46. DGZI-Jahrestagung in München

Ohne Knochen keine Ästhetik

Die Frage "Wie viel Ästhetik braucht die Implantologie" versuchten die namhaften Referenten der 46. DGZI-Jahrestagung am 30. September und 1. Oktober in München aus verschiedenen Blickwinkeln zu beantworten.



Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets eröffnete den Kongress auf dem Mainpodium am Freitag mit seinem Vortrag “Implantologie in der ästhetischen Zone – Gründe für Erfolg und Misserfolg”. Smeets’ Credo: “Die atraumatische Extraktion ist das Wichtigste.” In der ästhetischen Zone zeige sich, “wer es kann”, und von Beginn an müsse die Prothetik mitbedacht werden, nicht nur die Chirurgie. Eine sorgfältige 3D-Planung sei heute unerlässlich. “Wenn das Implantat falsch steht, brauchen wir uns über das Gewebemanagement gar nicht erst unterhalten.” Ganz deutlich machte Smeets, dass er den Grund für einen Misserfolg eher beim Implantologen als beim Implantat sieht. Die rechte Hand sei die Hauptfehlerquelle: “Die Fehler machen wir, nicht das Material.”

Das Tissue Master Concept, das biologische Gewebemanagement, als Alternative zur Augmentation stellte Dr. Stefan Neumeyer vor. Bei dem Verfahren wird ein Zahn extrudiert und dann fixiert. Die bukkale Lamelle regeneriert sich in der Folge und die angewachsene Gingiva verbreitert sich. “Das ist ein sehr großer Benefit”, sagte Neumeyer. Man müsse der Regeneration Zeit geben, die Qualität sei jedoch mit augmentativen Verfahren vergleichbar.

Röntgen: 3D nicht besser als konventionelle Bildgebung?

Zur Entwicklung der Bildgebung sprach Prof. Dr. Gabriele Kaeppler. Es gebe keinen Beweis, dass Patienten mit einer 3D-Planung bessere Ergebnisse erzielen als mit konventionellen Methoden. Ob die Heilung oder die Verlustrate sich verbessern, wisse man schlichtweg nicht. Auch bei den Fachgesellschaften herrsche daher Unsicherheit. “Keiner legt sich fest. Die Leitlinien hören sich so an: ‘man müsste, man sollte, man könnte’.” Mehr als 80 Prozent der Behandler, so eine Umfrage, halte sich daher nicht an diese Vorgaben und machen es so, wie sie es selbst für richtig halten. Die geringeren Kosten und die breite Verfügbarkeit der Geräte sprechen hier für die konventionellen Bildgebungsverfahren. “Bei den Planungsschienen gibt es vielfach Probleme mit Abweichungen. Hier gibt es noch viel Luft nach oben”, resümierte Kaeppler.

Eine Studie zur Veränderung der SLA-Oberfläche bei Insertion stellte am Samstagmorgen DGZI-Präsident Prof. Dr. Herbert Deppe vor. Zusätzlich zu einer elektronenmikroskopischen Untersuchung speicherte die Studiengruppe die digitalen Bilder als Grauwertbilder ab, um Verfärbungen erkennen zu können. In der Humanpräparate-Gruppe fielen bei den gereinigten Implantaten makroskopische Unregelmäßigkeiten auf, die nach apikal zunahmen. An den Gewindeflanken zeigten sich schollige Reliefabflachungen sowie wabenförmige Knochenablagerungen. Deppes Fazit: “Keines der untersuchten Implantatsysteme konnte seine Oberflächencharakteristik während des Insertionsvorgangs beibehalten.” Die biologische Bedeutung der Zu- bzw. Abnahme der Oberflächenstruktur sei jedoch unklar.

Paradigmenwechsel bei der Implantattherapie

Die systemisch kompromittierte Knochenneubildung und Wundheilung stellte Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz als neue Herausforderung beim Thema Knochendefizit dar. Die generellen Kontraindikationen für die Implantattherapie würden sich immer weiter verabschieden. Daher sei es in Zukunft extrem wichtig, der Verantwortung nachzukommen, jedem Patienten ganz individuell das “richtige” Implantat einzusetzen – und damit dem Vorbild der personalisierten Medizin, wie beispielsweise in der Onkologie, nachzueifern. Die individualisierte und indikationsbezogene Implantatfindung sei der Schlüssel für eine erfolgreiche und langzeitstabile Implantattherapie.

PD Dr. Michael Stimmelmayr und PD Dr. Dietmar Weng diskutierten über die Möglichkeiten und Grenzen bei der Ridge Preservation und Socket Preservation. Stimmelmayr identifizierte die Knochenresorption als “Riesenproblem in der ästhetischen Zone”. Dem Verlust des Bündelknochens könne nicht entgegengewirkt werden, obwohl es mit der Ridge Preservation generell weniger Resorption gebe. Weng: “Ohne die Anwesenheit eines Zahnes macht der Bündelknochen keinen Sinn. Er wird abgebaut.” Stimmelmayr versucht mit dem Wiederaufbau des Weichgewebes das zu kompensieren, was bei Hartgewebe verloren gegangen ist; mit Hilfe von autologen Bindegewebstransplantaten. “Ich lasse die Wunde dann ganz konservativ fünf Monate bis zur Implantation einheilen”, erklärte Stimmelmayr. Wichtig in der ästhetischen Zone: Das Implantat immer einen Millimeter hinter die Verbindungslinie platzieren. Nach erneuten fünf Monaten Einheilung folge dann die Freilegung des Implantates. Ein stabiles, gut durchblutetes Weichgewebe um das Implantat sei die beste Periimplantitis-Prophylaxe. Zu den Grenzen sagte Stimmelmayr, dass Nachaugmentationen relativ häufig gemacht werden müssen. Es gebe auch Misserfolge, bei denen dann eine komplett neue Hartgewebsaugmentation notwendig sei. Außerdem: Bei einer extrem ausgeprägten jugae alveolaris sowie einer größeren Schaltfläche funktioniere es nicht: “Es klappt nur bei Einzelzähnen.”

Weng hielt fest, dass es beim Einheilen ohne vorherige Socket Preservation bei einer Spätimplantation Probleme gebe, da bukkaler Knochen fehlt. Einige Implantatgewinde liegen dann bukkal frei, eine laterale Augmentation wird notwendig. Wichtig sei dabei auch die Compliance des Patienten. Weng: “Hier darf nicht viel Bewegung stattfinden.” Die Alveole solle nicht “ausgestopft” werden, da genug Platz für ein Blutkoagulum bleiben müsse. “Alles bis oben hin wird ohnehin nie zu einem echten, guten Knochen”, sagte Weng. Auf das Knochenersatzmaterial bringt er eine Membran auf, darüber noch einen Gelatine-Schwamm. Der Erhalt der Breite sei entscheidend. Abhängig von der Zusammensetzung des Knochenmaterials sei eine Einheilzeit von sechs Monaten notwendig. “Dann folgt eine recht einfache Implantation in einen schönen Knochenkamm – so etwas kann man Montagmorgen um 8 Uhr problemlos machen.”