfalls empfohlen werden, obwohl die isolierte karieshemmende Wirkung in Ländern, in denen zusätzlich andere Fluoridierungsmaßnahmen zum Einsatz kommen, nur schwach belegt werden konnte. Fluoridhaltige Mundspüllösungen eignen sich speziell bei Kindern ab dem Schulalter, wenn ein erhöhtes Risiko z. B. aufgrund kieferorthopädischer Behandlung vorliegt (Abb. 4). Zudem können fluoridhaltige Lacke, oder Gele bei kariesaktiven Kindern und Erwachsenen angewendet werden. Dabei sollten die Lacke oder Gele professionell vom Zahnarzt oder dem zahnmedizinischen Assistenzpersonal aufgetragen werden. Gele kann auch der Patient selbst einbürsten.
Um Wurzelkaries vorzubeugen oder zum Stillstand zu bringen, ist die tägliche Anwendung fluoridhaltiger Mundspüllösungen oder auch die vierteljährliche Fluoridlackapplikation bzw. die Anwendung von Fluoridgelen zu empfehlen. Auch eine hochkonzentrierte Fluoridzahnpasta (5000 ppm F-) kann indiziert sein.
Fissurenversiegelungen
Fissuren und Grübchen durchbrechender bzw. gerade durchgebrochener Molaren sind stark gefährdete Kariesprädilektionsstellen bei Kindern und Jugendlichen. Fissurenversiegelungen können die Entstehung von Fissurenkaries sowie das Fortschreiten initialer, nicht kavitierter Kariesläsionen verhindern. Infolgedessen sollten kariesgefährdete Fissuren und Grübchen im Rahmen eines umfassenden Prophylaxekonzepts versiegelt werden. Die Autoren betonen die adäquate Verarbeitung (Trockenlegung!) und die Notwendigkeit regelmäßiger Überprüfung. Im Einzelfall können auch stark kariesgefährdete Fissuren und Grübchen bei Prämolaren, Frontzähnen bzw. Zähne bei Erwachsenen versiegelt werden.
Fazit
Die DGZ verfolgt mit den vorgelegten, wissenschaftlich belegten grundlegenden Empfehlungen zur Kariesprophylaxe im bleibenden Gebiss ein präventivmedizinisches Hauptanliegen: den Erhalt gesunder Zähne in der deutschen Bevölkerung.
Diese wissenschaftliche Stellungnahme, die Grundlage für eine Leitlinie ist, soll Zahnärzten und dem Praxisteam als Fundament für ihr Basisprophylaxeangebot dienen. Ebenso wünschen sich die Autoren eine flächendeckende Verbreitung dieser Kernempfehlungen über weitere in der Gesundheitserziehung tätige Bevölkerungsgruppen, wie Erzieher, Lehrer und Eltern. Sie alle spielen eine verantwortliche Rolle bei der Erhaltung der Zahngesundheit und können so zur Lebensqualität der deutschen Bevölkerung beitragen (ab).
Grundlegende Empfehlungen zur Zahngesundheit
- Zweimal täglich Zähneputzen
Mindestens zweimal täglich Zähne mit fluoridhaltiger Zahnpasta putzen. Wenn nötig, Zahnzwischenräume mit geeigneten Hilfsmitteln reinigen. - Maximal vier zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten pro Tag
Täglich nicht mehr als vier zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten zu sich nehmen. - Nach Mahlzeiten Stimulation des Speichelflusses
Regelmäßig nach Mahlzeiten den Speichelfluss stimulieren, z. B. durch Kauen von zuckerfreien, polyolhaltigen Kaugummis. - Individuell abgestimmt: Intensivfluoridierungsmaßnahmen, PZR etc.
Patienten mit erhöhtem Kariesrisiko Intensivfluoridierungsmaßnahmen sowie individuell angepasst im Rahmen eines prophylaktischen Gesamtkonzepts PZR und keimreduzierende Maßnahmen anbieten. - Kariesgefährdete Fissuren und Grübchen versiegeln