Geistlich-Konferenz in Stuttgart

Blockaugmentation: Viele Facetten und Alternativen

Bei der mittlerweile vierten Geistlich-Konferenz ging es am vergangenen Wochenende in Stuttgart um Therapieergebnisse und Alternativen für die Blockaugmentation.



Die Experten stellten Studien vor und gingen auf die Kurzzeit- und Langzeitergebnisse der verschiedenen angewendeten Behandlungsmethoden und Techniken im Bereich der Implantologie ein. „Es ist wichtig, solche Themen auch mal tiefer zu beleuchten als in Sieben-Minuten-Vorträgen und Kurzreferaten“, sagte Dr. Thomas Braun, Geschäftsführer von Geistlich Biomaterials (Baden-Baden) zur Begrüßung der 120 Teilnehmer. Schließlich habe die klassische Blockaugmentation, zu der es inzwischen viele Alternativen gebe, etliche Facetten – sowohl auf der Seite der Materialien als auch der Methoden. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Facharzt für MKG-Chirurgie aus Kassel. Terheyden räumte den Teilnehmern in mehreren Diskussionsrunden genügend Raum für Nachfragen ein. 

Den Auftakt des dicht gepackten Tages machte Dr. Dr. Andres Stricker aus Konstanz. Der Facharzt für Oralchirurgie stellte das Bone-Splitting vor, das eine Option bei transversalen Defiziten im atrophierten Kieferkamm ist und aus Sicht von Stricker Knochenblöcken in nichts nachsteht: „In meinen Augen sind Bone-Splitting und Knochenblöcke adäquate Therapieformen. Der größte Vorteil ist, dass man nirgendwo anders etwas herholen muss. Man kann alles vor Ort machen.“ Zudem seien die Ergebnisse der lateralen Stabilisation von Implantaten im klinischen Alltag äußerst ermutigend. „Bone Split sehe ich primär bei alten Patienten, die lange Prothesen getragen haben und denen eine große Augmentation nicht zumutbar ist.“

Mit Hilfe des DVT in beide Richtungen denken

Um den vertikalen Knochenbinnendefekt drehten sich die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas aus Mainz. Er ging auf die Geschichte sowie die aktuellen Techniken der Interpositionsosteoplastiken ein. Anders als in den 1990er Jahren, als die rein chirurgische Planung im Vordergrund gestanden habe und anders als in den 2000er Jahren, als der Prothetiker bestimmt habe, wo das Implantat hin solle, „können wir heute mit dem DVT in beide Richtungen denken“, betonte Al-Nawas. Wovon letztlich der Patienten profitiert: „Wir können gemeinsam mit dem Patienten die minimalinvasivste oder die für ihn beste Variante gemeinsam ausloten. Und da gehört die Sandwich-Osteoplastik auf der Klaviatur mit dazu.“ Vor allem aber sollte der Behandler es nicht versäumen, den Patienten im Vorfeld der Behandlung über alternative Methoden wie kurze Implantate aufzuklären. Denn wenn es tatsächlich einmal Probleme gäbe, gehe es genau darum, sagte Al-Nawas.

Prof. Dr. Katja Nelson aus Freiburg stellte dar, warum heute trotz der vielen unterschiedlichen Knochenersatzmaterialien weiterhin autologe Materialien unverzichtbar sind. Auf einen Nenner gebracht: „Autolog funktioniert eigentlich immer und hat sehr gute Erfolgsraten. Die Resorptionen sind insgesamt geringer als bei nicht autologem Material.“ Denn nur der autologe Knochen habe alle Eigenschaften, die ihm eine überlegene Transplantationskompetenz verleihen. Zum Beispiel habe er eine schöne Leitstruktur für Zellen, die dort einwandern könnten. Gerade bei vertikalen Augmentationen sei eine hohe Transplantationskompetenz von Bedeutung, erklärte Nelson. Ihre Schlussfolgerung: „Für großvolumige Defekte im Kiefer bleibt der Beckenkamm der Goldstandard.“ Beckenkamm eigne sich für Defekte im Kiefer, die größer sind als 5 Millimeter, etwa bei einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Kleinvolumige Defekte dagegen „können sie auffüllen, womit sie möchten“, so Nelson.

Erfahrung entscheidender Erfolgsfaktor

Über seine Erfahrungen mit autogenen und autologen Knochenblöcken berichtete der niedergelassene Mund-Kiefer-Chirurg Dr. Dr. Helmut Hildebrandt aus Bremen. Eine seiner Erfahrungen mit Blöcken: Wie gut man als Behandler damit zurecht kommt, hängt nicht allein vom Knochenersatz ab, sondern auch mit den eigenen Erfahrungen mit einem bestimmten Typus. Es komme zum Beispiel darauf an, wie der Block zu halten sei oder welche Schnittführung angebracht sei. Hildebrandt bilanziert: Die Blockauflagerung habe ihre Probleme, aber entscheidend sei vor allem  die genaue Formanpassung bei der Augmentation.

Eine neue Methode wenden die niedergelassenen Kollegen Dr. Karl-Ludwig Ackermann und Dr. Marcus Seiler, beide aus Filderstadt, an. In ihrem Doppelvortrag erläuterten die Oralchirurgen die „defektorientierte patientenspezifische 3D-Knochengenration mittels individualisierten Titangittern“. Angefangen damit haben sie 2014, so dass noch keine Langzeitdaten vorliegen. Bei dieser Methode wird zunächst mit Hilfe des DVT ein 3D-Modell des Defekts erstellt. Damit lässt sich das Problem der Formanpassung in den Griff bekommen. Die Funktionsweise: Nach dem Vorbild des virtuellen Modells wird mittels 3D-Druck ein individualisiertes Gitter gedruckt. Die Titangitter weisen keine scharfen Kanten auf, was bei der Wundheilung positiv ist. Der große Vorteil ist, dass das Titangitter den Defektbereich stabilisiert. Mit einem Gemisch aus autologem Knochen und Knochenersatzmaterial wird das Knochendefizit „aufgefüllt“. Seiler hob hervor, dass bei der Planung des Augmentationsverfahrens die CBR-Technik das Volumen exakt berechnen könne. Nach 130 behandelten Fällen mit der Customized Bone Regeneration könnten folgende Erkenntnisse gezogen werden: In allen Fällen konnte gut implantiert werden, die Entfernung der Gitterstäbe war problemlos möglich. Bei all den Fällen gab es lediglich einen Verlust. Die Gitterstruktur hat keine Membranfunktion. Die Abdeckung mit einer Kollagenmembran und einer Mischung autogenem Material und einem Xenograft scheint zu einer besseren Regeneration zu führen. Zudem ist die Passgenauigkeit höher als klinisch gefordert. Und die anatomische Konturierung ermöglicht die Gestaltung und Regeneration des Alveolarfortsatzes in die gewünschte Richtung (Backward Planning).

Zahn: Enormes Potenzial als biologisches Material

Besondere Denkanstöße für die Zukunft der Implantologie und eine patientenfreundliche Behandlung gab DGI-Präsident Prof. Dr. Frank Schwarz von der Uniklinik Düsseldorf. Er arbeitete das enorme Potenzial des Zahnes als biologisches Material heraus. Jedes Jahr würden in Deutschland 13 Millionen Zähne entfernt und weggeworfen. Dabei sei dieses biologische Material viel zu schade, um es nicht weiter zu verwerten. Dentin und Knochen seien eigentlich vergleichbar. Die Zahnsubstanz könne etwa als autologes Zusatzmaterial verwendet werden und die Zahnwurzel als funktionsfähiges Implantatlager. Seit vier Jahren werden die Studien von Schwarz von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell unterstützt. Derzeit laufen die klinischen Tests. Wann daraus ein als Behandlungsoption für den Patienten in der Praxis wird, lässt sich noch nicht sagen.

In der letzten Session ging es um das Weichgewebe und die Heilung. Prof. Dr. Dr. Alexander Schramm aus Ulm und Dr. Marcus Heufelder aus München beleuchteten die präprothetische Hart- und Weichgewebeaugmentation bei kleinen und großen Defekten und gingen auf die Risiken und Nebenwirkungen ein. PD Dr. Shahraam Ghanaati aus Frankfurt erläuterte den Möglichkeiten des Einsatzes von Plasma-Konzentraten.