VIDEO: Abschluss des 25. Kongresses der EAO in Paris

Fortschritt durch Erfahrung

Rückschlüsse aus jahrzehntelanger Erfahrung standen im Fokus der 25. Tagung der EAO, die heute in Paris zu Ende geht. Die Frage „Was tun, was lassen?“ durchzog den überwiegenden Teil der Veranstaltungen, die von mehr als 2500 interessierten Implantologen aus ganz Europa besucht wurden.



Misserfolge, ihre Ursachen und vor allem die Optionen, diese zu verhindern, thematisierten erfahrene Implantologen aus aller Welt. Prof. Dr. Bertil Friberg aus Schweden etwa beleuchtete die Faktoren Material, Technik, Operateur und Patient. Er stellte Studien vor, die dokumentieren, dass es signifikant mehr Misserfolge bei maschinierten gegenüber rauen Oberflächen, keine Differenz im Outcome bei kurzen oder Implantaten mit Standard-Längen und keinen Unterschied zwischen ein- und zweizeitigem Vorgehen gebe.

Friberg wies anhand spezifischer Allgemeinerkrankungen bei Patienten (zum Beispiel osteogenetische Fehler, systemischem Lupus erythematodes (SLE) oder Sklerodermie) nach, dass Implantate in solchen Patienten besser funktionierten als natürliche Zähne. Zudem erklärte Friberg die Erfolgszahlen aus den Anfängen der Implantologie: Zur Startzeit der Implantologie seien die Implantate überwiegend in nichtkompromittierten Umgebungen gesetzt worden, der Knochen habe überwiegend eine ausreichende Regeneration nach Extraktion gehabt und man habe – ohne besondere Berücksichtigung der Ästhetik – für die Stabilität notwendige Abutment-Längen verwendet.  

Team Amerika vs. Team Europa

Mit einem Behandlungs-Contest zwischen Amerika/Kanada und Europa fand der zweite Kongresstag einen Höhepunkt: Dr. Sonia Leziy (Kanada), Dr. Brahm Miller and Dr. Drew Ferris bildeten das US-Team, Dr. Rino Burkhardt, Prof. Dr. Jörg Strub und Dr. Marc Schätzle bildeten das „Team Europe“. Beide Teams stellten ihre Therapieoptionen für einen von Dr. Andrea Ricci vorgestellten Patienten-Fall vor.  Das Ergebnis: Beide bevorzugen einen „konservativen“ Therapieansatz ohne Extraktionen, der darauf baut, selbst kompromittierte Zähne soweit es geht zu erhalten und dennoch eine vorhersagbare Lösung dem Patienten anzubieten.

Die EAO zeigte in Paris auch andere Wege der Wissensvermittlung. Beispielsweise durch das neue Angebot „7 Minutes to convince“. Ins Leben gerufen durch das Junior Committee. Oder wie es der Vorsitzende der Session, PD Dr. Stefan Fickl, formulierte: „Die Teilnehmer wurden dazu aufgerufen etwas ,outside of the box‘ zu denken“. 40 Interessierte hatten dem Junior Committeee zuvor Bewerbungen für die Session geschickt, die sieben Besten wurden ausgewählt und stellten auf der Bühne ihre Ideen und Ansätze vor. Am Ende wurde per EAO-App abgestimmt, wer am überzeugendsten war.

Die Zukunft ist digital

Dr. Karim Dada und Dr. Leon Pariente beispielsweise zeigten die Möglichkeiten der comutergestützten Implantation. „Die richtige Platzierung des Implantats sei ausschlaggebend für den Erfolg“, sagte Dada. Gerade deshalb sei jeder Tag mit guided surgery ein guter Tag. Im Moment befinden sich die zwei Kollegen einer Pariser Zahnarztpraxis in der Planungsphase, um zukünftige Implantationen komplett digital umsetzen zu können. Ohne Wax-up oder Modell.

Marco Degidi, Italien, stellte seine „Conometric Konzept vor“, bei dem die Implantat-Abutment-Verbindung ohne Zement oder Verschrauben auskommt. Stattdessen werden in das Abutment conometrische Caps eingebaut, die dann auf das dazu passende konische Implantat gesetzt werden.

Ein Horrorfilm überzeugt

Alle Teilnehmer im Plenum überzeugt hat aber Dr. Mustafa Ozcan aus der Türkei. Er berichtete von einer Pilotstudie, die zeigte, dass bei Patienten die Angst vor der OP direkt mit der post-operativen Zufriedenheit in Zusammenhang steht. Die Ergebnisse inspirierten Ozcan dazu einen Film zu drehen, bei dem die Implantation aus Sicht des Patienten gezeigt wird – allerdings mit Sound- und Filmeffekten, die  dem Horrorfilm-Genre entstammten. Das überzeugte nicht nur die Vorsitzenden der Session, sondern auch das Plenum. Als Preis erhielt Ozcan die Möglichkeit einen Gutschein für einen EAO-Masterkurs.

Aufkommende Technologien standen im Fokus einer anderen Session. Dort stellte Prof. Dr. Daniel Wismeijer, Niederlande, die handgeführte der computergestützten Implantation gegenüber. Zwar gebe es durch die Hand des Operateurs mehr Fehlerpotenzial, aber auch computergestützt sieht Wismeijer Probleme. Etwa bei der Genauigkeit des Scans. Die Maschine rechne die Ergebnisse um wodurch sich Ungenauigkeiten ergeben können.

Ein weiteres Problem laut Wismeijer: zu lockere Bohrschablonen. „Diese erlauben dem Bohrer kleinste Bewegungen und Ungenauigkeiten“, erklärte er. Sein Tipp: Bohrschablonen verwenden, die optimal für den Bohrer passen.

Operiert bald der Computer?

Generell sieht er für die Zukunft eine Zunahme der Digitalisierung im Bereich der Implantologie. „Es kann nicht mehr lange dauern, bis wir die komplett computergeführte Operation haben“, glaubt Wismeijer.

Therapieformen, die nach einigen Jahren aufgrund von Implantatverlusten nicht mehr angewendet werden, bestimmten am Abschlusstag die Diskussionen auf dem Kongress. Prof. Mariano Sanz (Madrid), Dr. Karl-Ludwig Ackermann (Filderstadt), Dr. Margerita Hultin (Stockholm) und Dr. Konrad Meyenberg (Zürich) waren gebeten worden, klare Aussagen zu treffen. Und das taten sie. Sanz warnte vor Sofortimplantationen, die nur in ganz bestimmten Indikationen und Patientensituation angeraten seien, da die Vorhersagbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt sei.

Verzicht auf Zement

Ackermanns Konklusion beschreibt, dass, wo immer es geht, Augmentationen vor allem bei älteren Patienten zu umgehen seien, was durch kürzere Durchmesser-reduzierte Implantate gut leistbar sei. Hultin plädierte klar für eine computergestützte Implantatinsertion, die der „Freihand-Implantation“ definitiv überlegen sei, und riet deutlich von einer Sofortversorgung mit einer präfabrizierten Prothetik ab. Und schließlich riet Meyenberg in einem polarisierenden Vortrag den Kollegen, Prothetik nicht mehr zementiert zu verbinden, sondern nur noch zu verschrauben. Zement-assoziierte Verbindungen seien zu oft assoziiert mit Mukositis und Periimplantitis.

Am letzten Kongresstag stellen sich auch Prof. Dr. Massimo Simion, Italien, und Prof. Dr. Daniel Buser, Schweiz, der Diskussion von maschinierter vs. rauer Implantatoberfläche. Obwohl, richtig uneinige waren sich beide nicht in vielen Punkten. Es herrschte relative Einigkeit.

Erfolg durch Berner Betreuungsprogramm

Simion betonte, dass die Implantatoberfläche bei gutem Knochenangebot keine große  Rolle spiele. Anders sehe es bei limitiertem Knochenangebot, Augmentation etc. aus. „Bei dünnem Knochen kann der Biofilm sich ideal einlagern – bei porösen Oberflächen sogar noch schlimmer.“ Die Folge: Periimplantitis.
Buser zeigte, dass er in Bern gute Ergebnisse mit mikrorauen Implantatoberflächen erzielen konnte. Faktoren dafür sind für ihn nicht nur die guten Operateure und Behandlungspläne, sondern dass die Patienten in ein unterstützendes  Betreuungsprogramm integriert wurden.

Vorteile für Hybridimplantate

Beide Referenten waren sich einig, dass eigentlich Hybrid-Implantate mit einem intrakrestalen, rauen Implantatkörper und einer maschinierten subkrestalen Oberfläche die passende Lösung wären.
Generell sieht Buser einige zusätzliche Faktoren bei diesem Thema, die für ihn eine entscheidende Rolle für den Implantaterfolg spielen. „Der Nummer eins Faktor für die Periimplantitis sind für mich schlechte Operateure“, sagt Buser. Früher seien Implantate vor allem von Spezialisten gesetzt worden, heute implantieren auch viele weniger qualifizierte Kollegen.

Außerdem sieht Buser ein Problem in der Hygiene von Implantaten. Eine aktuelle, noch nicht veröffentlichte Studie zeige Kontamination auf zahlreichen Implantaten.