Modellfreie Implantatprothetik
Videogeführte Scantechnik für die Intraoralabformung, modellfreie Implantatprothetik und Hybridkeramik standen im Mittelpunkt der 20. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für computergestützte Zahnheilkunde.
Die Jahrestagung der DGCZ (Deutsche Gesellschaft für computergestützte Zahnheilkunde e.V.) hat sich zu einer der größten, wissenschaftlichen Veranstaltungen für Digitaltechnik und computergestützte Restaurationsverfahren in der Zahnheilkunde entwickelt. Namhafte Experten diskutierten über neue Scan-Techniken für die digitale Abformung. Prof. Werner Mörmann, Zürich, erinnerte daran, dass die vollkeramische Behandlung mit Digitaleinsatz zu einer weltweit akzeptierten Therapielösung geworden ist. Neben den bewährten Silikat- und Oxidkeramiken für die konservierende und prothetische Versorgung positioniert sich neuerdings die Hybridkeramik (Vita Enamic) mit einer dualen Keramik-Polymerstruktur. Deren Keramikanteil besteht zu 86 Prozent aus einem gitterähnlichen, dreidimensionalen Keramiknetzwerk aus Feldspatkeramik. In die offene Keramik-Struktur werden werkseitig 14 Prozent Polymere unter Druck infundiert und thermisch gehärtet, wobei sie mit der Keramik einen adhäsiven, interpenetrierenden Verbund bilden. Mit einem Elastizitätsmodul von 30 GPa besitzt der Werkstoff jene Elastizität, die zwischen der von Schmelz und Dentin liegt. Die Biegebruchfestigkeit bewegt sich zwischen 144 und 200 MPa. Deshalb kann die „elastische Keramik“ hohe Kaukräfte kompensieren, ohne Frakturen auszulösen. Die Hybridkeramik eignet sich auch für minimalinvasive Voll-Veneers; die ästhetischen Eigenschaften sind ausgezeichnet (Abb. 3, 4).
In Abrasionstests zeigte die Hybridkeramik einen „physiologischen“ Substanzverlust auf der Restauration sowie eine geringe Attritionswirkung auf dem Zahnschmelz des Antagonisten. Kausimulationen, z. B. mit Vita Enamic, zeigten nach 1,2 Millionen Zyklen Attritionsverluste von 46 µm auf der restaurierten Okklusionsfläche und 27 µm am Antagonisten. In diesem Zusammenhang ging Mörmann auf Attritionsverluste verschiedener Restaurationswerkstoffe ein. Als physiologischer Substanzabtrag in „Two-Body Wear“-Kausimulationen wurden auf Proben aus exzidiertem Molarenzahnschmelz 42 µm und auf dem Zahnschmelz des Antagonistenhöckers 54 µm festgestellt. Bei Hybridkeramik- und Nanokomposit-Proben betrug die Attrition 48 µm und auf dem Antagonistenschmelz 25–30 µm (Vita Enamic, Lava Ultimate). Aufgrund der höheren Härte zeigen Silikatkeramiken im Kaukontakt geringere Abrasionswerte (Feldspat 24 µm, Lithiumdisilikat 33 µm). Dafür ist der Abtrag auf dem Antagonistenhöcker höher (Feldspat 38 µm, Lithiumdisilikat 62 µm). Kausimulationen in Zürich zeigten auch, dass Proben aus semitransparentem, hochglanzpoliertem Zirkoniumdioxid (ZrO2) keine Abrasion auf der Restaurationsoberfläche sowie geringen Abtrag am Antagonisten erfuhren (25 µm).
„Nanokeramik“
Prof. Dennis J. Fasbinder, University of Michigan, Ann Arbor/USA, stellte seine Erfahrungen mit dem subtraktiv schleifbaren Nanokomposit (Paradigm, 3M Espe) vor. Dieses Produkt enthält neben Silikatfüller (Korngröße 20 nm) auch Zirkonoxid-Feinstpartikel (4 bis 11 nm) in einer Polymermatrix. Nanokomposit ist nicht HF-ätzbar, Retentionsflächen müssen sandgestrahlt und adhäsiv befestigt werden. In-vitro-Ergebnisse bei Belastung bis zum Bruch belegen, dass der Bruch bei Nanokomposit im Vergleich zu Keramik zeitverzögert eintritt. Eine zehnjährige In-vivo-Studie, die auch Feldspat-Inlays enthielt (Vita Mark II), zeigte keine Unterschiede in der klinischen Performance. Postoperative Sensibilisierungen wurden nicht beobachtet. Als Indikationen für Nanokomposit (vom Hersteller auch „Nano-Keramik“ genannt) empfehlen sich laut Fasbinder Inlays, Onlays, Endo-Inlay und Endo-Kronen mit zirkulärer Hohlkehlfassung der Restzahnsubstanz (circumferential ferrule design). Adhäsiv befestigte Lava Ultimate Nanokomposit-Inlays und -Kronen wurden mit Silikatkeramikrestaurationen (Empress CAD) verglichen. Beide Systeme zeigten sich nach einem Jahr klinisch unauffällig. Bei In-vitro-Versuchen zeigte sich, dass Lava Ultimate unter hoher Belastung mehr Stress ohne Fraktur absorbieren kann als Silikat- und Lithiumdisilikatkeramik. Dies qualifiziert das Nanokomposit laut Fasbinder für implantatgetragene Kronen.
Optische Abformung: neue Studien
Die digitale Intraoralabformung trägt wesentlich dazu bei, dass der restaurative Arbeitsablauf in Praxis und Labor rationalisiert bzw. erheblich verkürzt wird. An die Genauigkeit des für Zahnarzt und Zahntechniker verbindlichen Datensatzes werden hohe Anforderungen gestellt. Prof. Albert Mehl, Universität Zürich, berichtete von In-vitro- und In-vivo-Präzisionsmessungen, die mit der Triangulationsaufnahmeeinheit (Cerec Bluecam) erstellt wurden. Einzelzahnaufnahmen ergaben eine Abweichungstoleranz von ca. 20 µm gegenüber dem geeichten Referenzscanner; Quadrantenscans zeigten 35 µm Abweichung. Beide Werte liegen damit in einem Korridor, der mit konventionellen Elastomerabformungen vergleichbar ist. Lichtoptische Vollkieferabformungen zeigen noch eine Toleranz von 66 µm, ausgelöst durch das Matching von mehreren, überlappenden Bildsequenzen, vor allem im Frontzahnbereich (Abb. 5) . Die Abweichung beim Gesamtkieferscan und damit die klinische Relevanz müssen aber vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die im ZT-Labor üblicherweise vorhandenen Fräsautomaten mit Toleranzwerten von 40 bis 60 µm und mehr arbeiten und somit die Abweichung erhöhen. Die neue Aufnahmeeinheit (Cerec Omnicam) generiert laut Mehl Datensätze, deren Präzision, wie es klinische Fallbeispiele zeigen, nach Konstruktion und Herstellung der Restauration im Bereich der Bluecam-Kamera liegen.
Zielte ursprünglich die computergestützte Restauration auf die Einzelzahnversorgung, hat die CAD/CAM-Technik inzwischen auch in der Fertigung von prothetischen, mehrgliedrigen Restaurationen ihren Platz eingenommen. Damit wird die dynamische Okklusion zu einer Bedingung für die Konstruktionssoftware, um die Funktion sicherzustellen. Mehl stellte mit dem „Virtual Functional Generated Path“ ein Verfahren vor, das sich einfach und genau mit Software-Methoden umsetzen lässt. Die Folge ist, dass Kontakt- und Gleitflächen besser berücksichtigt werden können und daraus eine entscheidende Verbesserung der okklusalen Rekonstruktionspassung erwartet werden kann. Studien zeigen, dass man für viele Situationen bei Einzelzahnrestaurationen und auch bei kleineren Brücken die Dynamik ausreichend gut berücksichtigen kann, wenn man auf einen elektronischen Mittelwertartikulator zurückgreift. Laut Mehl kann so die Anwendung eines Gesichtsbogens in vielen Fällen umgangen werden.
Vollzirkon
Vollkeramische Werkstoffe haben ihren Indikationsbereich immer mehr ausgeweitet und die klinische Eignung unter Beweis gestellt. Prof. Sven Reich, RWTH Aachen, gab einen Einblick in bibliografisch dokumentierte, bewährte Restaurationsmaterialien. So haben Inlays, Onlays und Teilkronen aus Feldspatkeramik während langjähriger Beobachtungszeiten Überlebensraten erzielt, die sich von metallgestützten Restaurationen nicht mehr unterscheiden [1, 2]. Dies gilt auch für sehr große Einzelzahndefekte [3]. Bei Kronenrestaurationen haben sich die CAD/CAM-gefertigten, monolithischen Versorgungen aus Lithiumdisilikat (LS2) einen festen Platz im Behandlungsspektrum erworben. Der CAD/CAM-schleifbare Werkstoff ist im Gegensatz zur pressbaren Variante herstellerseitig noch nicht für 3gliedrige Endpfeilerbrücken bis zum zweiten Prämolaren freigegeben. Erste klinische Ergebnisse aus einer Multicenterstudie ermöglichen laut Reich eine günstige Prognose. Vollanatomische Kronen aus „Voll-Zirkon“, d. h. monolithisch ausgefräste Kronen aus semitransparentem ZrO2, bieten sich für verblendfreie Rekonstruktionen im Molarenbereich an. Die Einfärbung mit Colourliquids scheint jedoch nicht trivial zu sein, um die Farbe der Nachbarzähne zu treffen. Neue Werkstoffe wie „Nano-Komposit“ und Hybridkeramik scheinen sich laut Reich bei nicht kariösen Defekten für non-invasive Therapielösungen anzubieten.
CAD/CAM-geführte Implantologie
Die virtuelle Planung von Implantatpfeilern und prothetischen Suprastrukturen im posterioren Lückengebiss regio 26–27 und Antagonisten-Kronen regio 36bis 37 demonstrierte Dr. Klaus Wiedhahn ohne Nutzung eines realen Zahntechnikmodells unter Einsatz der Software 4.0 (Cerec AC). Nach dem Scannen der anatomischen Situation wurde die Kronenhöhe der zerstörten Zähne 36 bis 37 für deren Rekonstruktion ermittelt. Eine Abformschiene mit röntgensichtbaren Positionspunkten (Bariumglas) wurde auf das zahnlose Implantatareal aufgelegt. In der anschließenden DVT-Aufnahme (Galileos) wurden die Positionspunkte sichtbar, die Enossalpfeiler dimensioniert und die Einschubrichtung virtuell eingeplant. Dadurch konnte die Position der Implantatpfeiler auf der Abformschiene gekennzeichnet und für die Fertigung der chirurgischen Bohrschablone mit Fräser-Führungshülsen für die OP vorbereitet werden. Ebenso kann das Design der Abutments sowie der Implantatkronen konstruiert, mit Sidexis in das DVT exportiert und die Aufbauteile ausgeschliffen werden. Mit dieser Technik konnte Wiedhahn belegen, dass alle Komponenten für OP und Prothetik passgenau schon vor der definitiven Behandlung vorgefertigt und bereitgestellt werden können.
Das Potenzial der abformfreien CAD/CAM-Technik in der Prothetik zeigte Wiedhahn mit einer Verblendbrücke regio 15 bis 17, die lediglich mit der digitalen Intraoralabformung und ohne ZT-Arbeitsmodell chairside mit dem inLab-System gefertigt werden kann. Für die Verblendbrücke wurde das Gerüst aus ZrO2 konstruiert, die Verblendschale kann computergestützt aus Feldspatkeramik (Vita TriLuxe) ausgeschliffen werden. Dafür werden die Datensätze des Gerüsts und der vollanatomischen Kronen aufgespalten; die Trennung ergab den Datensatz für die Verblendschale (Vita Rapid Layer Technologie). Nach dem Ausschleifen der Verblendung erfolgt das HF-Ätzen; die Befestigung auf dem ZrO2-Gerüst wird mit Komposit vorgenommen (z. B. Monobond, Panavia F2.0). Bei CAD/CAM-gefertigten Verblendungen aus Lithiumdisilikat (e.max CAD-on) wird eine Flüssigkeramik (CAD Crystall) in die Verblendschale eingerüttelt. Gerüst und Verblendschale werden durch Sinterung dauerhaft verbunden.
Ferner stellte Wiedhahn das Tauchfärben einer vollanatomischen, monolithischen Brücke aus ZrO2 (inCoris TZI) vor. Vor dem Färben des Gerüsts in einem Colourliquid wird das Gerüst im Brennofen ca. 3 Minuten bei 80° C und 40 Minuten unter einer Rotlichtlampe getrocknet. Die gewünschte Farbe sollte mit Farbring oder einem elektronischen Messgerät (Vita Easyshade) festgelegt werden. Die Dauer der Tauchfärbung beeinflusst Helligkeit, Farbsättigung und Farbtiefe. Wiedhahn empfahl aufgrund eigener Versuche für A1 bis A3 eine Tauchzeit von 10 bis 20 Minuten. Längere Tauchzeiten fördern dunkle Farbtöne. Entscheidend für den Farbeindruck ist, dass der Helligkeitswert exakt getroffen wird (Abb. 6).
Mehrschritt-Systeme bieten mehr Adhäsion
Den klinischen Erfolg chairside-ausgeführter CAD/CAM-Restaurationen aus Vollkeramik erklärte Prof. Roland Frankenberger, Universität Marburg, damit, dass beim Verzicht auf ein Provisorium keine temporären Zementreste die Kavität für die nachfolgende Versorgung kontaminieren. Ferner können Provisorien durch die Kaubelastung die Schmelzränder der präparierten Kavitäten destabilisieren und Randfrakturen provozieren. Letztendlich ist die lange Haltbarkeit der Keramikrestaurationen der adhäsiven Befestigung zuzuschreiben, denn durch den innigen Verbund können mechanische Einflüsse auf den Grenzflächen nicht wirksam werden [4]. Frankenberger empfahl, im Dentin routinemäßig Aufbaufüllungen zu legen und mit einem Self-Etch-System zu befestigen. Damit wird postoperativen Hypersensitivitäten vorgebeugt. Die Aufbaufüllungsoberfläche sollte nach dem Aushärten sandgestrahlt werden, um den adhäsiven Verbund mit der späteren Keramikrestauration zu verbessern [5]. Außerdem sollten die potenziell kontaminierten Schmelzränder akribisch nachfiniert werden. Bei der adhäsiven Befestigung im Dentin zeigen Mehrflaschensysteme (Syntac u. a.) immer noch bessere Ränder als simplifizierte Produkte [6].[]
Deutsche Gesellschaft für Computergestützte Zahnheilkunde (DGCZ)