Gesamtbild eines facettenreichen Fachs
Den Abschluss des wissenschaftlichen Zahnärztetags gestaltete die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie. In 15 weiteren Sessions wurden Themen aus dem weiten wissenschaftlichen Feld der Zahnmedizin bis zum Kongressende am frühen Samstagabend angeboten. Ein Höhepunkt: die Live-OP durch Prof. Dr. Giovanni Zucchelli.
Gleich drei parodontologische „Stolpersteine“ wurden zu Beginn im Saal Harmonie benannt. Unter dem Vorsitz von Dr. Ludwig Ackermann beleuchtete Dr. Stefanie Kretschmar die Nachteile einer fehlenden Patienten-Compliance, stellte PD Dr. Bettina Dannewitz Komplikationen durch Furkationsbeteiligungen vor und erläuterte PD Dr. Stefan Fickl Hürden im Bewältigen des Weichteilmanagements – und gab Tipps zum erfolgreichen Vorgehen. Unter anderem betonte Fickl, dass es eine Indikationserweiterung für Emdogain gebe – in Richtung des Einsatzes für eine Wundheilungsförderung. Dazu könne auch Hyaluron eingesetzt werden.
Der Interdisziplinäre Arbeitskreis für Zahnärztliche Anästhesie (IAZA) lud mit seiner Sitzung zu einem Spezialthema ein. Diskutiert wurde die intraoperative Schmerzausschaltung für zahnmedizinische Behandlungen im Alter. Die Anästhesistin Prof. Dr. Grietje Beck riet dabei zu mehr Sedierungen, falls die Eingriffsart und die Komorbidität dies zuließen. Sie betonte, dass Monitoringaufgaben auch an geschultes Praxis-Personal zu delegieren seien. Sehr wichtog sei eine sorgfältige Beachtung der Patientenanamnese. Prof. Dr. Monika Daubländer stellte Faktoren der Lokalanästhesie vor. Gerade bei Risikopatienten sei eine gute organisatorische Vorbereitung samt Monitoring ebenso wichtig wie eine umfangreiche Aufklärung, um Rechtssicherheit zu schaffen. Für die Behandlung dementer Patienten empfahl sie die Verwendung eines Beobachtungsbogens. Dadurch seien Komplikationen während und nach der Anästhesie gut auszuschließen.
Live-OP
Mit der Live-Übertragung eines Eingriffs zur multiplen Rezessionsdeckung in der ästhetichen Zone erlebte der Schlusstag einen Höhepunkt. Prof. Dr. Giovanni Zucchelli erläuterte zunächst sein schrittweises Vorgehen, um dann die Zuschauer im Saal Harmonie teilhaben zu lassen an dem Eingriff.
Das Thema Beruf und Familie stand im Fokus der Gemeinschaftsveranstaltung von BZÄK, BdZA und Dentista. Die Finanzierung von Praxisgründungen, das Thema Vertragsgestaltungen und eine Übersicht über Gehaltsstrukturen nach der Assistenzzeit – hierzu hatte Dentista eine Studie in Auftrag gegeben – standen bei dieser Session im Brennpunkt.
Kurzvorträge
Zahlreiche Kurzvorträge beschäftigten sich mit den unterschiedlichen Disziplinen der Zahnmedizin. So stellte Dr. Michael Rädel die vor einigen Monaten veröffentlichte Studie zu Re-Interventionen innerhalb von vier Jahren bei Seitenzahnfüllungen vor. Die Studie griff auf Versichterendaten der Barmer zu und führte zu Ergebnissen, die „Luft nach oben lassen“, wie es Rädel formulierte. Der relativ hohe prozentuale Anteil an Füllungserneuerungen innerhalb der vier Jahre veranlasste die Krankenversicherung zu einer Pressemitteilung, bei der die Arbeit der Zahnärzte nicht gut abschnitt. „Aber Füllungen halten nicht immer lebenslang“, sagte Rädel. Diskussionswürdig waren allerdings die fehlenden Daten, die nicht in der Studie berücksichtigt werden konnten: die Art des Füllungsmaterials, die Mundhygiene der Patienten oder ein möglicher Behandlerwechsel.
Auch der Kurzvortrag von Dr. Sabine Gröger zum Einfluss von Zahnpasten auf die gingivale Barrierefunktion präsentierte erstaunliche Ergebnisse. Die Resultate zeigten, dass Detergenzien-haltige Zahnpasten die epitheliale Barriere in vitro konzentrationsabhängig beeinflussen.
Präventionspreis vergeben
Im Anschluss an die Kurzvorträge nutzten die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und CP Gaba die Zeit für die Vergabe des Präventionspreises Mundgesundheit in der Pflege der gemeinsamen Initiative für eine mundgesunde Zukunft in Deutschland. Der erste Platz, dotiert mit 2500 Euro, geht an Dr. Guido Elsäßer und Silvia Reichmann aus dem baden-württembergischen Kernen für ihr „Schulungsmodul Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege für angehende Heilerziehungspfleger/innen.
Den zweiten Platz (1500 Euro Preisgeld) belegen Dr. Nicole Primas von der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt und ihre Projektpartner. Ihr Modulprojekt „AzuBiss“ tritt für die ausbildungsübergreifende Zusammenarbeit für mehr Mundgesundheit in Pflegeheimen ein.
Das von der Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Guido Heydecke, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, eingereicht Projekt eines Wahlfaches „SeniorenZahnMedizin“ für Studierende belegt den dritten Platz (1000 Euro Preisgeld).
Studententag stellte Erfahrungsberichte vor
Auch die Studierenden nahmen erneut am Programm des Deutschen Zahnärztetages teil. Der Studententag am Samstag stand diesmal unter dem Motto „Famulatur und Auslandseinsatz – Herausforderungen, Möglichkeiten und Realität“. Zahlreiche Erfahrungsberichte mit zum Teil exotischen Bildern, aber auch erschütternden Darstellungen der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung, sorgten für großes Interesse bei den jungen Zahnmedizinstudenten. Im Fokus standen dabei Länder wie Ruanda, Brasilien, Indien, Peru oder aber das Hilfseinsatz-Projekt Mercy Ships.
Die Frage, ob die Trennung von Wissenschaftsprogramm und politischem Teil, der eine Woche später in Berlin stattfindet, tatsächlich „greift“, wurde auch in Frankfurt diskutiert. Sicher führt die Trennung dazu, dass in Frankfurt eine Konzentration auf die Zahnmedizin und deren facettenreichem Spektrum erfolgt, die dem Fach als medizinisches Teilgebiet guttut. Allerdings bleibt auch festzuhalten, dass die Wahrnehmung der Zahnmedizin ohne die politischen Aussagen des Berufsstandes, die immer auch tagesaktuelle Relevanz mitbringen, im gesellschaftlichen Kontext deutlich reduziert bleibt.
Eines steht fest: Dieses Thema wird die Zahnmedizin und deren Protagonisten weiterhin beschäftigen.